Lesenacht in der Stadthalle Germering - voller Überraschungen
Es war eine von Beginn an überraschende Veranstaltung. Zunächst wurde das Publikum von dem anfangs angedachten Orlandosaal in den nächst kleineren Veranstaltungsraum, dem Amadeussaal, umgeleitet. Dafür saßen die Zuhörer an kleinen, runden Tischen, was eine gemütliche Atmosphäre schaffte.
Die zweite Überraschung folgte auf dem Fuße: Der 4. im Bunde der Autoren, Burkkard Spinnen, war leider am Auge erkrankt. "Wäre mein Fuß in Gips... ich wäre angeflogen oder per Bahn gekommen!", ließ er es durch den Moderator ausrichten. Schade. Vergessen war es bald, denn die Lesezeit der drei anwesenden Autoren wurde flexibel, sowie blieb ausreichend Raum für die Signier-"Stunde" am Büchertisch im Foyer. Eine weitere Überraschung war: Benjamin Lebert! Mir bis zu diesem Zeitpunkt ein Unbekannter, anderen allerdings kaum, denn mit 17 schrieb er bereits einen Bestseller "Crazy", der daraufhin ebenfalls mit Erfolg verfilmt wurde. (von Hans-Christian Schmid). Heute, 24 jährig, kam er mit seinem 3. und neuesten Roman im Gepäck aus Hamburg angereist: "Kannst du". Eine Geschichte, die ein Leben retten könnte. Ein Roman über Einsamkeit und heldenhafte Versuche, diese zu überwinden, wie er auf seiner Homepage ankündigt. Benjamin Lebert stellte sich seinem Publikum gleich zu Anfang prosagleich vor, in dem er seine momentane Gefühlslage die mit dem beginnenden Frühling verglich. Dann folgten Auszüge aus "Kannst du" und ich hätte diesem jungen Autoren noch stundenlang von Tanjas und Tims Interrail-Reise durch Skandinavien zuhören mögen.
Wieder eine Überraschung:
Ich kannte wäre jetzt zu viel gesagt, aber Herta Müller brachte ich immer in Verbindung mit kritischer Literatur, Auszeichnungen ihrer Bücher, sehr intellektuell. Und auch sie überraschte das Publikum, in dem sie ihr Buch: "Die blassen Herren mit den Mokkatassen" ( erschienen 2005) über auf die Leinwand projezierte Bilder-Gedicht-Collagen stehend vortrug. Im ersten Augenblick wirkten sie wie "Erpresserbriefe", aber dass sie alles andere waren als Drohbriefe, wurde dem Publikum schnell klar. Herta Müller verwendet für ihre Wortcollagen gezielt ausgesuchte Ausschnitte aus Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Broschüren und puzzlet diese Worte in kreativer, inspirierter Weise neu zusammen, so dass eine Art Gedicht entsteht. Mir persönlich blieb die Bedeutung der Gedichte bei einmaligem Hören unverständlich, war ich aber von der Idee und Umsetzung total begeistert. Herta Müller berichtete im Anschluss ihrer Lesung, dass diese Collagen sogar auf Tapeten gedruckt werden, welche sich gleicher Beliebheit erfreuen, wie das Buch selbst. Dieses ist dann schon fast keine Überraschung mehr, sondern eine kleine Sensation! Im positiven Sinne.
Der die Lesereihe abschließende Autor war dann auch keine wirkliche Überraschung mehr. Kennt man ihn doch längst als Routinier aus Funk und Fernsehen. Vielleicht sei es ja diese: Er schrieb die Biographie über Thomas Gottschalk. Gert Heidenreich! Allerdings bei der Lesenacht hatte er ein anderes Buch im Gepäck. Er bekam die Option eines Verlegers sich einmal im Genre der Kriminalliteratur zu versuchen, was ihm mit seinem noch nach Druckerschwärze durftenden Werk: "Die Mörder" packend gelungen ist. "Im Dunkel der Zeit " heißt sein Krimi Debüt. Erschienen bei nymphenburger aus der Reihe: Die Dunklen Seiten. Der Krimi beginnt mit einer Zustandsbeschreibung des ersten Mordopfers, wo mir beim Zuhören ebenso übel wurde, wie dem ermittelnden, 61 jährigen und Tinitus geplagten Kommissar, Alexander Swoboda. Dieser Kriminalroman hat pfiffigerweise zwei Erzählstränge: Der eine schildert den Fall aus Sicht der Mörder Suchenden, der zweite, in einer Art Tagebuchaufzeichnung, die des Mörders. Das Ende wurde wie üblich klugerweise nicht verraten, so dass im Anschluss der Lesung derbe Lücken auf dem Büchertisch zu verzeichnen waren. Denn der ein oder andere Zuhörer dieser Lesenacht wird noch in selbiger sich wie Kommissar Swoboda auf die Spurensuche des Mörders begeben. Ich beginne damit am Wochenende!
(Freitag, 2. März 2007)
Hallo Urte,
da ich auch bei der Lesenacht war, kann ich nur bestätigen, wie gut Du die Stimmung beschrieben hast.
Brigitte