Forensische Psychiatrie befindet sich wieder zunehmend im fachlichen Scheinwerferlicht | Günzburg | Therapie
Die forensische Psychiatrie steht wieder mehr im Zentrum aktueller Entwicklung wie lange zuvor. Dies betonten zahlreiche Referenten bei einer der wichtigsten bundesdeutschen forensischen Tagungen in diesem Jahr: Im Bezirkskrankenhaus Günzburg kamen knapp 200 Experten des Maßregelvollzugs zusammen, um über den Stand der Forschung und Therapie zu diskutieren.
Die Veranstaltung vom „Forensische Psychiatrie - Vom Schlusslicht zum Scheinwerfer“ war von der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Günzburg und der Sektion Forensische Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm gemeinsam organisiert worden – auch als Zeichen dafür, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen der Universität Ulm sowie den Bezirkskliniken Schwaben und dem Bezirk Schwaben künftig auch in Sachen Maßregelvollzug noch enger geknüpft wird. Professor Dr. Klaus-Michael Debatin, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm nannte die Kooperation beim Namen: Der zu gründende Lehrstuhl für forensische Psychiatrie und Psychotherapie werde zugleich mit der Klinikleitung in Günzburg gekoppelt. „Wir erwarten uns davon eine große Schlagkraft“, so Debatin. Auch Professor Dr. Thomas Becker, Leitender Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Günzburg und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, ging auf die Bedeutung dieses Vorhabens ein. „Für die öffentliche Wahrnehmung der Psychiatrie spielt die Forensik eine wesentliche Rolle“, so Becker. Der Bedeutung dieser Rolle müsse man auch durch verstärkte Anstrengungen im Bereich der Forschung gerecht werden. Erforderlich seien rechtsmedizinische-forensische Kompetenzzentren – so wird dann in Günzburg künftig Forschung und Versorgung noch enger verbunden.
Wie Professor Dr. Friedemann Pfäfflin, Sektion Forensische Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm anmerkte, habe sich die akademisierte Forensik jedoch lange beschränkt: „Das Augenmerk lag lange nicht auf der Therapie und Ursachenforschung, sondern auf der Gutachtertätigkeit.“ Es gehe jedoch darum, betroffene Patienten nicht nur zu verwahren, sondern auch zu therapieren.
Inzwischen hat sich das Forschungsspektrum jedoch deutlich erweitert: Insbesondere wissenschaftliche Projekte im Bereich der Neurobiologie könnten neue Ansätze bei der Behandlung psychisch kranker Straftäter erbringen, betonte Professor Harald Dreßing, Leiter des Bereichs Forensische Psychiatrie am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim. Erkenntnisse aus neueren Forschungsprojekten deuteten darauf hin, dass bei Menschen beispielsweise mit pädophilen Neigungen bestimmte neuronale Aktivierungsmuster vorhanden seien. Dies müsste jedoch noch eingehender untersucht werden, „aber wir haben durch die Neurobiologie ein hohes Potential für die Entwicklung neuer Erklärungsansätze“, so Dreßing, der durch die erste Untersuchung zum Phänomen des Stalkings in der Bundesrepublik auch wesentlich zur Formulierung des entsprechenden Strafgesetzes beitrug.
Thomas Düll, Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben, richtete in seinem Grußwort seinen Dank an den Freistaat Bayern - die förderrechtliche Bewilligung des Neubaus der Günzburg Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie mit 96 Betten und einem Bauvolumen von rund 25 Millionen Euro stehe unmittelbar bevor.