Dr. Georg Nüßlein: ACTA-Abkommen nicht verteufeln
Der heimische Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Nüßlein, MdB tritt den Bewertungen von Vertretern der Piratenpartei aus Ulm, David Dorst und Falk-Peter Hirsche, sowie von dem früheren Fraktionsvorsitzenden der Grünen in Ulm, Michael Joukov, über das derzeit heiß diskutierte ACTA-Abkommen (vgl. Neu-Ulmer Zeitung vom 27.2.2012) deutlich entgegen.
ACTA, Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ist ein internationaler Handelspakt mit dem Ziel, Urheberrechte weltweit durchzusetzen. Nüßlein, der im Bundestag auch Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Telekommunikationspolitik ist, kritisiert die Aussage von David Dorst, wonach der Internetzugang gerade von unerfahrenen Nutzern schnell gesperrt werden könnte: „Herr Dorst sollte das Abkommen mal im Wortlaut lesen. Dann wird er keine einzige Textstelle finden, die diese Behauptung belegt. ACTA ist nämlich gerade gegen großangelegte illegale Handlungen gerichtet, wie sie von kriminellen Organisationen begangen werden. Es geht gerade nicht um die alltägliche Internetnutzung. Daten und Materialien, bei denen keine Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums vorliegt, können weiter über das Internet getauscht werden. Es wird mit ACTA weder zur Einschränkung der Rechte von Internetnutzern noch zur Schließung von Websites kommen. Hier wird schon wieder Zeter und Mordio geschrien, obwohl man von dem Vorhaben noch gar keine genaue Kenntnis hat. Das ist mal wieder ein typisch linker Reflex, den wir uns sparen können.“, urteilt Nüßlein.
Dass das Anti-Counterfeiting Trade Agreement “äußerst undemokratisch” zustandegekommen sei und die „komplette deutsche Rechtsprechung ausgehebelt“ worden sei, wie das Falk-Peter Hirschel von den Ulmer Piraten sieht, kann der CSU-Abgeordnete nur bedingt nachvollziehen: „Sicher kann man sagen, dass das Thema bis vor Kurzem noch ziemlich am Deutschen Bundestag und an der deutschen Öffentlichkeit vorbeigegangen ist. Das haben wir uns selbst zuzuschreiben. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass die Europäische Kommission den Verhandlungstext schon im April 2010 ins Internet eingestellt hatte. Der Wortlaut von ACTA war seit da also jedem zugänglich. Die Verhandlungen über das Abkommen haben sich nicht von Verhandlungen über andere internationale Verträge unterschieden. Solche Verträge werden in der Regel in der Tat nicht öffentlich ausgehandelt, sondern auf Ebene der Regierungen. Durch den Vertrag von Lissabon und andere EU-Vereinbarungen existieren klare Regeln über die Unterrichtung des Europäischen Parlaments im Rahmen derartiger Verhandlungen. Diese Regeln wurden befolgt. Nun liegt es an uns, den Text des Abkommens genau unter die Lupe zu nehmen. Es ist gut, dass EU-Handelskommissar Karel de Gucht angekündigt hat, dass die Europäische Kommission das Dokument noch einmal dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorlegen werde, um zu Klarheit darüber zu haben, dass ACTA so mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Deswegen hat die Bundesregierung die Unterzeichnung des Abkommens auch zunächst verschoben, um völlige Gewissheit zu haben.“, so Nüßlein.
Die Aussage des früheren Ulmer Grünen-Fraktionsvorsitzenden Michael Joukov, dass ACTA arme Länder daran hindern werde, preiswerte Medikamente zu kaufen, hält Nüßlein für billige politische Stimmungsmache auf dem Rücken der Ärmsten: „Noch unerträglicher ist ja die Aussage von Piraten-Dorst, dass ACTA vielen Menschen das Leben kosten werde. Der Text enthält keinerlei Bestimmungen, die den rechtmäßigen Handel mit generischen Medikamenten oder – im weiteren Sinne – das weltweite öffentliche Gesundheitswesen direkt oder indirekt beeinträchtigen könnten. In dem Dokument wird vielmehr ausdrücklich auf die Erklärung von Doha zum geistigen Eigentum und zur öffentlichen Gesundheit bezug genommen. Nach ACTA gelten übrigens strafrechtliche Maßnahmen und Grenzkontrollen nicht bei Patentfragen.“, erläutert der Abgeordnete aus Münsterhausen.
Ausgelegt auf großangelegte Illegale Handlungen. Das find ich nun spannend. Ab wann ist eine illegale Handlung groß angelegt? Wieviele betroffene muss es geben, wieviele geschädigte? Was ist wenn ich überhaupt nicht mitkriege, dass ich in "große illegale Handlungen" verwickelt bin? Und wie beweise ich das? Mein WLAN ist WEP gesichert - big deal - ca. 5 Minuten Pakete mitschneiden, 3 Minuten passphrase berechnen, voila, vorbei ist es mit der Kontrolle über mein Netzwerk. WPA2? Gut dauert etwas länger. Mal eben um WLAN geschnorrt, wuhu Aufwand = 0.
Ich sehe hier einen typisch rechten Reflex der - ums mal ohne Beleidigung auszudrücken - mindestens so überflüssig ist wie der "typisch linke" ;)
Die Gefahr, das bei geistigem Eigentum und einem schwammig formulierten Abkommen wie ACTA (konkretes steht da wie man als Rechtswissenschaftler eigentlich wissen sollte, zumindest wenn man es gelesen hat - im Wortlaut - sehr wenig drin) sofort weitere Einschränkungen unter dem Motto "Wir müssen ja nachziehen, ACTA zwingt uns". Die Rasterfahndung wurde bei der RAF eingeführt "wir müssen ja" - gebracht hat sie nichts. Der große Lauschangriff, die VDS, ZugErschwG, ... alles mal ne Runde eingeführt und entweder wieder kassiert oder aber wirkungslos. Aber alles unter dem Motto "wir müssen ja" mit irgendeiner fadenscheinigen Begründung im Hintergrund. ACTA öffnet durch seine unklare Sprache "Die Mitglieder haben sicherzustellen..." Tür und Tor für solche "Instrumentarien". ACTA, das ist völlig richtig, nennt überhaupt nichts beim Namen. Aber die Wege haben uns die CDU/CSU, die FDP, die Grünen und die SPD eindeutig gezeigt.
Erstaunlich eigentlich, das man auf der Linken als Stasi Partei rumhackt während es für die Unionsvertreter überhaupt kein Thema ist ein Gesetz nach dem anderen zu verabschieden, das Tags darauf vom BVerfG wieder kassiert wird. Seis drum, darum geht's nicht.
Das mit dem begriff geistiges Eigentum mal wieder Schindluder getrieben wird find ich ganz großes Kino, aber was war anderes von rechtskonservativen zu erwarten. Was ist denn bitte geistiges Eigentum mh? Können wir uns auf Immaterialgüter einigen und die Kampfbegriffe der Verwerter außen vor lassen?
Ich bin übrigens gespannt wie sich ACTA wirklich auf den Generikahandel, gerade den nicht legalen, der für Schwellenländer so gut wie keine Rolle spielt auswirkt. Wir werden es ja sehen, sollte ACTA zu Stande kommen, was wir hoffentlich verhindern können. Mein trost ist: Ich kann sagen "ich hab's wenigstens versucht" - auch wenn das Zitat zugegeben im Eifer des Gefechts über das Ziel hinausgeschoßen war. Aber - und nun das große Aber - wenn ich nun betrachte wie es zzt. in Griechenland zugeht, muss ich mich korrigieren: Unsere momentane Rechtslage kostet Menschenleben, mit ACTA werden es nur mehr.