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Das Ende unserer Demokratie

Wer erinnert sich noch an die Werbekampagne zur Umbenennung des Schokoriegels? Jetzt wird wieder Werbung gemacht – für CETA. Und auch hier gilt:
Neuer Name, alte Rezeptur! Lest hier, was dahinter steckt:

Mit einer Desinformationskampagne versuchen die EU-Kommission und die Bundesregierung, uns CETA schmackhaft zu machen. Sie behaupten dass CETA in seiner Endfassung keine Gefahr für die Demokratie mehr darstelle, dass demokratische Entscheidungen umfassend geschützt seien. Aber das stimmt nicht.
Der gewaltige Widerstand gegen die Paralleljustiz für Konzerne brachte die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström schier zur Verzweiflung. Sie nannte deshalb ISDS (Investor State Dispute Settlement) die “toxischste” Abkürzung in ganz Europa. Statt ISDS auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, erfand sie dafür einen neuen Namen und eine neue Geschichte.

Raider heißt jetzt Twix – oder ISDS wird ICS

ISDS sei in CETA nicht mehr enthalten, behaupten sie und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt. Es gebe in CETA einen richtigen “Handelsgerichtshof”. Alles rechtsstaatlich. Nur einer Frage weichen die beiden aus: Warum in aller Welt braucht es diesen zusätzlichen angeblichen Handelsgerichtshof, wo wir doch in Kanada wie in Europa Rechtsstaaten haben, mit Eigentumsschutz und mit Gerichten für jede und jeden?
Der Deutsche Richterbund hat in einer Stellungnahme klar gestellt, dass ICS kein Gericht ist:
“Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter des ICS noch deren Stellung genügen den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten. Das ICS erscheint vor diesem Hintergrund nicht als internationales Gericht, sondern vielmehr als ständiges Schiedsgericht.”
Das ist besonders brisant, weil die 15 Personen, die das so genannte ICS bilden werden, eine enorme Macht haben. Sie sind aber keine Berufsrichter, sondern sie werden mit üppigen Tagessätzen für jeden Einsatz bezahlt. Mehr Klagen bedeuten mehr Einkommen. Nur eine Seite, nämlich die Investoren, kann überhaupt klagen. Wenn das kein Anreiz ist, der Klägerseite gegenüber besonders offen zu sein. Denn eine ganze Justizbranche rund um Schiedsgerichte würde von mehr Klagen profitieren.
Jeweils drei aus diesem 15er-Kreis entscheiden die Investorenklagen. Sie treffen die Entscheidung, ob die von uns gewählten Volksvertreter lediglich ihrer Aufgabe nachkommen oder ob sie schuldhaft Investorenrechte verletzen. Die von der Kommission als “Richter” bezeichneten Personen sollen Experten für internationales Handelsrecht sein. Kenntnisse im öffentlichen Recht, Umweltrecht, oder Sozialrecht der EU-Mitgliedsstaaten müssen sie nicht haben (Art. 8.27 Absatz 4 CETA).

Wir haben den endgültigen Vertragstext analysiert und stellen fest:

#1 Vorsicht lebendes Abkommen!

Von der Öffentlichkeit bislang völlig unbemerkt findet sich in CETA noch ein weiterer Sprengsatz. Die Investorenrechte und damit auch die Verpflichtungen, die Staaten, Länder und Kommunen ausländischen Investoren gegenüber eingehen, sind nämlich nach Vertragsschluss veränderbar (Art. 8.10 Absatz 3, CETA ) – ohne Beteiligung irgend eines Parlaments. Damit ist es möglich, den nach öffentlichen Protesten etwas eingeschränkten Investorenschutz im Nachhinein wieder auszuweiten.
Das ist in unseren Augen unverantwortlich. Schon gar nicht exklusiv für eine ohnehin priviligierte Minderheit: Menschen die reich genug sind, Investitionen jenseits des Atlantiks zu tätigen.

#2 Demokratische Rechte? Rechte zweiter Klasse!

Diesen weit gehenden Rechten für ausländische Investoren stehen nur schwache Rechte für die Allgemeinheit gegenüber. Eine Menschenrechtsklausel fehlt in dem Abkommen. Es fehlt ein eigenes Verbraucherschutzkapitel, und dem Nachhaltigkeitskapitel fehlen durchsetzbare Vorschriften zum Schutz der Umwelt, dem Kapitel über Handel und Arbeit fehlen verbindliche Arbeitnehmerrechte.
Dennoch ist die die EU-Kommission stolz auf die Verteidigung demokratischer Rechte in CETA. Besonders stolz ist sie auf das “Recht zu regulieren”, das sie im Investitionskapitel verankert hat (Art. 8.9 Abs. 1 CETA ). Tatsächlich wird dieses Recht dort genannt – es wird “bestätigt”. Aber was heißt das? Vermutlich nicht viel, wie der Blick auf eine andere Klausel in demselben Artikel zeigt: “Nichts in diesem Vertragsteil darf so ausgelegt werden, dass eine Vertragspartei daran gehindert wäre, einmal gewährte Subventionen zurück zu nehmen” (Art. 8.9 Abs. 4 CETA, Übersetzung von mir). Das klingt schon ganz anders, nicht wahr?
Wichtig ist beim “Recht zu Regulieren” das was nicht im Vertrag steht. Dieses ist eben nicht in derselben glasklaren Sprache formuliert wie das beim Recht, Subventionen zu streichen. Die Schiedspersonen, die diesen Vertrag auslegen – und die vermutlich industriefreundlich gesonnen sein werden – haben hier eine Steilvorlage. So ernst können die Vertragsparteien dieses “Recht” nicht gemeint haben, dürfen sie denken. Und folglich müssen sie selbst es auch nicht ernst nehmen.
Auch die EU-Kommission bestätigt, dass das vermeintliche Recht zu regulieren nicht mehr ist als eine Auslegungshilfe.

#3 CETA sieht weiterhin Sonderklagerechte für ausländische Investoren vor

Diese Paralelljustiz kann sich gegen unliebsame demokratische Entscheidungen zum Beispiel zum Umwelt- und Verbraucherschutz wenden. Sie gefährdet deshalb die Demokratie. Zudem birgt sie ein unkalkulierbares Kostenrisiko für die öffentlichen Haushalte. Mit CETA bekommen nicht nur kanadische Investoren, sondern auch 80 Prozent aller US-Investoren (über ihre Niederlassungen in Kanada) ein exklusives Sondertribunal, vor dem sie ausschließlich klagen, nicht aber verklagt werden können. Deutsche Investoren in den USA können CETA dagegen in der Regel nicht nutzen.

#4 Öffentliche Dienstleistungen und das Allgemeinwohl sind nur unzureichend vor Wirtschaftsinteressen geschützt

CETA verfolgt einen Negativlisten-Ansatz bei der Öffnung von Dienstleistungen und enthält eine „Sperrklinken-Klausel“. Das bedeutet, einmal erfolgte Privatisierungen können nicht wieder rückgängig gemacht werden. Dieser Ansatz muss zurückgewiesen und ersetzt werden durch eine Positivliste, die klar die Bereiche und Sektoren definiert, die für eine Öffnung in Frage kommen.

#5 Ein sogenannter Regulierungsrat gewährt Lobbygruppen Zugang zu geplanten Gesetzen

CETA sieht die Gründung eines Regulierungsrates (Art. 21.6 CETA) und verschiedener Spezial-Kommitees (Art 26.2 CETA) vor, die Unternehmen und Lobbygruppen einen bevorzugten Zugang zu Informationen über geplante Gesetze gewähren können. Die Lobbyarbeit kann somit beginnen noch bevor die Parlamente debattieren. Das hat das Potenzial, die demokratischen Rechte der Abgeordneten einzuschränken.

#6 Keine Regeln für Umweltschutz, Rechte von Arbeitern und Nachhaltigkeit von Handel

CETA enthält keine effektiven, einklagbaren Regeln, zum Schutz der Umwelt. Ebensowenig enthält es Regeln, um die Rechte von Arbeitern und Angestellten zu schützen und auszubauen. Das Nachhaltigkeitskapitel und das Kapitel zu Handel und Arbeit enthalten nur Unverbindliches.
CETA enthält keinerlei Regeln, die eine grenzüberschreitende öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung von Tarifverträgen oder Leistungsbilanzen bindet, wie eine Anforderung, regional Arbeitsplätze zu schaffen.
Ein Vertrag im Interesse weniger großer Konzerne

CETA ist in seiner derzeitigen Endfassung ein Vertrag im Interesse weniger großer Konzerne, nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

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(Veröffentlicht von Maritta Strasser)

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