Polonäse Blankenese - Hamburger Vorort von Lotsen und ehemaligen 'Cap Horniers' im Zwielicht
Charly, der Wirt, hatte die Biere vor ihnen abgestellt und Walter sagte:
"Trinken wir heute mal auf den Senat und unseren Bürgermeister Scholz!"
"Wieso das?" fragte Ralf.
Statt Kettensäge - Polonäse Blankenese - Hurra! jetzt fallen die Löcher aus dem Käse
"Weil sie es nicht leicht haben! Wie sollen sie die Flüchtlinge unterbringen, wenn von allen Seiten Protest-Initiativen entstehen? Das Verwaltungsgericht hat jetzt sogar die Unterbringung von 190 Asylbewerbern in Blankenese gestoppt, nachdem Anwohner protestiert hatten. Dabei handelte es sich um eine Wiese, auf der einige Bäume gefällt werden sollten. Die Blockierer, die sogar den Zugang mit ihren Autos verstellt hatten, können jetzt den Erfolg feiern mit ihrer Polonäse Blankenese!"
"Das ist doch ihr gutes Recht!", erwiderte Karl. "In anderen Stadtteilen wird doch auch dagegen demonstriert."
"Die Anwohner sind aber nicht generell gegen Flüchtlinge!" widersprach Walter.
"Sie sind gegen große Einrichtungen aus Angst vor Ghetto-Bildung. Bei uns im
gut-bürgerlichen Klein-Borstel sollten im ehemaligen Anzuchtgarten des Friedhofs
Ohlsdorf 700 Flüchtlinge untergebracht werden. Mit 300 wären wir einverstanden."
"Bravo!", rief Ralf. "Und das vornehme Blankenese will offenbar gar keine bei sich haben!"
"Man darf eigentlich nicht von "Blankenese" sprechen!", beschwichtigte Walter.
"Ich bin davon überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit nach wie vor zur
'Willkommenskultur` steht!"
"Trotzdem - der Stadtteil hat sich gewandelt!" Ralf nahm einen Schluck Bier. "Früher ein weltoffener Vorort an der Elbe, bewohnt von Lotsen, Kapitänen und sogar ehemaligen 'Cap Horniers'. Und jetzt durchgemischt mit vielen Neureichen!"
"Und gerade die brauchten doch keine Angst um ihr Vermögen oder den Verlust des Arbeitsplatzes zu haben!", ergänzte Karl. "Mich würde nicht wundern, wenn einige Namen in den 'Panama-Papers' auftauchen würden! - Steuerflüchtlinge haben nämlich kein Mitleid mit realen Flüchtlingen!"
"Oh, jetzt wird es heiß! Charly, bitte noch eine Runde Bier!" Walter mischte die Skatkarten. "Wir sollten lieber spielen, sonst wird es polemisch und der Wirt schmeißt uns aus seiner Kneipe!"
Typisch Stammtisch. Doch was soll man sich darüber aufregen? Vielleicht, wenn es der "Zahn der Zeit" wäre? Ist es aber nicht - oder doch? Ja, auch! Denn es handelt sich hier um eine Art "Zahn der Ewigkeit". Schon im alten Rom werden die, die es sich leisten konnten, nicht so blöd gewesen sein, das, was sie dem einfachen Volk zugemutet, auch für sich selbst geltend zu machen. Heute ist dieses Spiel wohl bis in die Mitte der Gesellschaft hinein weit verbreitet: Sobald es Renommee verspricht, wird die Flagge eines Ideals oder einer politisch eingebildeten Notwendigkeit (hier: Einwanderung) hochgehalten, ist man aber höchstselbst betroffen, werden alle (heuchlerischen) Hebel in Bewegung gesetzt, den eigenen Lebensraum clean zu halten. Tja, wer sich's leisten kann ... Der harte Kern würden sogar den Stammtischlern noch einen ausgeben. Allein, sich zu amüsieren.