Der Burgberg und die Sonnenwende
Wenn am 21.Juni der Sommer anfängt, am Tag der Sommersonnenwende, kann man vom Burgberg aus die Sonne genau über dem Steinhuder untergehen sehen. Vorausgesetzt, die Sicht ist gut und der Aussichtsturm ist geöffnet. Die Sonne hat jetzt auf ihrer jährlichen Wanderung am Horizont den nördlichsten Punkt erreicht, an dem sie hinter dem Horizont verschwindet. Von nun an wird sie jeden Tag etwas weiter südlich untergehen, bis sie um den 21. Dezember, mit dem Tag der Wintersonnenwende, den südlichsten Punkt erreicht, an dem sie den Horizont berührt.
Nicht nur im Sommer, auch zur Wintersonnenwende bietet der Burgberg einem Beobachter bei guter Sicht ein interessantes Schauspiel. Dann geht morgens gegen 08:30 Uhr die Sonne genau über dem Harz auf (siehe Bild 1). Dies ist der südlichste Punkt, den die Sonne erreicht, wenn sie aufgeht. Von nun an wandert sie jeden Tag etwas weiter nach Norden, bis sie am Tag der Sommersonnenwende ihren nördlichsten Aufgangspunkt erreicht.
Dass man sowohl den Sonnenaufgang im Winter über dem Harz als auch den Sonnenuntergang im Sommer über dem Steinhuder Meer vom Burgberg aus sehen kann, ist einer Laune der Natur zu verdanken. Der Burgberg liegt nämlich genau auf einer Linie zwischen Harz und Steinhuder Meer. Es handelt sich also um einen Zufall.
Nun kann man - theoretisch - vom Burgberg aus aber noch mehr sehen. Sowohl der Sonnenaufgang zum Sommeranfang als auch der Sonnenuntergang zum Winteranfang sind beide bei freier Sicht zu sehen. Allerdings geht hierbei die Sonne nicht an markanten Punkten am Horizont unter, sondern sie kann von einer bestimmten Stelle auf der Kuppe des Burgberges genau über Markierungen im Wall der alten Wall-Graben-Anlage angepeilt werden (siehe Bild 2). Und das ist sicher kein Zufall, denn diese Peilmarkierungen scheinen von den Erbauern der Anlage auf dem Gehrdener Burgberg ganz bewusst in den Wall eingebaut worden zu sein.
Vielleicht gibt die Tatsache, dass man die Sonne zu den Sonnenwenden so gut anpeilen kann, einen Hinweis darauf, wann Wall und Graben auf dem Gehrdener Burgberg errichtet worden sind, denn bis heute gibt es über eine zeitliche Einordnung mangels archäologischer Funde und schriftlicher Aufzeichnungen nur Mutmaßungen. Von der Einordnung in die Zeit der Römer und Germanen ist die Wissenschaft längst abgerückt, ohne freilich eine Alternative bieten zu können.
Vielleicht sind Wall und Graben noch viel älter als wir es uns vorstellen können.
Aber ob die Anlage auf dem Burgberg nun alt oder sehr alt ist, interessant ist es allemal, sie auch einmal unter astronomischen Gesichtspunkten näher zu betrachten.
Und welche Funktion genau sie auch gehabt haben mag, sie war mit sehr großer Wahrscheinlichkeit niemals eine Zuflucht, denn kein Mensch hätte sich zu irgendeinem Zeitpunkt auf der Kuppe eines Berges verschanzt, auf der es kein Wasser gibt. Unsere Vorfahren sind mit Sicherheit keine Dummköpfe gewesen.
Welches Geheimnis auch immer der Burgberg hütet, der Sonnenaufgang über dem Harz zur Wintersonnenwende ist ebenso ein schöner Anblick wie der Sonnenuntergang am Tag der Sommersonnenwende.
Rainer Stieg (Degersen)
Sehr intersant Rainer, Danke !