Eine Zugspitzbesteigung durch das Höllental und über den Jubiläumsgrat zur Alpspitze
Die Deutschen Alpen machen nur einen kleinen Bereich des gesamten Alpenraumes aus. Auch wenn fast die Hälfte aller Alpenbewohner deutschsprachig ist, so sind es doch nur drei Prozent an Fläche, die zu Deutschland gehören. Und so ist es nur natürlich, dass die wirklich hohen Gipfel nicht auf deutschem Boden liegen. Doch haben die Allgäuer, die Bayrischen und die Berchtesgadener Alpen ebenfalls schönste Berglandschaften zu bieten. Und etliche Gipfel aus diesen Gebirgsteilen erreichen auch immerhin eine Höhe, die zwischen 2500 und fast 3000 Metern liegt. So zum Beispiel die Mägdegabel, der Hochkalter, der Watzmann, über den ich schon berichtet habe und natürlich die vielen Gipfel des Wettersteingebirges, von denen die Zugspitze mit 2962 Metern Höhe der bekanntlich höchste Berg Deutschlands ist. Eigentlich schade, dass läppische 38 Meter bis zu den 3000 Metern fehlen. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend. Was nicht ist, kann ja noch werden, denn da sich die Afrikanische Kontinentalplatte nach wie vor unter die Europäische schiebt, wachsen die Alpen nach wie vor, trotz der Erosion. Wir werden es allerdings nicht mehr erleben, wird es vermutlich doch noch eine ganze Weile dauern, wohl Myriaden von Jahren, bis die Zugspitze die 3000-Meter-Marke knackt.
Allein auf Grund ihrer Höhe ist die Zugspitze also in Deutschland für den normalen Alpenurlauber der attraktivste Berg auf deutschem Boden. Dementsprechend häufig wird sie auch besucht. An manchen Tagen sollen es bis zu 4000 Touristen sein. So ist es kein Wunder, dass der Berg übererschlossen ist. Eine Seilbahn würde zum Beispiel auch ausreichen. Doch immerhin werden die Touristenströme auf diese Weise kanalisiert und die Landschaft drumherum damit geschont. Und tatsächlich hat sich neben der futuristischen Gipfelstation ein kleiner Felsgipfel mit schönem vergoldetem Gipfelkreuz erhalten. Für so manchen Touristen ist schon dessen Erklimmen von der Plattform aus eine sportliche Herausforderung. Doch nur die wenigsten wagen sich bis zu dieser höchsten Stelle hinauf. Und das ist auch gut so, hat man doch nach langem Aufstieg von Garmisch oder Ehrwald aus noch das Gefühl, auf einem natürlichen Gipfel zu stehen. Zumindest dann, wenn man der Station den Rücken kehrt.
Für den Wanderer, der auch leichte Klettereien nicht scheut, ist die Zugspitze in Deutschland ein Traumziel. Natürlich möchte man als Deutscher auch mal auf dem höchsten Berg seines eigenen Landes gestanden haben. Und wenn man das dann auch noch aus eigener Kraft erreichen kann, dann ist das schon ein einmaliges Erlebnis. Mehrere Möglichkeiten gibt es dazu. So von Garmisch Partenkirchen durch das eindrucksvolle Höllental oder aber das langgezogene Reintal über die Knorrhütte. Ebenfalls starten kann man am Eibsee, um über die Wiener Neustädter Hütte aufzusteigen. Und von der österreichischen Seite geht es auch über diese von Ehrwald aus. Eine Tour aber gibt es noch, die wesentlich anspruchsvoller ist und die nur für geübte und sichere Bergsteiger infrage kommt. Sie führt von Hammersbach zur Alpspitze hinauf, und von dort über den langen Höllentalgrat, der heute nur noch Jubiläumsgrat genannt wird, zum Gipfel. Man kann diese Tour natürlich auch im Abstieg gehen, was in der Regel auch gemacht wird. Es führen also mehrere Routen auf den Gipfel der Zugspitze, und die durch das Höllental ist für den Normalwanderer sicher die schönste.
Bis auf den Weg durch das Reintal habe ich diese Routen begangen, und von zweien davon möchte ich an dieser Stelle ausführlich berichten. Von der Höllentalroute und der Route über den Jubiläumsgrat. Beide Touren gehören zu den schönsten, die es in den Deutschen Alpen gibt. Und dass sie bleibende Eindrücke hinterlassen, brauche ich wohl kaum erwähnen. Besonders für einen Norddeutschen, der aus einer ziemlich platten Landschaft kommt. Unternommen habe ich sie, wie die meisten Bergtouren auch, mit meinem Sohn Markus. Der ist in seinem jungen Alter natürlich wesentlich fitter als sein Vater, aber auch klettertechnisch versierter und muss deswegen schon ein wenig Rücksicht auf ihn nehmen. Doch trotzdem sind wir ein gutes Team, und so haben wir in den Alpen viele für unsere Verhältnisse auch anspruchsvolle Bergtouren durchgeführt. Und eine der schwierigeren davon war die über den Jubiläumsgrat. Doch beginnen möchte ich mit der Beschreibung der Tour durch das Höllental.
Durch das Höllental zur Zugspitze
Es ist vier Uhr, als wir starten. Mit Kopflampenbeleuchtung geht es in den stockdunklen Wald hinein. Zunächst über unzählige Treppenstufen, was etwas beschwerlich ist. Die Muskulatur muss erst mal auf Betriebstemperatur gebracht werden. Später wird es einfacher werden. Den Hammersbach lassen wir links unten liegen. Vor der Höllentalklamm, die ein gutes Stück talaufwärts beginnt, gewinnen wir an Höhe, da wir diese oberhalb der Schlucht umgehen werden. Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt. Der Blick auf Garmisch ist eindrucksvoll. Von schwarzen Berghängen eingerahmt, liegen die vielen Lichter schon weit unten. Darüber ein klarer Morgenhimmel mit nur wenigen Wolken.
Der Weg ist schmal und landschaftlich überaus reizvoll. An einigen Stellen ist er sogar ausgesetzt. Einmal haben wir den Tiefblick auf den Eingang der Höllentalklamm. Dort hindurch werden wir am Nachmittag zurückkommen.
Wir müssen ständig auf den Weg und unsere Füße achten. Zunächst haben wir mitten auf diesem einen schwarzen Alpensalamander entdeckt. Dann noch einen und noch einen. Nach dem siebten hören wir zu zählen auf. Es mögen wohl schließlich über 30 gewesen sein, die mitten auf dem Weg verharren oder langsam davonkriechen. Zum ersten Mal sehe ich diese niedlichen Reptilien. Aus dem Harz kenne ich nur die schwarz-gelb gefleckten Feuersalamander.
Als wir die Höllentalklamm hinter uns lassen, zeigt sich der vor uns liegende V-förmige Talausschnitt im dramatischen Morgenlicht. Zu beiden Seiten die schwarzen, steil emporstrebenden Hänge, in dessen Mitte ein markanter Gipfel der Riffelköpfe, von Wolken eingerahmt und von den ersten Strahlen der Sonne teilweise rot angeleuchtet, emporragt.
Der Weg führt inzwischen wieder ein ganzes Stück hinunter, müssen wir doch das Niveau des Hammersbachs erreichen. Auf einer Brücke überqueren wir die enge Schlucht. 50 Meter unter uns rauscht es wild hindurch.
Wir erreichen den Wanderweg am Fluss. Jetzt breit, aber trotzdem schön, führt er geradlinig zur Höllentalangerhütte hinauf. Sie liegt in 1379 Metern Höhe. Damit haben wir die ersten rund 600 Höhenmeter geschafft. 1500 Meter sollen jedoch noch folgen. In der Hütte, wir können es durch die Fenster und an dem Stimmengewirr erkennen, herrscht ein ziemlicher Trubel. Dort machen sich jetzt gegen halbsechs Uhr wohl viele Bergsteiger für die große Tour bereit. Wir halten uns jedoch nicht lange auf und steigen nach kurzem Picknick weiter.
Noch sind wir von lichtem Baumbestand umgeben. Doch nicht mehr lange. Bald liegt vor uns eine Steilstufe, das sogenannte Brett. Hatten wir es uns als einen etwa 20 Meter hohen und steilen Felsen vorgestellt - ich meinte, irgendwo Ähnliches gelesen zu haben -, so entpuppt es sich jetzt als eine große Wand. Wir sind erstaunt darüber, freuen uns aber natürlich. Zunächst geht es in steilen Kehren zum Wandfuß hinauf. Dann folgen Eisenklammern, die an der glatten 80-Grad-Winkel-Wand wie eine Eisenleiter 20 Meter nach oben führen. Ein Drahtseil kann man zusätzlich zum Festhalten benutzen, oder sich daran mit Klettergeschirr und Karabiner sichern. Ein wenig spannend ist es schon. Über ausgesetzten, engen Pfad geht es am Ende der langen Leiter mit leichter Kletterei, oft auf schmalen Felsbändern, weiter hinauf. Dabei ergeben sich immer wieder schöne Tiefblicke auf den Wandfuß und das anschließende Höllental mit der Höllentalangerhütte, von der inzwischen etliche Bergsteiger aufgebrochen sind. Weit unten am Wandfuß steht jetzt eine größere Gruppe. Sie bereitet sich für diese Kletterpassage vor und legt die Klettergurte an.
Dann kommt die berühmteste Stelle am Brett. In glatter und extrem abschüssiger Felswand (ca. 75 Grad) sind Eisenstifte im Fels befestigt. Ein Drahtseil dient zum Festhalten oder Sichern. Hundert Meter Abgrund unter den Stiefelsohlen. Etwas aufregend ist diese 20 Meter lange Passage schon, zumal einige Eisenstifte durch Steinschlag umgebogen sind und man einen großen Spreizschritt zum übernächsten machen muss.
Noch etwas Kletterei, einen mächtigen Wasserfall des Hammersbachs links liegen lassend, der das Brett in freiem Fall überwindet, dann kommen wir in wieder überaus reizvolle Landschaft. Von verkrüppelten Kiefernlatschen eingerahmt, führen Felskarren steil nach oben. Das sind auf diesem Wegstück in senkrechten Bahnen angeordnete, vom Wasser rundgeschliffene, feste Felsformationen. Wieder staunen wir über die Schönheit der Natur, die uns schon den ganzen Weg über begleitet. So herrlich und abwechslungsreich haben wir uns diese nicht vorgestellt. Man kann wirklich ohne Übertreibung sagen, dass eine Zugspitzbesteigung durch das Höllental eine Traumtour ist.
Im Anschluss erreichen wir über Wiesengelände eine Höhe und damit die übliche hochalpine Schotterlandschaft. Aber auch dieses graue Landschaftsbild gehört zu einer solchen Tour dazu und sorgt für Abwechslung.
Danach erreichen wir eine Höhe von 2000 Metern und damit den Fuß des Höllentalferners. Ob er der einzige Gletscher in den Deutschen Alpen ist? Kein anderer ist mir jedenfalls bekannt. Im unteren Bereich befindet sich ein kleines Spaltengewirr aus schmutzigem Eis. Darüber zieht sich das Firnfeld, in den steileren Passagen vereist, zu den anschließenden Felswänden hinauf. Steigeisen sind also zu dieser späteren Zeit des Sommers, ein Schild hat schon an der Höllentalangerhütte darauf hingewiesen, damit man den Weg nicht vergeblich geht, erforderlich. Also diese untergeschnallt und dann hinauf. Zunächst in flacherem Winkel, dann so steil, dass wir nicht die gerade, sondern weglos eine Zickzackroute vorziehen. Zurückblickend sieht es schon ziemlich steil und tief aus. Ein Ausrutscher hätte allerdings keine schlimmen Folgen, da das Gelände sanft ausläuft und die Spalten nicht tief sind.
Nach einer halben Stunde erreichen wir den Einstieg in den Fels. Der ist schon etwas aufregend und heikel und kann die Schlüsselstelle der gesamten Tour sein. Zwischen der senkrechten Felswand und dem Eis des Gletschers bildet sich in der fortgeschrittenen Zeit des Sommers eine tiefe Spalte, die Randkluft. Die muss nun überwunden werden. Ganz geheuer ist mir dabei nicht, muss ich doch auf einem Eisabsatz über dem Spalt stehen, der nicht den stabilsten Eindruck macht. Andererseits führt die Spur dort hinüber, und warum sollte der Absatz gerade bei mir abbrechen? Ein großer Schritt zur Wand, und ich erreiche mit Mühe eine vom Steinschlag verbogene Eisenklammer und ein herabhängendes Sicherungsseil, in das ich meinen Karabiner einklinke. Geschafft! Das war die schwierigste Stelle des ganzen Aufstieges.
Inzwischen ist es später Morgen geworden. Fünf Stunden sind wir bisher unterwegs. Doch nun folgt der letzte Abschnitt dieser Tour und wir denken, dass wir bald oben sein werden. Doch weit gefehlt. So leicht gibt sich die Zugspitze nicht geschlagen. Noch drei Stunden Kletterei sollen vor uns liegen.
Der Steig ist gut angelegt und von unten bis oben mit Drahtseilen versichert. Für uns ist es leichte Kletterei, doch sicher nicht für jeden. Schwindelfrei muss man schon sein, denn es geht immer über ausgesetztes Gelände. Meist über schmale Felsbänder. Tief unter unseren Füßen liegt schon bald der Höllentalferner.
Der Weg wird lang und länger und will kein Ende nehmen. Schließlich erreichen wir, von Wolken eingehüllt, eine kleine Scharte am Fuß der Gipfelwand. Bevor wir das letzte anstrengende Stück in Angriff nehmen, noch eine kurze Rast. Dabei füttern wir die schwarzen Alpendohlen, die so zahm sind, dass sie über unsere Stiefel hüpfen und mir eine in einem unbedachten Moment ein Brot aus meiner Tupperdose stiehlt.
Die Gipfelplattform hatten wir schon von weiter unten kurz im Blickfeld. Markus hatte bis dahin noch eine halbe Stunde geschätzt, so nahe wirkte sie. Doch mir war aus Erfahrung klar, dass wir viel mehr Zeit benötigen würden. Dann, nach 75 Minuten und insgesamt acht Stunden, kommen wir oben an. 2961 Meter hoch und damit auf dem höchsten Punkt Deutschlands. Doch davon haben wir an diesem Tage nichts. Gibt es doch zunächst überhaupt keine Sicht. Natürlich ist das sehr schade, und wir sind enttäuscht. Was für ein Panorama würde sich sonst in alle Richtungen ergeben. Ich habe es sieben Jahre zuvor erleben dürfen, als ich von Ehrwald aufgestiegen war. Damals bin ich noch früher in der Nacht losgegangen und stand morgens um acht Uhr auf dem vereisten Gipfel, und das bei klarster Sicht.
Vom kräftezehrenden Aufstieg sind wir doch so einigermaßen erschöpft. Speziell der nicht enden wollende Klettersteig hat uns zuletzt zugesetzt. Doch andererseits dafür, dass wir fast 2200 Höhenmeter hinter uns gebracht haben, geht es eigentlich. Da haben wir schon anstrengendere Touren erlebt. So erholen wir uns auch wieder ziemlich schnell, als wir auf den höchsten Felszacken unser Picknick einnehmen. Das bei Sonnenschein unter blauem Himmel sonst goldglänzende und besonders schöne Gipfelkreuz, passt sich heute der Wetterlage des Gipfelbereiches an. Es zeigt sich nur in einem matten Gelb. Alles hier oben ist trist und grau. Einige wenige Touristen kommen zu uns herauf. Für sie kostet es schon Überwindung, den kleinen Felsabsatz mit Eisenleiter von der Gipfelplattform heraufzuklettern.
Die sehen wir uns anschließend an. Sie wirkt futuristisch. Viel Metall, Glasfronten und diverse Aufbauten. Die österreichische und die bayrische Seilbahnstation, die Aussichtsplattformen, die Wetterwarte und verschiedenste Gebäude sind eine Welt für sich. Wie eine Insel hoch oben im Nebelmeer. Das Münchner Haus, die kleine Hütte aus dem 19. Jahrhundert, wirkt in dieser modernen Umgebung mit ihren Schindelwänden fast schon wie ein Fremdkörper. Wir schauen uns alles in Ruhe an, gehen alles ab und werfen ab zu einen Blick in die Weite, denn manchmal tun sich jetzt Lücken in der Wolkenschicht auf, die zumindest einen kleineren Weitblick oder den aufs Zugspitzplatt erlauben. Und das bietet einen traurigen Anblick. Wies es doch früher auch im Sommer eine geschlossene Schneefläche auf, so sind nun nur noch dürftige weiße Flecken übriggeblieben. Im Museum einer unteren Etage gibt es zurzeit eine Ausstellung über den dramatischen Rückgang der Gletscher in den Alpen. Doch dazu haben wir an diesem Tag nicht die Muße, obwohl es sicherlich interessant wäre. Wenn es so weitergeht wie bisher, und davon kann man ausgehen, werden wohl schon in einem halben Jahrhundert in den Alpen die meisten Gletscher und Firnflächen verschwunden sein. Was werden dann Berge wie der Montblanc, der Monterosa oder die Jungfrau für einen kahlen und langweiligen Anblick bieten. Nur noch graue Fels- und Schotterhänge. Nur markante Gipfel wie das Matterhorn oder der Eiger werden ihren Reiz nicht verlieren. Immerhin sind die schönsten und bizarrsten Felsformationen der Alpen und vielleicht der ganzen Welt, die Dolomiten, nicht davon betroffen. Auf ihren steilen Hängen liegt sowieso kein Schnee.
Noch ein Blick auf die überall angebrachten Panoramatafeln, die uns die Berge zeigen, die sich hinter grauen Wolken verstecken – vom Großglockner über die Dolomiten bis hin zu Ortler und Piz Bernina. Dann machen wir uns nach einer Dreiviertelstunde an den langen Abstieg.
Schon nach wenigen Metern kommen uns die ersten von unten entgegen, und es werden immer mehr. Sie staunen über unseren Abstieg, fahren sie doch alle, nachdem sie zuvor auf der Höllentalangerhütte übernachtet haben und ihr Weg sowieso schon kürzer ist, mit der Bahn hinunter. Viele fragen uns weiter unten, wie lange es denn noch bis zum Gipfel sein wird. Wir können ihnen nur antworten, dass sie noch viel Zeit brauchen werden.
Bei uns geht es jedoch ganz flott voran. Der Klettersteig im Abstieg geht fast wie von allein, obwohl wir natürlich immer aufpassen müssen. Etwas Unsicherheit kommt noch einmal beim Überqueren der Randkluft zum Gletscher auf. Das steile Firnfeld erweist sich ebenfalls bei aller Vorsicht als leicht, und auch das Brett stellt kein Problem dar. Bei einem Picknick auf grüner Almwiese vor der Höllentalangerhütte müssen wir noch Wanderern, wie häufiger in diesem Urlaub, Rede und Antwort stehen. Aber das machen wir gern. Wir berichten mit Freude über unsere Touren und geben die gewünschten Auskünfte.
Markus seine Füße leiden inzwischen ein wenig. Die Blasen brennen. So hat er auch nicht die Geduld, sich für die eindrucksvolle Höllentalklamm Zeit zu lassen. Dabei ist die wirklich sehenswert. Überall strömt in der höhlenartigen, engen Schlucht Wasser von oben herunter. Entweder als Wasserfälle oder ständig tropfend von den nassen Decken. Durch Ritzen und Klüfte im Gestein sucht sich das Wasser seinen Weg. Eigentlich sollte man eine Regenjacke anziehen. Doch wir empfinden die Kühle und Feuchte als erfrischend, während unter uns der Hammersbach wild und ungezügelt über Felsbarrieren durch die Schlucht rauscht.
Nach der Klamm noch eine Dreiviertelstunde langweiligeren Wanderweges. Dabei werden wir immer schneller. Es zieht uns förmlich zum Parkplatz zurück, wie ein Pferd in seinen Stall. Markus immer stramm voran, als wolle er die Strecke in Rekordzeit zurücklegen.
Endlich, nach fünfstündigem Abstieg und etwa 13 Stunden auf den Beinen, kleine Pausen mit eingerechnet, sind wir am späten Nachmittag wieder am Parkplatz, und kurz darauf auf dem Campingplatz an der Loisach.
Die Tour durchs Höllental zur Zugspitze ist eine ausgesprochen großartige. Verschiedenste und besonders schöne Landschaftsformen wechseln sich ab: Der enge Taleingang mit der Klamm. Der Weiterweg durch die sich öffnende Schlucht zu breiterem Tal mit schönen Wäldern und grandiosen Anblicken zu den Hängen und Gipfeln hinauf. Die letzten mit Schafen besiedelten Almenwiesen, die zum Steilaufschwung des Bretts überleiten. Danach die rundgeschliffenen, nach oben strebenden Felskarren, und dann das hochalpine Gelände mit den Schotterfeldern, dem Höllentalferner und der langen, ausgesetzten Klettertour. Alles ist so unterschiedlich, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte. Für jeden Geschmack ist wohl die passende Landschaft dabei, und alles zusammen ergibt eine wunderbare Alpenkomposition. Sicher hatte Richard Strauß solche Landschaften vor Augen, als er seine Alpensymphonie komponierte. Jedem können wir diese Traumtour empfehlen, der einigermaßen trittsicher ist und über etwas hochalpine Erfahrung verfügt. Und auch wir werden sie sicher nicht das letzte Mal gemacht haben.
Zwei Jahre später, im Jahr 2008, waren wir erneut in Garmisch. Und da das Wetter auf der Rückfahrt aus den Ostalpen mitspielte, machten wir an der Zugspitze erneut Station und wollten dieses Mal den Jubiläumsgrat in Angriff nehmen, der schon seit langem zu unseren Traumzielen gehörte.
Über den Jubiläumsgrat
Fast immer, wenn wir auf dem Weg in die Ostalpen unterwegs waren oder von dort zurückkamen, machte uns an der Zugspitze das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Touren waren dann dort nicht möglich. Doch dieses Mal haben wir endlich wieder Glück. Nach Touren an den Sellatürmen, am Morteratschgletscher am Piz Bernina und einer Überschreitung des Piz Palü soll nun der Jubiläumsgrat unser Ziel sein.
Gegen halb sieben Uhr verlassen wir Hammersbach. Fünf Kilometer Wanderung liegen zunächst vor uns. Dieses Mal ist es wirklich eine Wanderung, nicht vergleichbar mit unseren bisherigen Touren. Sie führt uns nach Ober-Grainau hinein. Ein schöner Ort mit bunt bemalten Hausfassaden und roten Geranien auf Fensterbänken und Balkonen. Danach geht es durch Wiesengelände, immer den Blick auf das Zugspitzmassiv gerichtet. Es ist ein herrlicher Morgen. Die Sonne scheint von einem blauen, fast makellosen Himmel. Die Farben sind im frühen Licht der Sonne besonders intensiv. Bilderbuchszenerien! Es macht einfach Freude, so vor sich hin zu laufen.
Wir queren die Straße, die zum Eibsee hinaufführt. Weiter geht es durch Lärchen-Kiefernwald. Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Seilbahnstation am Eibsee. Gern hätte ich den schönen See mit der Zugspitze im Hintergrund noch fotografiert. Doch wir sind zu spät dran, denn wir wollen unbedingt die erste Seilbahn nehmen. Hätten auch eine halbe Stunde früher aufbrechen können, dann hätte es geklappt. Schade.
Noch ist die Seilbahn dünn besetzt. Im Laufe des frühen Vormittags wird sich das ändern, ist doch der Zugspitzgipfel eines der attraktivsten Touristenziele in ganz Deutschland. Später wird es dort oben ein dichtes Gedränge geben. Mit uns in der Bahn befindet sich hauptsächlich Arbeitspersonal der großen Gipfelstation. Die jungen Leute unterhalten sich über das Wetter. Und was wir da hören, gefällt uns gar nicht. Für den Nachmittag sind örtliche Gewitter angekündigt und sie hoffen, dass diese durchgezogen sein werden, wenn sie Feierabend haben. Für diese Tour können wir alles andere als ein Gewitter gebrauchen, wären wir doch auf dem Grat einem solchen, ungünstiger wie es nicht sein könnte, völlig ausgesetzt. Nach unseren Wettererkundigungen durchs Internet und vor Ort war nirgends von Gewittern die Rede. Natürlich beunruhigt uns das jetzt. Da wir die Tour unbedingt durchführen wollen, müssen wir uns nun beeilen, und das über viele Stunden und hoffen, dass wir von einem Gewitter verschont bleiben, oder dass es erst am Abend kommen wird, wenn wir durch sind. Doch nun genießen wir erst mal die Aussicht aus der Gondel. Bald liegt der Eibsee mit seinen kleinen Inseln und großflächig von Nadelwald umgeben weit unter uns. Er hat eine tiefblaue Farbe. Das Flachwasser um die Inseln herum schimmert türkis-grün. Eindrucksvoll!
Auch der Blick vom Geländer der Station ist großartig. Die Sicht ist ziemlich klar. Einen großen Teil der Alpen können wir überblicken. Im Osten von den Hohen Tauern mit dem Großglockner über die Ötztaler Alpen und dem Ortlermassiv, bis hin zu den weiß glänzenden Berninagipfeln, an denen wir vier Tage zuvor noch unterwegs waren. Mit uns ist ein japanisches Ehepaar aus der Seilbahn gestiegen. Sie können kaum fassen, was sie da zu sehen bekommen. Einen lauten Ausruf der Begeisterung geben sie von sich. Ansonsten ist noch kein Mensch auf der futuristischen Plattform. Und natürlich werfen wir auch einen Blick über den langen Jubiläumsgrat, der sich mit den Höllentalspitzen und dem Hochblassen bis zur Alpspitze hinzieht. Er gibt mit seinen tiefen, steil abfallenden Flanken ein eindrucksvolles Bild ab. Zur Rechten das Zugspitzplatt, später das Reintal. Zur Linken das Höllental, das auf seiner gegenüberliegenden Seite von den Riffelköpfen, der Schönangerspitze und den Waxensteinen begrenzt wird. Zunächst verläuft der Grat in östliche Richtung, bevor er am Hochblassen langsam nach Norden abbiegt. Sechs Kilometer ist er lang. Das klingt wenig, doch in diesem schwierigen Gelände ist es viel. Auch wenn er auf seiner gesamten Strecke um 350 Meter abfällt, so ist es doch ein einziges Auf und Ab, und an Gegenanstiegen müssen 600 Höhenmeter erklommen werden. Von der Alpspitze folgt dann ein knapp 2000 Meter tiefer Abstieg.
Da die Zeit wegen möglicher Gewitter also nun drängt, was wir alles andere als angenehm empfinden, halten wir uns nicht lange auf, sondern machen uns schnell auf den Weg. Klettergurte angelegt, Helm aufgesetzt, über das Absperrgitter mit dem Schild „Betreten verboten“ gestiegen – für Touristen wegen der gefährlichen Glätte -, und schon kann es losgehen. Bereits aus der Gondel hochblickend hatten wir gesehen, dass überall Schnee liegt. Nun sind wir gespannt, wie die Schneeverhältnisse auf dem Grat sein werden, hatten wir doch unten noch überlegt, ob wir die Steigeisen mitnehmen. Schließlich haben wir darauf verzichtet.
Den Gipfel mit dem goldenen Kreuz lassen wir rechts liegen. Der Boden zu Beginn des Grates ist mit Schnee bedeckt und stellenweise glatt. Das gefällt uns gar nicht, und wir sehen in diesem Moment sogar schwarz, die Tour überhaupt durchführen zu können. Aber wir gehen erst mal los und wollen zumindest nichts unversucht lassen.
Und es wird sogleich deftig. Zumindest für mich. Auf Passagen, über die Markus noch relativ locker hinübersteigt, bin ich etwas unsicher und muss mich festhalten, geht es doch zu beiden Seiten tief hinunter. Nach einer Weile verschwindet immerhin der Schnee, so dass wir wieder etwas Mut fassen. Allerdings kommen wir nach wie vor nur sehr langsam voran, so dass wir daran zweifeln, ob wir es bei diesem Tempo überhaupt schaffen können. Und wenn wir merken, dass wir nicht genügend schnell sind, nehmen wir uns vor, werden wir irgendwann umkehren. Doch nach einer Weile werde ich sicherer und gewöhne mich an die häufige Ausgesetztheit. Aber nach wie vor gewinnen wir nur wenig an Land. Beim wiederholten Zurückblicken entfernt sich die Gipfelstation kaum.
Es geht ständig rauf und runter. Meistens über kleinere Gipfel, manchmal über größere. Der Fels, an dem wir uns häufig festhalten müssen, ist scharfkantig und schneidet in die Fingerkuppen. Die guten Mammuthandschuhe ziehe ich lieber aus, will ich sie doch nicht kaputtmachen. Schade eigentlich, dass ich meine billigen Gartenhandschuhe an diesem Tag nicht dabei habe, die mir am Marmolada-Westgrat gute Dienste geleistet haben. Nun muss es so gehen.
Markus geht meistens voran. Für ihn ist das alles kein Problem. Er drängt zur Eile. Doch für mich hat nun mal die Sicherheit Vorrang. Ein Sturz könnte an vielen Stellen schlimme oder sogar die schlimmsten Folgen haben. Aber so ganz langsam kommen wir dann doch voran. Der Zugspitzgipfel entfernt sich immer weiter.
Wir wundern uns, dass wir die einzigen sind, die auf diesem in Deutschland doch so populären Grat unterwegs sind. Vor uns waren keinerlei Spuren im Schnee und auch nach uns kommt an diesem Tag niemand mehr. Haben die alle von Gewitterwarnungen gehört, oder ist es reiner Zufall? Als ich vor neun Jahren nach einer Besteigung von Ehrwald aus morgens um acht Uhr auf dem Gipfel ankam, brachen vom Münchener Haus viele Bergsteiger zum Jubiläumsgrat auf, und damit habe ich auch heute gerechnet. Es gibt einen irgendwie noch zusätzliche Sicherheit, wenn andere in der Nähe sind, die im Notfall helfen könnten. Andererseits ist es auch hier ein schönes Gefühl, in dieser gigantischen Natur völlig allein unterwegs zu sein. Das lieben wir so, und das erleben wir immer wieder auf unseren Touren. Wo gibt es sonst noch so einsame Landschaften?
Ab und zu kommen Abwärtskletterpassagen, die nicht so ganz ohne sind. Wie angekündigt über tiefem Abgrund bis zum dritten Grad. Einmal bitte ich Markus, das Seil zum Sichern herauszuholen. Doch nach konzentrierter Griff- und Trittsuche schaffe ich die Stelle dann doch frei. Ein anderes Mal rutsche ich sitzend, wie ein Cowboy auf einem Pferdesattel reitend, über eine glatte, diagonale Felskante hinunter, die nur winzige Griffe aufweist. Schon ein kleiner Nervenkitzel, aber auch das klappt gut. Dabei gebe ich sicher nicht die eleganteste Figur ab, wie so oft an diesem Tag.
Nach der Inneren Höllentalspitze (2741 m), dort wo der Notabstieg zur Knorrhütte abzweigt, haben wir das erste Drittel der Gratstrecke hinter uns gebracht. Und dieses war der technisch anspruchsvollste Teil der gesamten Tour. Was nun noch kommt ist zwar lang, aber nicht mehr ganz so schwierig. An dieser Stelle müssen wir nun entscheiden, ob wir umkehren oder weitergehen wollen. Da es nach dem langsamen Beginn jedoch immer besser gelaufen ist, wollen wir nun natürlich weiter. Für den äußersten Notfall liegt ja auf der Strecke noch die Biwakschachtel.
Nun gibt es auch immer häufiger kurze Gehpassagen. Es ist eine Freude, mit großartigster Aussicht voranzukommen. Zur Linken liegt tief unten das landschaftlich so reizvolle Höllental. Diverse Bergsteiger können wir als winzige Punkte ausmachen, die in dem Gelände über der Höllentalangerhütte, am Brett und darüber, unterwegs sind. Ob die wohl auch uns sehen? Zur Rechten haben wir im ersten Teil der Strecke auf das Zugspitzplatt geschaut, das nur noch mit dürftigen Schneeresten bedeckt ist. Es ist ein Jammer. Nun aber geht der Blick ins Raintal hinunter. Gern würde ich ab und zu einen Fotostopp einlegen. Aus Zeitgründen gelingt es mir leider nur seltenst. Wir müssen sehen, dass wir weiterkommen.
Mal geht es auf keine halben Meter schmaler Gratschneide wie auf des Messers Schneide voran, mal auf komfortabel breiter, oder auf steilem Hang kurz unterhalb des Grates. Festen Fels gibt es selten. Meist ist er brüchig, so dass man nicht weiß, ob ein Griff halten wird. Dann geht es über losen, schottrigen und steil abwärts gerichteten Hang. Also nicht gerade das Gelände, was man sich so wünscht. Fast ständig muss man konzentriert steigen und ist angespannt.
Nach einem Picknick auf der Mittleren Höllentalspitze (2743 m), erreichen wir nach etwa sechs Stunden die Biwakschachtel. Ein kurzer Blick hinein. Sieht zwar karg, aber doch eigentlich ganz gemütlich (inzwischen gibt es eine neue). Wäre sicherlich spannend, darin zu übernachten. Doch wir wollen weiter.
Das Wetter hält nach wie vor. Zwar ziehen immer mehr Wolken auf, die den Grat auch manchmal einhüllen, so dass wir im diffusen Grau unterwegs sind. Doch nur wenige steigen in höhere Atmosphäreschichten empor und quellen wie Gewitterwolken auf. Sie sind nicht groß genug, als dass es zu einem solchen kommen könnte. So gehen wir guten Mutes weiter.
Nach Übersteigung der Äußeren Höllentalspitze (2684 m), wird es dann noch einmal ein wenig spannend und kraftraubend. Eine Felsnadel muss überklettert werden. Sieht zwar eindrucksvoll aus, ist aber eher unschwierig, da sie mit einigen Eisenklammern und Drahtseilen versehen ist. So kommt es in erster Linie auf die Armkraft an.
Nach steilem Abstieg gleich dahinter die nächste Herausforderung. An der Vollkarspitze hat es vor sechs Jahren einen großen Felsabbruch gegeben. Doch kurz darauf wurde auch diese Passage versichert. So stellt auch diese 40-Meter-Steilwandkletterei kein Problem dar. Damit hätten wir das Gröbste überstanden. Den nachfolgenden mächtigen Klotz des Hochblassen wollen wir jedoch nicht überschreiten. Dazu fehlt uns nach über acht Stunden einfach die Motivation. So steigen wir auf rutschigem, unsicherem Gelände durch Firn und über Fels und Schotter ein ganzes Stück abwärts, und umgehen ihn auf diese Weise. Nach einem weiteren Aufstieg erreichen wir die Grieskarscharte. Weit sieht es bis zur Alpspitze nun nicht mehr aus. Doch wie immer täuscht es. Auch das letzte Wegstück zieht sich durch das diffuse Grau der Wolken noch in die Länge.
Aber dann ist das Ende des Jubiläumsgrates erreicht. Damit fühle ich mich wie von einer Last befreit. Nun gibt es keine Anspannung mehr, die ständige Konzentration kann nachlassen. Einen Traum haben wir uns erfüllt. Neuneinhalb Stunden haben wir für die Strecke benötigt. Markus hätte sie vermutlich auch in zwei Drittel der Zeit geschafft. Doch das Alter fordert eben seinen Tribut. Auch wenn die Ausdauer bei mir immer noch da ist, so ist es doch das Tempo früherer Jahre längst nicht mehr.
Da die Wetterlage nach wie vor nicht nach Gewitter aussieht, nehmen wir den Abstieg über den Klettersteig. 600 Meter tief führt er hinab, zum Teil steil und ausgesetzt und mit schönen Ausblicken. Er ist allerdings überversichert. Wir wunden uns darüber, wo überall Fixseile und Eisenklammern angebracht sind. Aber so ist die Alpspitze auf diesem Steig auch Anfängern zugänglich und vermittelt ihnen ein Gefühl von echtem Bergabenteuer.
Als wir dessen Ende und damit leichteres Gelände erreichen, atmen wir doch auf. Weiter geht es über schmale Pfade im Zickzak und über Geröllhänge hinunter. Dann erreichen wir einen breiten Wanderweg. Damit wird es richtig komfortabel und wir brauchen die Beine einfach nur noch laufen zu lassen. Nach wie vor sind wir konditionell gut drauf und sind nach dem Erreichten natürlich auch bester Laune. Dazu ist die Abendstimmung in dieser herrlichen Landschaft wunderbar. Saftige, grüne Blumenwiesen, Ausblicke ins weite Land nach Garmisch hinunter und Richtung Raintal. Dazu ein blauer Himmel mit einigen weißen Schönwetterwolken und eine angenehm wärmende Abendsonne. Was wollen wir mehr?!
Die 400 Meter zum Kreuzeck hinunter ziehen sich doch noch in die Länge. Aber es ist einfach nur schön. Dort angekommen, lassen wir uns zum letzten Picknick auf einer Bank nieder. Nun noch diese letzten 800 Meter hinunter. Es geht auf schmalem Pfad durch herrlichen, lichten Lärchen-Kiefernwald. Es läuft sich fast wie von allein, und es ist die reine Freude. Im weiteren Abstieg treffen wir endlich auch auf einen Bach. Schon die Reste in unseren 1,5 Liter-Flaschen haben so wunderbar köstlich geschmeckt, wie nur selten ein Getränk. Doch nun können wir aus dem Vollen schöpfen und saufen wie das Vieh. Das tut ungemein gut und füllt die leeren Speicher wieder auf.
Erstaunlicherweise stoßen wir im weiteren Abstieg auf Wanderer. Es sind die ersten Menschen, die uns seit der Zuspitzstation begegnen. Sie haben allerdings keine Lampen dabei und werden den restlichen Teil des im Dunkeln schwierigen und rutschigen Weges in der Finsternis absteigen müssen.
Der schöne Wald geht in tieferen Regionen in einen gewöhnlichen Fichtenwald über. Längst hat die Dämmerung eingesetzt. Das merken wir besonders dann, wenn wir freie Flächen überqueren und wieder in den Wald hineintreten. Dann wirkt es doppelt finster. Vorbei an einem mächtigen, urwüchsigen Ahornbaum, ein Wunder der Natur, das wir entsprechend bestaunen, erreichen wir über zwei Wiesen schließlich den Talgrund des Hammersbaches. Noch ein Stück an ihm entlang, dann erreichen wir Hammersbach. Die Biergärten dort sind an diesem lauwarmen Sommerabend gut besucht. Die Gläser kreisen und es herrscht eine fröhliche Stimmung. Kurz darauf erreichen wir den Parkplatz.
Damit haben wir eine großartige Tour hinter uns gebracht. Alles hat gut geklappt. Die oft alles andere als leichte Kletterei. Die noch genügend vorhandenen Kraftreserven, so dass wir zwar erschöpft, aber nicht ausgepowert sind. Dazu hat das Wetter gehalten. Es hat also alles gepasst. Nun können wir wieder eine Traumtour von unserer Wunschliste abhaken. Markus möchte sie irgendwann noch einmal im Winter machen. Unterwegs haben wir auch auf der gesamten Wegstrecke die Kratzspuren von Steigeisen gesehen. Für mich wäre das jedoch eine Nummer zu groß.
Abschließend möchte ich sagen, dass der Jubiläumsgrat länger und schwieriger ist, als wir ihn uns vorgestellt hatten. Wer ihn machen möchte, sollte auch daran denken, dass der Grat ständig in einer Höhe zwischen knapp 3000 und 2600 Metern verläuft und das das Gelände meistens sehr ausgesetzt ist. Aber es ist eine herrliche Tour, die man noch viel besser genießen kann, wenn man nicht wegen eines eventuellen Gewitters unter Zeitdruck steht. Und für Nichtextrembergsteiger ist es wohl die großartigste Tour, die die Deutschen Alpen zu bieten haben.
Siehe auch: Eine Watzmann-Überschreitung
Hallo Karl-Heinz, auch wenn man den Gipfel nicht auf eigenen Stiefelsohlen erklimmt, so ist er doch immer ein Erlebnis. Wenn das Wetter mitspielt, ist die Aussicht einfach grandios und man kann sich kaum satt daran sehen. Und es macht viel Spaß, die einzelnen Gipfel zu identifizieren. Oder sich einfach mal in dieser Höhe aufzuhalten.
Die wirklich großen Touren plane ich inzwischen auch nicht mehr, das Älterwerden macht sich doch bemerkbar. Aber so lange ich kann, werde ich in den Bergen unterwegs sein und mich später auch an kleineren Wanderungen erfreuen. Allein reicht es schon aus, wenn man sich in einer solch herrlichen Umgebung aufhält. Und der Vierwaldstätter See ist ein prächtiges Ziel dazu.