"Genesis Classic" - Ray Wilson im Freyburger Lichthof am 21.03.2014
Wahrscheinlich wird es ja einen ausführlichen Bericht in einer der regionalen Zeitungen geben, wenn schon einmal ehemaliges Genesis-Mitglied den Weg in den Burgenlandkreis findet. Dennoch fühle ich mich irgendwie dazu verpflichtet (und es ist mir natürlich auch ein Bedürfnis), vom Ray Wilson Konzert im Freyburger Lichthof am Freitag zu berichten.
Für die, die wenig Zeit haben und nicht dabei sein konnten: Es war fantastisch!
Vielen Dank an die Sektkellerei für die Künstler-Akquise!
Ich nehme an, es hat sich gelohnt (und zwar für alle Beteiligten).
Der Lichthof war gut gefüllt.
Es ist schwer zu sagen, ob es allein der Name "Genesis" im Veranstaltungstitel war, der die Besucherschar mit durchwachsener Altersstruktur zu diesem Event zog. Ein mit "Genesis classic" benanntes Programm kann sich natürlich eines nahezu unerschöpflichen Vorrats unterschiedlichster Musik bedienen und so wurde dann auch ein sehr buntes Programm geboten, welches, mit einer Ausnahme, vollständig aus Material des Genesis-Universums bestand.
Ray Wilson befindet sich seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Band-Konstellationen auf Tour. Im Lichthof tritt er mit einem zweiten Gitarristen (Steve Wilson, Rays älterer Bruder), dem Pianisten Darek Tarczeewski, dem Multiinstrumentalisten Marcin Kajper und zwei Violinistinnen (Alicja Chrzaszcz und Barbara Szelagiewicz) auf. Dem Line-Up entsprechend klingt es dann auch interessant klassisch-akustisch.
Mit leichter Verspätung betritt der Schotte, der heute im polnischen Poznan lebt
mit seiner sichtlich gut gelaunten Band die Bühne und beginnt gleich mit dem Genesis-Klassiker "Follow You, Follow Me" aus dem Jahr 1978. Es war die Zeit, in der sich die Band künstlerisch neu orientierte. Die Jahre davor, mit Peter Gabriel als Frontman (bis 1975) und Steve Hackett an der Gitarre (bis 1977), waren von progressiver Musik geprägt, welche bei Konzerten mit aufwendigen Bühnenbildern und Kostümen präsentiert wurde. Der verbliebene Rest der Band (Phil Collins als singender Schlagzeuger, Mike Rutherford an Gitarre und Bass und Tony Banks an den Keyboards) beschritt fortan neue Wege. Anfang der 80er Jahre wurden die Stücke kürzer und eingängiger und somit auch populärer. Einige dieser bekannten Hits, wie "Invisible Touch", "Jesus He Knows Me", "That´s All" und "Mama" wurden im Verlaufe des weiteren Abends präsentiert. Die "gute alte Zeit" wurde aber selbstverständlich ebenfalls bedacht und so fanden auch Stücke wie "Ripples" und "Carpet Crawlers" den Weg in die Setlist. Letzteres hat er übrigens 2013 mit dem ehemaligen Genesis-Gitarristen Steve Hackett neu aufgenommen. Nun bieten 15 veröffentlichte Genesis-Album sicher genug Auswahl für einen Konzertabend, es wurden aber auch die Soloaktivitäten der ehemaligen Bandmitglieder berücksichtigt. Da gibt es z.B. die beiden bekanntesten Hits von Phil Collins ("Another Day In Paradise" und "In The Air Tonight") und "Another Cup Of Coffee" von Mike Rutherfords Zweit-Band Mike And The Mechanics zu hören, ein nachdenkliches "Biko", welches Peter Gabriel einst für den südafrikanischen Freiheitskämpfer Stephen Bantu Biko schrieb und im direkten Anschluss (vielleicht an dieser Stelle nicht ganz passend) ein beschwingtes "Solsbury Hill" von Gabriels erstem Soloalbum. Hinzu kommen Auszüge aus Ray Wilsons eigenen Projekten, aus der Zeit vor und nach seinem Gastspiel bei Genesis. Immerhin kann er inzwischen auf eine 20-jährige aktive Musikerkarriere zurückblicken. Die Lieder "Swing Your Bag" und "The Airport Song" seiner allerersten Band "Guaranteed Pure" lockern das Programm mit spaßigen Einlagen der Bandmitglieder auf. Erste Erfolge konnte er mit der Grunge-Band Stiltskin verzeichnen, deren Song "Inside" 1994 für einen Jeans-Werbespot verwendet wurde. Dieser und weitere Titel ("Lemon Yellow Sun", "Tale From A Small Town") der später neu formierten Gruppe durften natürlich ebenso wenig fehlen, wie die eingängigen Lieder seiner Solo-Alben und des Post-Genesis-Projektes Cut.
Sehr sympathisch ist, dass Ray Wilson seinen Musikern sehr viel mehr Spielraum lässt, als man es im allgemeinen von Solokünstlern mit Begleitband kennt. Marcin Kajper wechselt mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit unentwegt zwischen Bass, Flöte, Klarinette und Saxophon und beherrscht augenscheinlich alle vier Instrumente perfekt. Steve Wilson darf Phil Collins´"Take Me Home" singen und in der Zugabe schließlich auch noch U2s "One" zum besten geben (der einzige Song, der übrigens nicht so recht in´s Programm passen will, da er ja keinen Bezug zu Genesis hat). Die Violinistinnen Alicja Chrzaszcz und Barbara Szelagiewicz verlassen zwar auch kurz die vorgegebenen Pfade und zeigen durch kurze Passagen aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten", was sie in ihrer offenbar sehr guten musikalischen Ausbildung gelernt haben, die Sequenzen sind aber gut in den Programmablauf integriert. Weitere kurze Passagen aus der sogenannten ernsten Musik werden so gekonnt mit Segmenten aus den progressiven Genesis-Werken verbunden, dass es gar nicht auffällt, dass hier mal eben mehrere Jahrhunderte überbrückt werden. So werden "Firth Of Fifth", "The Lamb Lies Down On Broadway", "Entangled", "After The Ordeal" und "Blood On The Rooftops" in Teilen als reine Instrumentalversionen dargeboten. Darek Tarczeewski singt außerdem noch allein am Klavier "One More Night" und "Against All Odds". Selbstverständlich ist mit "Not About Us" auch ein Song von "Calling All Stations" dabei, dem (bisher letzten) Genesis-Album, auf dem Ray Wilson 1997 das Mikrofon von Phil Collins übernommen hatte um es ihm 10 Jahre später für eine letzte große Tour zurückzugeben.
Nach dem Konzert gab es eine Autogrammstunde und die Möglichkeit, sich mit Ray Wilson fotografieren zu lassen. Es sind mit Sicherheit zufriedene Gesichter, die da als Erinnerung an dieses wunderbare Konzert festgehalten wurden.
Hallo Constanze Matthes,
Man soll niemals nie sagen, ich halte es aber für unwahrscheinlich.
Phil Collins hat sich zwar "zurück gemeldet", dürfte aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, eine Tour zu absolvieren und Peter Gabriel wird wohl andere Interessen haben. Ein neues Album fänd ich schon Klasse, mal schauen...