Der Jazz - Ein Musikstil erobert die Welt (Teil 3)
Als in den dreißiger Jahren die „Big Bands“ populär wurden, entdeckten die meisten Musiker die Notwendigkeit, Notenständer und Orchesterdrill einzuführen und der Jazz übernahm jetzt viele Merkmale der klassischen Musik.
Eine der erfreulichsten Resultate dieser neuen, intellektuellen Entwicklung im Jazz war das Auftreten des Komponisten und Pianisten Edward Ellington. Der „Duke“, wie er genannte wurde, schrieb seine Musik so sorgfältig nieder wie irgendein traditioneller Musiker, und trotzdem gelang es ihm, den unabdingbaren Geist der Improvisation beizubehalten. Indem er stets die Solisten seiner eigenen Band im
Auge behielt, schuf er so einen subtilen und unverwechselbaren Sound. Constant Lambert, ein Mann mit makelloser klassischer Musikausbildung, hat über eine Komposition von Ellington gesagt: „Ich kenne nichts bei Ravel, was so geschickt behandelt wäre wie die variierten Soli in der Mitte von „Hot and Bothered“ und nichts bei Stravinsky , was so dynamisch wie der Schlussabschnitt dieses Musikstückes.“
Ein größeres Kompliment konnte ein „klassischer“ Musiker einem
Kollegen aus der Jazz-Zunft wohl kaum machen.
Ende des 19. Jahrhunderts verschmolzen die verschiedenartigen Einflüsse zum ersten voll ausgebildeten Stil des Jazz, der nach dem Ort der Entstehung New Orleans-Jazz genannte wurde. Hier trugen Kornett und Trompete die Melodie, während die Klarinette reich verzierte Gegenmelodien und die Posaune rhythmische Slides spielte sowie die Grundtöne der Akkorde und Harmonien vorgab. Die Slides nannte man auch Tailgates. Wörtlich übersetzt heißt das hintere Ladeklappe.
Vor großen Veranstaltungen zogen die Musiker auf Pferdewagen sitzend durch die Straßen, um für das Konzert zu werben. Damit der Posaunist seinen Zug voll ausfahren konnte, saß er auf der hinteren Ladeklappe, die herabgelassen war. Dergesamte Posaunenstil des traditionellen Jazz erhielt daher seinen Namen.
Tuba und Kontrabass legten unter diese Standard-Dreiergruppe eine Basslinie und das Schlagzeug steuerte den Rhythmus bei. Vitalität und Dynamik waren wichtiger als musikalische Feinheiten, und die Improvisation wurde von mehreren Stimmen des Ensembles durchgeführt. Der legendäre Kornettist Buddy Bolden leitete einige
dieser ersten Jazzbands, von denen jedoch leider nur wenige Aufzeichnungen vorhanden sind. Erst im Jahre 1917 machte die erste Jazzband eine Musikaufnahme. Es war dies die „Original Dixieland Jazzband“, eine Gruppe aus weißen Musikern aus New Orleans und sie erregte in Amerika und der ganzen Welt mit ihrer Musik großes Aufsehen. Ein neuer Stil war geboren: der Dixieland-Jazz der Weißen aus
dem Süden der USA. Damit zeigte sich auch zum ersten Mal ein Vorgang, der später für die Geschichte des Jazz typisch werden sollte. Nachdem schwarze Musiker neue Stile entwickelt hatten, wurden sie von Weißen dem Geschmack eines breiten Publikums angepasst und anschließend kommerziell verwertet. Nach dieser Gruppe der ersten Stunde wurden zwei weitere Bands berühmt. Zum einen im Jahre 1922 die „New Orleans Rhythm Kings“ und 1923 die „Creole Jazz Band“ unter der Leitung des Stil bestimmenden Kornettisten King Oliver. Die Aufnahmen von King Oliver und seiner Band sind die bedeutendsten Beispiele im New-Orleans-Stil. Andere bedeutende Musiker aus New Orleans waren die Trompeter Bunk Johnson und Freddy Keppard, der Saxophonist Sidney Bichet, der Schlagzeuger Warren „Baby“ Dodds und der Pianist und Komponist Jelly Roll Morton. Zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Jazz sollte jedoch King Olivers zweiter Trompeter Louis Armstrong werden.
Der erste virtuose Solist des Jazz, der Trompeter und Sänger Louis Armstrong, war ein atemberaubender Improvisator, sowohl in technischer als auch in emotionaler und intellektueller Hinsicht. Er veränderte das Bild des Jazz entscheidend, indem er den Solisten in den Mittelpunkt rückte. Seine Bands, die „Hot Five“ und die „Hot Seven“, demonstrierten, dass die Jazzimprovisation weit über die einfache
Ausschmückung der Melodie hinausgehen konnte. Er setzte auch den Maßstab für alle späteren Jazzsänger, nicht nur durch die Art, wie er Liedtexte und Melodien abwandelte, sondern auch durch den so genannten Scatgesang, das Singen von improvisierten Silben und Lauten oft als rhythmische und ausdrucksmäßige Nachahmung eines Instrumentes.
Text: Klaus Kriesbach; Bilder: www.photocase.com