„Das Freiwilligen-Zentrum Gablingen ist ein Pilotprojekt“: Ein Interview mit Gablingens Bürgermeister Karl Hörmann
myheimat sprach mit Gablingens Bürgermeister Karl Hörmann über die politische Legitimation von Bürgerentscheiden, das heikle Thema „Peterhofstraße“ und die Gründung eines Freiwilligen-Zentrums in Gablingen.
myheimat: Herr Hörmann, das bisherige politische Jahr stand ganz im Zeichen von Volks- bzw. Bürgerentscheiden. Was halten Sie grundsätzlich von dieser Form der Bürgerbeteiligung?
Karl Hörmann: Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, dass es diese Möglichkeit gibt. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass ein Gemeinde- oder Stadtrat von den Bürgern gewählt ist, um sie zu vertreten. Es ist dann bei den jeweiligen Sachthemen immer genau abzuwägen, welche Bedeutung sie haben und inwieweit sie dafür geeignet sind, dass die Beschlusslage eines Gremiums durch einen Bürgerentscheid bzw. Volksentscheid ersetzt werden kann. Als bedenklich sehe ich es an, wenn das Instrument des Bürgerentscheides missbraucht wird, um die Interessen von Einzelnen oder Kleingruppen durchzusetzen. Wenn ein Bürgerentscheid dagegen den „Holzweg“ eines Gremiums korrigieren kann, dann ist es ein legitimes Mittel.
myheimat: Auch in der Gemeinde Gablingen kam es am 4. Juli zu einem Bürgerentscheid über den Bau einer Freiflächen-Photovoltaikanlage im Ortsteil Gablingen-Siedlung. 72,73 Prozent der Wähler lehnten eine solche Anlage ab und unterstützten die Forderung der Bürgerinitiative. Können Sie mit diesem Ergebnis leben?
Karl Hörmann: Prinzipiell kann ich mit dem Ergebnis leben. Das Problem in diesem speziellen Fall bestand darin, dass die „großpolitische Lage“ zum Zeitpunkt der Beantragung eine andere war. Im Landesentwicklungsplan und von der Bayerischen Staatsregierung waren ganz klar die Förderung Erneuerbarer Energien, Siedlungsnähe und Ackerflächen als mögliche Standorte vorgesehen und als „mit förderfähig“ angegeben. Während der Laufzeit der Flächennutzungsplanänderung und des Bürgerbegehrens hat sich die bundespolitische Großwetterlage geändert. Ackerflächen sollten nun nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Mir fehlt hier ein Stück weit die Verlässlichkeit der „großen Politik“. Das gilt im Übrigen auch für die Themen „Nichtraucherschutz“ und Büchergeld. Noch ein Wort zum Bürgerbegehren „Solarpark“. Was mich überrascht hat, aber es für mich auch in gewisser Weise erleichterte, mit dem Ergebnis zu leben, ist die Tatsache, dass das Bürgerbegehren doch mit einer relativ breiten Mehrheit angenommen wurde.
myheimat: Ein weiteres kommunalpolitisches Brennpunkt-Thema ist und bleibt die Peterhofstraße.
Karl Hörmann: An meiner Grundhaltung zu diesem Thema hat sich nichts geändert. Ich war immer für einen vernünftigen, richtlinienkonformen Ausbau dieser Ortsverbindungsstraße. Die Peterhofstraße ist keine Rennstrecke oder eine Autobahn, aber gewisse Standards muss eine Gemeindeverbindungsstraße erfüllen. Auf dieser Basis sollte gehandelt werden. Die momentane Beschlusslage sieht nur eine „wassergebundene“ Lösung ohne Asphaltdecke auf der bestehenden Trassenbreite vor. Landwirtschaftlicher Begegnungsverkehr mit großen Maschinen an Engstellen mit 4,75 m wird dann natürlich sehr problematisch.
myheimat: Lassen Sie uns ein wenig über die Gemeindefinanzen sprechen. Das Ziel einer effektiven Haushaltspolitik besteht darin, Zuführungen vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt zu erreichen. Mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung: Steht in den Jahren 2011 bis 2013 genügend Geld für die notwendigen Investitionen zur Verfügung?
Karl Hörmann: Wir werden in diesem Jahr die Kreditaufnahme nicht in der Größenordnung benötigen, wie sie im ursprünglichen Haushaltsplan für das Jahr 2010 vorgesehen war. Das liegt daran, dass Projekte wie die „Abwasserbeseitigung Muttershofen“ nicht in Angriff genommen werden konnten, weil die Förderzusage fehlte und die Aufnahme in die Dringlichkeitsliste als oberste Priorität noch nicht erfolgte. Dasselbe gilt für das Thema „Kanalbau“ im Industriegebiet Gablingen-Ost.
myheimat: Die Gewerbesteuereinnahmen wurden für das Jahr 2010 mit 750.000 Euro veranschlagt. Mit welchem tatsächlichen Ergebnis rechnen Sie am Ende des Jahres?
Karl Hörmann: Ich werde keine konkrete Zahl nennen, aber ich bin relativ optimistisch, dass wir die von Ihnen genannten Zahl übertreffen können. Trotzdem muss man beim Thema „Gewerbesteuer“ immer sehr vorsichtig sein. Denn häufig tauchen dann Überraschungen in Form von Gewerbesteuerrückzahlungen auf.
myheimat: Können Sie uns abschließend noch ein paar Worte zum „Freiwilligen-Zentrum“ Gablingen sagen. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit diesem Projekt?
Karl Hörmann: Das Freiwilligen-Zentrum Gablingen sehe ich bayernweit als ein Pilotprojekt in einer Kommune dieser Größenordnung an. Es geht um Themen wie koordinierte Nachbarschaftshilfe und das Aktivieren von „schlummerndem“, bürgerschaftlichem Engagement. Wir befinden uns in der glücklichen Situation, dass wir traditionell eine Gemeinde mit einem intakten Vereinsleben sind. Trotzdem gibt es auch bei uns – aufgrund des starken Wachstums bzw. Zuzuges in den letzten 30 Jahren – Menschen, die noch nicht so lange in der Gemeinde leben, sich aber gerne projektbezogen engagieren wollen. Das Freiwilligen Zentrum soll unter anderem für diese Personengruppe eine Chance sein, sich stärker in das Gemeindeleben zu integrieren. Vorgesehen sind Projekte, die älteren Mitbürgern zugute kommen. Beispielsweise kann man Senioren die Themen „PC“ oder Handy erklären.