Bevölkerungspolitik 9 - Wanderungen
Eigene Kinder oder Einwanderer?
Schulen oder Altersheime?
Kindergeld oder Renten?
Zukunft oder Vergangenheit?
Leben oder Aussterben?
Das ist Bevölkerungspolitik!
Dieser Beitrag setzt die Kenntnis der vorhergehenden Beiträge voraus.
Wanderung bedeutet immer die Bewegung eines Individuums, einer Population, über eine Grenze hinweg in der einen oder anderen Richtung. Folgt man dieser Definition, dann gibt es für die Menschheit insgesamt keine Wanderung, denn die astronomische Grenze Erde wird (bisher) weder verlassen (Auswanderung) noch von außen überschritten (Einwanderung). Geografische Grenzen – große Flüsse, hohe Gebirge, Ozeane, Wüsten – sind heute keine wirklichen unüberwindbaren Hindernisse. Es bleiben die von Menschen willkürlich gezogenen politischen Grenzen.
Die Politik versucht die Wanderungsbewegung zu beeinflussen, zu lenken; und zwar sowohl die Auswanderung als auch die Einwanderung, meist sogar beides gleichzeitig. Die Instrumente reichen von Lockmitteln, zum Beispiel Geldzahlungen und besondere Vorteile gewähren, bis zu Zwangsmitteln brutaler Gewalt zum Beispiel Waffeneinsatz an der Grenze und erschießen.
Trotzdem sind die Wanderungsbewegungen kaum wirklich vorhersehbar und damit planbar, berechenbar. Jeder der in seine Bevölkerungsprognoserechnungen Wanderungsbewegungen einbezieht, geht also allein von seinen Annahmen, Vermutungen, Schätzungen, persönlichen Bewertungen aus. Handwerklich werden Wanderungen also Erhöhung oder Minderung der Zahl der Lebenden in die Berechnungen eingebaut.
Ein anderes Problem ist die Entwicklung der einmal eingewanderten Volksgruppe im Verhältnis zu der Alteingesessenen Volksgruppe. Diese Entwicklung hängt ab von der Sterbetafel – gibt es unterschiedliche Sterblichkeiten der verschiedenen Volksgruppen? - sowie von der Geburtenziffer der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Ein sehr krasses Modell soll dieses Problem zeigen:
Annahmen:
Die Gesamtbevölkerung sei 100 Prozent.
Die Sterblichkeit beider Gruppen unterscheide sich nicht: Es gilt für alle die gleiche Sterbetafel. Die Geschlechterverteilung bei der Geburt ist als Naturkonstante ohnehin für alle Bevölkerungsteile gleich.
Bevölkerungsgruppe A (Alteingesessene) mache bei Start des Modells 99 Prozent der Gesamtbevölkerung aus; die Generation sei 33 Jahre lang (= drei Generationen in 100 Jahren) – in Deutschland ist zurzeit die Generation rund 31 Jahre lang - ; die Geburtenziffer sei 1,0 (= Wachstumsfaktor: 0,5) – in Deutschland liegt zurzeit der Wachstumsfaktor bei rund 0,75.
Bevölkerungsgruppe E (Einwanderer) mache bei Start des Modells 1 Prozent der Gesamtbevölkerung aus; die Generation sei 20 Jahre lang (= fünf Generationen in 100 Jahren); die Geburtenziffer sei 4,0 (= Wachstumsfaktor: 2,0); diese Annahme entspricht einer Geburtenfolge in den Altern 17, 19, 21, 22.
Die Tabelle zeigt den Anfangsbestand (99 und 1) im Jahr 0, sowie den erreichten Wachstumsfaktor der Null-Jährigen.
Jahr A E
0 99 1; Anfangsbestand
20 2
33 0,5
40 4
60 8
66 0,25 16
80 32
100 0,125 64
Der Endbestand im Jahr 100 (bezogen auf die Null-Jährigen) ist also für die A-Gruppe (99 * 0,125 =) 12,375 und die E-Gruppe 64. Die Einwanderer sind also allein durch ihr anderes Geburtenverhalten ganz ohne weitere Einwanderer zur Mehrheitsgruppe geworden.
Was dies real für Deutschland bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen, die nötigen Daten muss man sich allerdings beim Statistischen Bundesamt selbst zusammensuchen. Viel Spaß!
Fortsetzung folgt.
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14.06.2020
Hermann Müller
Bentierode
Bentieröder Bruch 8
D-37574 Einbeck