Der Pont du Gard in Südfrankreich – Ein antikes Römer-Bauwerk der Superlative
Dass der Mensch ein kreatives Wesen ist, das mächtige Bauwerke errichten kann, hat er nicht erst seit dem Mittelalter bewiesen. Schon in der Antike und davor gab es innovative Bauten, bei denen wir uns heute wundern, wie sie überhaupt entstehen konnten, wie es der Mensch der damaligen Zeit mit Muskelkraft, Hebetechniken und Messgeräten geschafft hat, diese überhaupt zu erbauen.
Wer einmal im Urlaub in einem der Länder rund um das Mittelmeer unterwegs war, der hat vielleicht das eine oder andere davon gesehen und bestaunt. Allen voran natürlich die ägyptischen Pyramiden, die sogar lange vor der Zeit der Antike, die etwa von 800 v.Chr. bis 600 n.Chr. eingeordnet wird, entstanden sind. Andere Bauten der Griechen, Römer oder anderer Kulturen, wie Göbekli Tepe in der heutigen Türkei, sind Tempelanlagen und Amphitheater. Zu den größten antiken Bauwerken aber gehören auch die Aquädukte der Römer. Ihre einwohnerreichen Städte mussten mit ausreichend Wasser versorgt werden. Mit Trinkwasser, zum Speisen der Thermen, in denen es sogar Warmwasser gab, oder für die Becken in den Atrien, den Innenhöfen ihrer prächtigen Villen. Der durchschnittliche Römer verbrauchte etwa doppelt so viel Wasser, wie wir heutzutage in den westlichen Ländern. Und damit die Wasserzufuhr gewährleistet war, schufen die Römer ein ausgeklügeltes Kanalsystem unter ihren Städten und lange Kanäle, die von irgendwoher das Wasser zu den Städten leiteten.
Es war im Jahr 19 v.Chr., als Kaiser Augustus seinem Schwiegersohn, den Feldherrn Agrippa, den Auftrag erteilte, eine Wasserleitung von einer Quelle zur einer 20 Kilometer entfernten Stadt, das heutige Nimes, anzulegen. Das schien allerdings ein unmögliches Unterfangen zu sein. Das Gelände war uneben, Hindernisse standen im Weg. So kam es, dass die Wasserleitung 50 Kilometer lang werden musste. Zu zwei Drittel wurde sie dabei in Fels gehauen oder sogar durch lange Tunnel geführt. Das Problem war allerdings das 50 Meter tiefe Tal des Flusses Gardon, das irgendwie überwunden werden musste. Das war eine ungeheure Herausforderung in der damaligen Zeit, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte. So rief Agrippa dann die besten Ingenieure seines Landes zusammen, um die gigantische und komplizierte Sache anzugehen.
Zunächst musste gerechnet werden. Auf der Gesamtstrecke von 50 Kilometern betrug der Höhenunterschied nur 17 Meter. Das entspricht 25 Zentimeter auf einen Kilometer. Dabei musste das Gefälle gleichbleibend sein. Wie die Römer das Problem mit ihren relativ einfachen Mathekenntnissen bewerkstelligt haben, ist bis heute nicht bekannt.
Doch noch größer dürfte das Problem des Brückenbaus über den Fluss Gardon gewesen sein. Aber auch dafür gab es eine Lösung, hatte man doch den Brückenbau mit dem Rundbogenprinzip, das wesentlich mehr Gewicht tragen konnte als gerade Brücken, von den Etruskern übernommen und schon mehrfach ausprobiert. Allerdings noch nie in diesen gewaltigen Dimensionen.
Und dazu benötigte man nun Steine, viele Steine. Die fand man in einem nur mehrere hundert Meter entfernten Steinbruch. Zwar ist der dort vorkommende Muschelkalk nicht besonders stabil. Doch immerhin so stabil, das er nun schon über 2000 Jahre hält und vermutlich noch lange halten wird. Also schaffte man die Steinklötze heran, die im Durchschnitt um die sechs Tonnen wogen.
In den Halbbögen wurden sie dabei so zurechtgehauen, dass sie Keilformen entsprachen, deren untere schmale Stellen genau auf den Mittelpunkt des geometrischen Halbkreises zeigten. Diese bewährte Technik, die ungemein stabil ist, leitet das gewaltige Gewicht von den Bögen auf die Pfeiler und diese wiederum auf die Fundamente ab. Diese, besonders die sich im Fluss befindenden, wurden durch einen speziellen Beton verstärkt. Ansonsten wurde der ganze Bau ohne Beton oder Mörtel ausgeführt. Die Steine mussten deswegen sehr genau gearbeitet werden.
So wurde zunächst die untere Etage fertiggestellt, deren sechs Halbrundbögen Spannweiten zwischen 15 und 24 Metern aufweisen. Darüber die nächste Etage mit 11 Bögen, wird das Tal nach oben hin doch breiter. Zum Schluss die letzte Etage mit kleineren Bögen, aber immerhin 35 an der Zahl, die auf einer Länge von 275 Metern in der Mitte in fast 50 Metern Höhe den wasserführenden Kanal trugen. Das Bauwerk war fertig. Allerdings hatten sich die Baumeister dabei doch etwas verrechnet. Als nämlich das Wasser zum ersten Mal in Marsch gesetzt wurde, lief der Kanal auf der das Tal überspannenden Brücke über und das Wasser floss am ganzen Bauwerk herunter. So mussten die Kanalwände an der Brückenkrone noch einmal etwas erhöht werden. Doch damit funktionierte es. Das Experiment, denn ein solches war es damals wirklich, war gelungen. Aus Sicherheitsgründen hatten die Baumeister die Brücke wohlweislich stärker gebaut, als es eigentlich hätte sein müssen. Sie wollten eben die Gefahr eines Fehlschlages minimieren. Und das ist ihnen gelungen. Gerade durch das gewaltige Gewicht des Steinbauwerkes steht dieses ganz besonders sicher, stützt es sich doch gegenseitig. Ein neues Kapitel römischer Ingenieurskunst war damit aufgeschlagen worden. Ein Bauwerk der Superlative, an dem 800 bis 1000 Arbeiter zwei bis drei Jahre lang gearbeitet hatten, war entstanden.
Wer heute im Urlaub in Südfrankreich unterwegs ist, sollte es sich nicht nehmen lassen, wenn es für ihn denn möglich ist, der Pont du Gard einen Besuch abzustatten. Staunend steht man in der schönen Landschaft des Flusses Gardon davor und betrachtet diesen riesigen, außergewöhnlichen Bau. Malerisch passt er sich mit seinen vielen Rundbögen, den dunkelgrünen Fluss überspannend, harmonisch in das Tal ein. Man folgt einem der Wanderwege den Talhang hinauf, um einen Blick von weiter oben darauf zu werfen. Mal andere, spannende Perspektiven nehmen. Und man denkt dabei voller Bewunderung an die Menschen zurück, die vor über 2000 Jahren diesen kühnen Bau ersonnen und in die Tat umgesetzt haben.
Vergessen sollte man auch seine Badesachen nicht. Von den felsigen Flussufern kann man bei über 30 Grad im Schatten mal in den Fluss springen und sich ein erfrischend kühles Bad gönnen. Und besonders eindrucksvoll ist es dabei, wenn man durch den großen Rundbogen unter der Brücke hindurch schwimmt. Am besten in Rückenlage, denn dann hat man das Bauwerk aus den verschiedenen Perspektiven immer im Blickfeld. Staunen ist dabei wiederum angesagt, denn dass das mit dem weiten rundgeschwungenem Bogen über einem tatsächlich auch hält, mag man kaum glauben. Doch da er nun schon zwei Jahrtausende steht, kann man es wohl wagen.
Und wenn schließlich die untergehende Sonne die vielen Bögen mit warmen, rötlichem Licht einfärbt, sitzt man bei einem Picknick mit einer Flasche Rotwein, Bougette und Käse auf den Uferfelsen und mag den Blick gar nicht davon abwenden. Und man fragt sich dabei, was wir wohl heute ohne unsere kulturellen Vorfahren wären? Die Ägypter, die Sumerer, die Griechen, die Römer und viele andere. Sie sind es, die uns den Weg zu unserer heutigen technisierten Welt geebnet haben.
Sur le pont d'Avignon l'on y danse, l'on y danse,
sur le pont d'Avignon l'on y danse tout en rond...
https://www.youtube.com/watch?v=uJKfxtYAt0s