Technik aus vorigen Jahrhunderten
Die Sanierung der historischen Wasserkunst in Herrenhausen, eines der bedeutendsten europäischen Baudenkmäler, ist abgeschlossen
Lange 10 Jahre hat es gedauert. Doch nun erstrahlt die Wasserkunst an der Leine in Herrenhausen in neuem Glanz, und das steht ihr äußerst gut zu Gesicht. Davor war sie etwas heruntergekommen. Sie war marode geworden und mit Graffitis beschmiert. Die komplizierte Technik funktionierte nicht mehr. Das war den sonst so akkuraten Königlichen Gärten von Herrenhausen nicht mehr würdig. Deshalb wurde eine grundlegende und aufwendige Sanierung in Angriff genommen, die rund sieben Millionen Euro gekostet hat. Doch nun befindet sich die Wasserkunst wieder in einem Top-Zustand. Äußerlich wurde der weiße Putz entfernt, so dass der vorige aus dem 19. Jahrhundert wieder freigelegt werden konnte. Und im Inneren funktioniert die alte Technik wie damals. Dazu gehören zwei acht Tonnen schwere Wasserräder, die die Pumpen antreiben. Deren morsches Eichenholz wurde jetzt aber gegen robusteres Holz von Nadelbäumen ausgetauscht.
Die Aufgabe der Pumpen war es früher, Wasser aus der Leine in die Graft, ein Kanal, der den Großen Garten von drei Seiten umgibt, zu leiten, das dann den Wasserspielen der Fontänen und zum Bewässern der Gartenanlagen zur Verfügung stand. An heißen Sommertagen, wie wir sie seit längerer Zeit haben – in Hannover die höchste Dürrestufe -, sind es immerhin bis zu zwei Millionen Liter täglich. Das entspricht der Menge eines 50-Meter-Schwimmbeckens. Die große Fontäne, die höchste Gartenfontäne Europas, wird allerdings weiterhin mit Elektropumpen betrieben. Auch die anderen. Bei Windstille erreicht sie eine Höhe von 72 Metern. Aber den Europarekord für sämtliche Fontänen stellte sie vor 303 Jahren mit einer damals unglaublichen Höhe von 35 Metern auf. Selbst die in Versailles sprang nur 27 Meter hoch. Doch wie kam es nun, dass die Wasserkunst damals gebaut wurde?
Die Wasserkunst, ein Vorzeigeprojekt für den europäischen Hochadel
Im Jahr 1636 zurzeit des Dreißigjährigen Krieges hatte Georg I. von Calenberg, der aus dem Geschlecht der Welfen Herzog von Braunschweig und Lüneburg war, Hannover zu seiner Residenzstadt gemacht. Aber nicht nur das. Sein Bestreben war es auch, die Kurwürde zu erreichen. Deshalb ließ er neben dem Leineschloss ein Opernhaus mit fünf Rängen bauen, dass zu den größten und schönsten dieser Zeit gehörte. Ein Kurfürstentum musste schließlich repräsentieren können. Und da durfte nicht gekleckert, sondern es musste geklotzt werden.
Von 1679 regierte dann sein Sohn Ernst August das Fürstentum Calenberg. Hatte sein Vater als General zuvor im Krieg noch auf Seiten der Schweden gekämpft, so wechselte Ernst August nun auf die andere Seite, die des Kaisers, über. Er stellte diesem Truppenkontingente zur Verfügung. Seine Treue wurde dann auch von Kaiser Leopold I. belohnt. Unter dem Protest anderer Kurfürsten erhielt das Haus Hannover, auch wie damals üblich durch Bestechung, nun ebenfalls die Kurwürde. Damit wurde Kurhannover, wie es genannt wurde, eine bedeutende politische Größe. Und als solche musste es noch mehr vorzeigen können als das imposante Opernhaus. Dazu war aus der Sicht von Ernst August etwas notwendig, was andere nicht hatten, was außergewöhnlich war.
Zu jener Zeit waren Fontänen überall in Europa Prestigeobjekte. In Herrenhausen hatte es seit 1675 schon kleinere Wasserspiele gegeben. Dazu wurde das Wasser von einem Hochbehälter auf dem Benther Berg über Linden zum Großen Garten geführt. Nun aber sollte etwas wirklich Großes her. Die Fontäne in Versailles sprang stolze 27 Meter hoch und war damit die größte weltweit. Die Fontäne im Großen Garten sollte aber nun noch höher springen. Das war jedoch alles andere als einfach. Sauberes Wasser gab es in den Städten damals kaum. Die Bevölkerung versorgte sich aus Brunnen. Auch Wasserwagen verkauften das kühle Nass. Wie verschwenderisch musste da der Umgang der Fürsten mit dem wertvollen Wasser auf das Volk wirken.
Inzwischen hatte Ernst Augusts Sohn Georg Ludwig die Regierungsgeschäfte übernommen. Doch nicht nur das. Da es im Königreich von Großbritannien und Irland keinen Thronfolger mehr gab, wurde in Europa nach einem anderen gesucht. Und den fand man in Kurhannover. So kam es, dass Georg Ludwig nicht nur Kurfürst von Hannover war, sondern auch König des Vereinigten Königreichs. Und von London aus stellte er nun der hannoverschen Residenz britische Ingenieure zur Verfügung. Die sollten schaffen, was die französischen Wasserbaumeister nicht vollbracht hatten. Eine noch höhere Fontäne zu installieren. Das war allerdings mit einem enormen Aufwand verbunden. Stolze 220.000 Taler sollte es kosten. Zum Vergleich: Ebenso viel hat die Dresdener Frauenkirche gekostet.
Und die britischen Wasserbauer schufen eine technische Meisterleistung. Dazu gehörten fünf Wasserräder mit einem Durchmesser von über neun Metern. Diese trieben 40 Druckpumpen an. Soldaten schaufelten in jahrelanger Arbeit einen fast einen Kilometer langen Kanal. Ein Wehr staute die Leine auf. Dazu kam der Schiffsverkehr über Jahrzehnte zum Erliegen. Das alles war mit einem enormen Aufwand verbunden. Doch dann war es endlich so weit.
Aber ein Probelauf im Jahr 1719 misslang vollkommen. Die Fontäne sprang nur läppische fünf Meter hoch. Der anwesende König war schockiert, und die Blamage war groß. Zumal die Medaillen für das Spektakel schon gedruckt waren. Es lag, wie sich herausstellte, an den gusseisernen Rohren, die undicht waren. So wurden Bergbauexperten aus dem Harz zu Hilfe geholt. Die ersetzten die schadhaften Röhren durch doppelte Bleirohre. Und nun funktionierte es. Die Fontäne sprang auf nie dagewesene 35 Meter.
Im 18. Jahrhundert wurde die Fontäne zu einer Sehenswürdigkeit, die von anderen Kurfürsten neidisch bestaunt wurde. Durch Kupferstiche und Reisebeschreibungen wurde sie überall bekannt. Reisende kamen aus allen Himmelsrichtungen. Im 19. Jahrhundert waren auch der russische Zar Nikolaus I., der griechische König oder verschiedene Großherzöge darunter. Den Interessierten wurde die Technik der Wasserkunst erklärt, und für höchste Persönlichkeiten wurde die gesamte Technik in Gang gesetzt.
Später gab es immer mal wieder Modernisierungen, um die Technik auf den neuesten Stand zu bringen. So vor 160 Jahren unter König Georg V. Und seit den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wird nun alles durch elektrischen Strom angetrieben. Dadurch sprang die Große Fontäne auf die doppelte Höhe.
Wer nun die Wasserkunst auch in ihrem Inneren kennenlernen möchte, der kann sich einer der Führungen anschließen. Da die Teilnehmerzahl dabei auf 20 Personen begrenzt ist, wohl allerdings nicht mehr in diesem Jahr. Mit Mühe habe ich noch ein Ticket für den 17. September ergattert. Alle davor sind ausverkauft.
Nach der Führung werde ich erneut darüber berichten. Über ein Wunderwerk der Technik aus vergangenen Zeiten. Die Große Fontäne aber, die kann man sich täglich zu bestimmten Zeiten ansehen. Und es macht einfach Spaß, durch diese herrlichen barocken Gartenanlagen zu lustwandeln. Vielleicht auf den Spuren der großen Kurfürstin Sophie, die diese Anlagen geprägt hat, wie sonst kaum irgendjemand.
Wer mehr über den Großen Garten erfahren möchte: Auf den Spuren der Kurfürstin Sophie durch den Großen Garten von Herrenhausen
Ein weiteres bedeutendes Technik-Denkmal hannoverscher Geschichte: Die Sanierung des historischen Leinewehrs am Maschsee ist abgeschlossen
Ich habe leider noch an keiner Führung teilgenommen. Mit Glück kann man noch ein Ticket für den 17. September bekommen. Dann im nächsten Jahr wieder.