Musik-Workshop am 12.9.2013 in der Edertalschule Frankenberg - oder - WIe klingt ein Sturz ins Wasser?
„Ruhe!“ und dann: „Aufnahme läuft!“ Alle sind still. Keiner bewegt sich. Leonie beginnt laut vorzulesen. „Wie Eulenspiegel auf dem Seil tanzte“. Mehrere Kinder lesen in Abschnitten abwechselnd die Geschichte vor, andere Kinder machen dazu Geräusche. Draußen vor dem Musikraum lärmen ein paar Schüler vorbei, eine Tür schlägt zu. Unsicher schauen die Vorleserinnen zu Musiklehrer und Aufnahmeleiter Torsten Herguth. „Das macht nichts, das schneiden wir raus“, sagt er, dann geht es weiter.
Was hier entsteht, ist die Aufnahme einer vertonten Geschichte. Während der Methodenwoche in der Edertalschule Frankenberg arbeiten alle vier sechsten Klassen innerhalb eines eintägigen Musik-Workshops daran, wie man zum Beispiel den Sturz des seiltanzenden Till Eulenspiegel in den Fluss unter ihm akustisch darstellen kann.
Und während zwei Lerngruppen in den Musikräumen zunächst besprechen, wie man einen Text so vorlesen kann, dass er interessant und spannend klingt, arbeiten die anderen zwei Klassen in den Kunsträumen an der Herstellung von Geräusch- und Musikinstrumenten.
Hier werden Behälter mit Reis oder Wasser befüllt, Strohhalme zu Panflöten umfunktioniert und „Gummiring-Saiten“ mit Nägeln an einer Holzlatte befestigt. Die wunderlichsten Konstruktionen erweisen sich als Glasorgel, Rassel oder Percussion-Instrument. Bei den ersten Aufnahmen kommen zunächst Triangel, Kuhglocken, Trommeln und Schellenkränze zum Einsatz, bei den weiteren dann auch die selbstgebauten Instrumente. Und jeder Mensch hat stets ein Instrument bei sich: seine Stimme.
Zur Vorbereitung der Vertonung einer der vielen Geschichten, die es über Till Eulenspiegel gibt, tragen die Schülerinnen und Schüler zunächst Ideen zusammen und sprechen sich für Details in Kleingruppen ab. Sie markieren sich die Textstellen, an denen der Vorleser stoppt und Geräusche eingespielt werden, zum Beispiel stellt eine aufwärts gespielte Tonleiter auf dem Holz-Xylophon das Heraufsteigen einer Treppe dar. Es zeigt sich, dass es zunächst einfacher ist, ein Geräusch zu machen, als Musik. Doch dann überwindet fast jeder die Hemmschwelle und probiert mutig aus, darstellende Geräusche und Töne zu erzeugen. Und als dann das Aufnahmegerät läuft, herrschen höchste Konzentration und Disziplin.
„Zum Medienbildungskonzept innerhalb des Schulcurriculums gehört als ein Baustein die Vertonung einer Geschichte und die anschließende digitale Verarbeitung der Aufnahme“, so Torsten Herguth. „Allgemein sieht der Bildungsstandard praktische Arbeit vor, die bei diesem Projekt sogar fächerübergreifend den Deutsch- und den Kunstunterricht mit einbezieht. Der Bau von eigenen Instrumenten war eine zusätzliche Idee, weil so etwas im regulären Musikunterricht zeitlich nicht möglich wäre. Da aber viele Klassen und Kollegen zur Zeit auf Klassenfahrt sind, haben wir genügend Räume zur Verfügung und können die Produktion aus dem Regelunterricht heraus in einen Methodentag auslagern und eben zusätzlich Instrumente bauen.“
Jede Klasse nimmt die Geschichte zwei Mal auf, die Aufnahmen werden die Kinder im weiteren Schuljahr während des Musikunterrichts digital am PC bearbeiten und lernen dann zum Beispiel, wie man die beiden Aufnahmen zu einer zusammenschneidet oder zusätzliche Effekte einbringt.
Während Lateinlehrer Marian Junglas mit der Orchesterklasse 6d die Bearbeitung bespricht und schließlich die Aufnahme läuft, wird schnell klar, wie unterschiedlich das Ergebnis im Vergleich zur Klasse 6c ist, die mit Musiklehrerin Gertrud Will ganz andere Ideen verwirklicht.
Die eine Vertonung läuft allein, ist eher spontan und überraschend, durchzogen mit vielen einzelnen klanglichen Elementen und dem sympathischen amerikanischen Akzent einer der Vorleserinnen. Die andere Vertonung legt mehr Wert auf gute Betonung, genaue Aussprache und wörtliche Rede und setzt dafür weniger, aber kontrollierte klangliche Elemente ein, die die Schüler dirigiert von Gertrud Will spielen. Beide Ergebnisse spiegeln dennoch und gerade dadurch wider, wie wichtig, wie umfassend und nicht zuletzt auch ertragreich nicht nur die theoretische, sondern auch die praktische musikalische Grundausbildung ist.
Nachdem die ersten Aufnahmen fertig sind, tauschen die beiden Klassen die Räume mit den Klassen 6a und b und alles beginnt nochmal von vorn. Zum Schluss hören sich alle vier Gruppen ihre Aufnahmen an und freuen sich über das sechsminütige Ergebnis des Tages und das dicke Lob von Gertrud Will: „So ein Ergebnis habe ich nicht erwartet, ihr ward klasse!“