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Gedanken zum Kommunalsystem in Nordrhein-Westfalen

Sommerzeit ist Saure-Gurken-Zeit. Interessante Neuigkeiten gibt es da oft nur wenige. Da ist das Gezerre um den Duisburger Oberbürgermeister schon eine kleine Sensation, die zumindest für Duisburg unbekannt und ungewohnt ist. Gelegenheit und Grund genug, sich ein paar allgemeine Gedanken über kommunale Strukturen zu machen.

Der Ansatz, den (Ober-)Bürgermeister direkt vom Volk wählen zu lassen, ist erst einmal gut und richtig. Die gewählte Person erhält so eine demokratische Legitimation.

Vor einigen Jahren wurde das Amt des Oberbürgermeisters mit dem des Oberstadtdirektors zusammengelegt. Der oberste Repräsentant einer Stadt ist jetzt auch deren oberster Verwaltungsleiter. Die Schwächen dieses Systems treten nun offensichtlich zu Tage.

Oberbürgermeister kann jeder werden, der Zweiradmechaniker, Koch und Glasapparatebauer wie der Gleisbauer. Irgendeine praktische Erfahrung in Verwaltungsdingen ist nicht erforderlich. Im Zweifelsfall muß sich ein Oberbürgermeister eben auf die Unterstützung durch die Fachabteilungen verlassen. Ein Nichtjurist kann sich nicht in Büchereiangelegenheiten, Sozialrecht, Volkshochschule, Verkehrswesen, Stadtmarketing, Abfallwirtschaft und Strukturpolitik gleichermaßen auskennen, um nur einige Beispiele zu nennen. Mal abgesehen davon, daß eine solche Struktur keine Tradition bei uns in Nordrhein-Westfalen hat, bleibt auch die Frage, wie sinnvoll sie ist.

Der Oberbürgermeister ist die "oberste Dienstbehörde" einer Stadtverwaltung. In seinem Namen wird jeder Brief unterschrieben. Klagt jemand vor einem Gericht, wendet sich dieses Rechtsmittel gegen den Oberbürgermeister. Welch falschen Eindruck dieses antiquierte Rechtsinstitut hervorruft, zeigen die gegenwärtigen Ereinisse. Unabhängig von Ort, Zeit, Person und Partei wird der jeweilige Amtsinhaber für alles verantwortlich gemacht, was in seinem Namen geschieht, und zwar unabhängig davon, ob er tatsächlich irgendwie an dem Ereignis beteiligt war oder nicht. Welch dramatische Auswirkungen das haben kann, sehen wir ja jetzt.

In der Rechtsprechung gibt es wohl auch einige andere Fiktionen. Als Dienstvorgesetzter übt ein Oberbürgermeister - zumindest in der Theorie - jederzeit die Dienst- und Fachaufsicht aus. In der Praxis wird sich ein Oberbürgermeister aber darauf verlassen müssen, daß seine Fachverwaltung richtig entscheidet. Dafür ist e aber auch auf kompetentes Personal angewiesen. Inwieweit eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung im ausreichenden Umfang und die Delegation von Verantwortung und Aufsicht möglich ist, sollte vor Ort entschieden werden können.

Die Frage der internen Kommunikation ist gleichfalls wichtig. Den beteiligten Fachabteilungen müssen alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen und zwar ungeachtet ihrer Relevanz. Natürlich gibt es die Fiktion, daß eine Information überall bekannt ist, wenn ich sie irgendwo in der Verwaltung mitteile. In einer institutionell wie flächenmäßig großen Verwaltung wie einer Stadtverwaltung kann das natürlich ein Problem sein. Informationen dürfen nicht unter Verschluß gehalten werden, weil sie irgendjemandem nicht gefallen. Es muß eine moderne und zeitgemäße Bürokommunikationstechnologie (FAx, Telefon --> Festnetz und Handy, funktionierende Computerprogramme) vorhanden sein. Dazu gehören auch Führungskompetenzen der Mitarbeiter in Führungspositionen. Am effektivsten arbeitet die Verwaltung, die zeitgerecht und geräuschlos die richtigen Entscheidungen trifft. Karrieredenken, Intrigen oder gar Größenwahn dürfen nicht zu benennbaren und bezifferbaren Schäden führen.

Daher sollte auch einmal darüber nachgedacht werden, wie übergeordnete kommunale Aufsichtsbehörden arbeiten. Daß sie das geltende Recht beachten müsen, ist sicherlich unbestritten. Es ist aber auch die Frage, wie sie das tun. Geht es in Zeiten klammer kommunaler Haushalte nur darum, möglichst große Einsparpotentiale zu finden und den Menschen und Firmen immer mehr Steuern und Abgaben aufzubürden? Oder beteht auch die Verpflichtung, daß es bedarfsgerechte stadtverwaltende Strukturen gibt und die richtige Person zur rechten Zeit am richtigen Ort sitzt? Das erfordert natürlich nicht nur juristische und betriebswissenschaftliche Kenntnisse, sonder auch personalwirtschaftliches Fachwissen. Inwieweit eine Behörde wie eine Bezirksregierung in dieser Hinsicht gut aufgestellt ist, kann ich nicht beurteilen.

Wie sieht die ideale Stadtverwaltung aus? Eine pauschale Antwort wird es schon alleine deswege nnicht geben könenn, weil die Verhältnisse vor Ort doch sehr unterschiedlich sind. Ein paar grundsätzliche Antworten werden Bundes- und Landespolitik aber durchaus in den kommenden Monaten geben müssen. Muß ein Oberbürgermeister unbedingt ein kommunaler Wahlbeamter sein? Oder sind auch andere Beschäftigungsformen denkbar? Wie und in welchem Umfang haftet ein Oberbürgermeister bei nachgewiesener objektiver und individueller Schuld? Ist es denkbar, einen hauptamtlichen Oberbürgermeister nur für Repräsentationsaufgaben zu beschäftigen? Wie muß die Kommunalaufsicht sachgerechter ausgerichtet und aufgestellt werden? Da die Oberbürgermeister oft genug auch die städtischen Interessen auf Bundes- und Landesebene vertreten, bleibt die Frage, ob die Landespolitik nicht im Zweifelsfall eine gewisse Neutralität udn Schutzfunktion dem jeweiligen Politiker (und damit auch seiner Person und Familie) gegenüber hat.

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