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Weltweiter Dienst am Menschen unterwegs

„Mit Weitblick, Charisma und offenem Herzen“

Der Autor Manfred Hermanns beleuchtet und bündelt in seinem Buch „Weltweiter Dienst am Menschen unterwegs“ (2011) 140 Jahre Auswandererfürsorge und -beratung durch das katholische Raphaelswerk (bis 2013 Raphaels-Werk). Nicolas Schnall sprach mit ihm über den Initiator und die Anfänge, ebenso wie über die Schwierigkeiten im Dritten Reich und die Perspektiven des Hilfswerks heute.

Die Gründung des Raphaels-Werks vor 142 Jahren war der Initiative des Limburger Kaufmanns Peter Paul Cahensly zu verdanken. Was genau war die Triebfeder für sein Engagement und wie lauteten die Antworten, die er auf die drängenden sozialen Fragen seiner Zeit gab?
Peter Paul Cahensly sah das Elend der Auswanderer mit eigenen Augen und erkannte schon früh die sozialen Gefahren und sittlichen Risiken, denen die Auswanderer ausgesetzt waren. Denn die Zustände vor und während der Über- fahrt nach Amerika waren menschenunwürdig. Uneigennützig setzte er sich deshalb für die Verbesserung ihrer Lage bei der Anreise zu den Hafenstädten, bei der Überfahrt und an den Zielorten in Übersee ein. Es waren rein humanitäre und christlich-caritative Motive, denen er sich als Motor der Auswandererfürsorge und -beratung zeitlebens verpflichtet fühlte. Mit Hilfe seines Werks schuf er Auswandererstationen in Bremen und Hamburg, gewann Vertrauensmänner in Nord- und Südamerika, Afrika und Australien, die die Einwanderer in Empfang nahmen und für einen gelingenden Start in das neue Leben sorgten. Zudem war es sein Ziel, Beratungsstationen in allen Diözesen Deutschlands zu gründen, an die sich die Auswanderungswilligen schon vor ihrer Ausreise wenden konnten. Ferner warb er für gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Auswanderer.

Seit den 1920er Jahren lenkten Pallottiner als Generalsekretäre mehr als fünf Jahrzehnte mit großem Einsatz die Geschicke des Auswandererhilfswerks. Pater Max Größer (1930 – 1940) riskierte in den finsteren Zeiten des Dritten Reichs sogar sein Leben ...
Die Limburger Pallottiner, die Cahensly gut kannte und kommunalpolitisch förderte, setzten sein Lebenswerk in der Zeit der Weimarer Republik fort. Pallottinerpater Georg Timpe, ein gebürtiger Hamburger, verlegte das Generalsekretariat in seine Heimatstadt, die als Welt- und Hafenstadt der Brennpunkt deut- scher und osteuropäischer Auswanderung war. Die nationalsozialistische Herrschaft stellte Timpes Nachfolger als Generalsekretär, Pater Dr. Max Größer, und den St. Raphaels-Verein vor sehr große Herausforderungen. Kaum hatten die Nazis mit der Entrechtung und Verfolgung von Juden begonnen, schuf der Verein ein „Sonderhilfswerk“ zugunsten der jüdischen Auswanderungswilligen und gründete 1935 zusammen mit dem „Caritas-Notwerk“ einen „Hilfsausschuß für katholische Nichtarier“, der die Ausbildung jüdischer Jugendlicher und die Umschulung von jüdischen Erwachsenen organisieren und in Übersee Siedlungen für Juden planen sollte. Dazu reiste Pater Größer in zahlreiche europäische Länder und in die Vereinigten Staaten von Amerika, um dort die Bereitschaft für jüdische Immigration zu wecken, zu fördern und Einreisevisa zu ermöglichen. Ab 1937 schränkte die Gestapo den Handlungsspielraum des Vereins jedoch immer mehr ein und nahm den Generalsekretär Max Größer zweimal gefangen. Trotz allem setzte Größer nach der Haftentlassung seine Tätigkeit zugunsten auswanderungswilliger Juden fort.

Welche Perspektiven sehen Sie für die seit Jahrzehnten erfolgreich geleistete Arbeit des Raphaelswerks?
Neben den unzähligen Migrationsströmen durch Flucht und Vertreibung, insbesondere in Afrika und Asien, werden wir in der heutigen globalisierten Wirtschaftswelt mit millionenfacher Migration auf freiwilliger Basis konfrontiert. Wenn letztere auch nicht von Armut und Verzweiflung bedingt ist – wie dies im 19. Jahrhundert häufig der Fall war –, so bedürfen auch diese Auswanderungswilligen fachgerechter Beratung. Diese Menschen müssen kompetent auf die Fremde und das Fremdsein vorbereitet werden. Auswandernde müssen über unbekannte Mentalitäten, ausländisches Arbeits- und Sozialrecht informiert und aufgeklärt werden. Dabei bedarf es eines wachen Gespürs für die heutigen Sorgen und Nöte dieser Menschen. Eines ist klar: Raphaelsarbeit heute braucht nach wie vor weit blickende Menschen wie Peter Paul Cahensly – mit Charisma und einem offenen Herzen.

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6 Kommentare

Liebe Helga,

besten Dank für Deinen kenntnisreichen und ermunternden sowie auch aktuellen Kommentar. Du bringst mit Recht die Auswanderung aus Europa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Verbindung mit der heutigen Flüchtlingsproblematik. Auswanderung ist immer auch ein Wagnis und ein Aufbruch in eine fremde Welt.
Auswandernde und Flüchtlinge bedürfen immer der Beratung, Betreuung und der menschliche Hilfe.

Liebe Grüße

Manfred

Mit erneuter Aufmerksamkeit lese ich heute die vorstehenden Kommentare. Angesichts der ungeheuren Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten in dieser Zeit (Herbst 2015) bekommt die Flüchtlingsproblematik und -hilfe eine ganz neue und bisher nicht gekannte Dimension und damit auch Brisanz.

Der St. Raphaels-Verein und das Raphaelswerk sind immer für eine gezielte und geordnete Auswanderung eingetreten. Es hat sich seit den Anfängen im 19. Jahrhundert für eine Gesetzgebung im Interesse der Auswanderer eingesetzt, eine Gesetzgebung, die die Reeder und die Unterkünfte der Auswanderungswilligen verpflichtete, die die Auswanderer vor Wucher und Ausbeutung schützte. Die Staaten sollten Kontrolle in den Auswandererschiffen vornehmen. Für die medizinische Versorgung, die soziale und pastorale Beratung und Betreuung wurde gesorgt.
Das Auswandererland sollte sich auch um die Einwanderung im Aufnahmeland und ihre Integration sorgen.
All das wird heute weithin vermisst. Der Flüchtlingsstrom überschwemmt heute die Länder. In den Ländern Syrien, Jordanien, Libanon und Türkei müssten heute solche beratenden und betreuenden Organisationen für Auswanderungswillige aufgebaut werden. Diese Organisationen müssten vom reichen Europa finanziell unterstützt werden.

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