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Rathaus Rheinhausen

"Das Gebäude am Körnerplatz geht auf die Zeit zurück, als es einen Ort namens Rheinhausen noch gar nicht gab. Tatsächlich verbindet sich mit dem Gebäude die künftige Stadtwerdung in der Mitte zwischen den dörflichen Gemeinden und der zu den Krupp’schen Hüttenwerken gehörenden Margarethensiedlung, aus denen Rheinhausen in der Folge zusammenwuchs. Noch 1909 hatten die Gemeinden Hochemmerich und Friemersheim eine Vereinigung mit Bliersheim abgelehnt, aber drei Jahre später bekräftigte die Gründung eines „Zweckverbandes für die Mittelschule der Gemeinden Hochemmerich und Friemersheim“ den Willen zur Zusammenarbeit, um dem Drängen der wachsenden mittelständischen Bevölkerung nach Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder nach zu kommen. Eine höhere Schule war notwendig geworden nicht zuletzt im Interesse der Hüttenwerke, die laut Satzung von 1913 ein Drittel der Unterhaltskosten für die neue Schule trugen.

Der Bau des Schulgebäudes mit angegliedertem Wohnhaus des Direktors war 1915 während des Ersten Weltkrieges beantragt worden, der Rohbau war im Juli 1916 fertig, aber erst am 26. Oktober 1918 erfolgte die Schlussabnahme durch die Bauaufsichtsbehörde. Zunächst sollte es eine gemeinsame Mittelschule für Jungen und Mädchen bis zur Obertertia werden, aber Anfang 1916 Schule. Ansicht von Osten, ca. 1916 entschloss man sich zur Teilung, um den damals sehr unterschiedlichen Unterrichtsinhalten einer Realschule für Jungen und einer höheren Mädche schule gerecht zu werden. Beide Schulen bezogen zum Schuljahr 1916/17das neue Gebäude, aber dort wurde es bei steigenden Schülerzahlen bald eng: kamen 1910 auf knapp 20.000 Einwohner noch 1134 Schüler, stieg die Zahl 1915 bereits auf 1598 und 1920 auf 1745. Weil zudem 1924 die Realschule für Jungen zur Oberrealschule mit Abitur erweitert worden war, begann man mit einem zusätzlichen Neubau an der Schwarzenbergstraße nach den Plänen des damals führenden Schulbauexperten Ernst Vetterlein aus Hannover. Im Gebäude am Körnerplatz verblieb die seit 1928 als Lyzeum anerannte Mädchenschule allerdings auch nur bis 1932, denn bedingt durch die
Weltwirtschaftskrise sank die Zahl der Schülerinnen rapide. Das Lyzeum konnte das große Gebäude nicht mehr unterhalten und zog ebenfalls in den Neubau Schwarzenbergstraße um.
Während dieser Zeit entwickelte sich Rheinhausen zur selbstständigen Stadt,nachdem am 1.9.1923 unter Einfluss der französischen Besatzung der linksrheinischen Gebiete die Dörfer Bliersheim, Friemersheim und Hochemmerichunter Einbeziehung der Krupp’schen Hüttenwerke mit der zugehörigen Margarethensiedlung zur „Bürgermeisterei Rheinhausen“ zusammengefasst wor-
den waren. Natürlich brauchte diese neue Stadt auch ein Rathaus und zunächst war ein prächtiger Neubau geplant worden. Dann aber entschieden sich die Stadtväter pragmatisch für eine Umnutzung: Das frei gezogene Schulhaus am Körnerplatz erwies sich als hervorragend geeignet und so wurde am 28. Oktober 1935 der Bauantrag gestellt für die „anderweitige Nutzung und Veränderung des früheren Lyzeums“ zu Büros der Gemeindeverwaltung in allen Räumen der Schule. Das Erdgeschoss des ehemaligen Direktorenwohnhauses beherbergt seit damals das Standesamt mit Trauzimmer.
Als dann 1939 auch noch südlich ein zweigeschossiges Gebäude für die Polizeidienststelle angefügt wurde, wandelte sich die Ostansicht des Komplexes zu einer repräsentativen Dreiflügelanlage.
Obwohl es an dem Gebäudekomplex keine Kriegsschäden gegeben hatte, nahm man nach dem Zweiten Weltkrieg die Modernisierung und den weiteren Ausbau des Rathauses in Angriff. 1952 wurde die Turnhalle durch Einziehen einer Zwischendecke in zwei Büroetagen geteilt, 1954 gestaltete man die Aula zum Sitzungssaal um und 1969 zog die Rathauskantine in die Kelerrräume. In den Treppenhauskern kam ein Aufzug. 1970 schließlich entstand auf der Ostseite die verglaste Vorhalle als neuer Haupteingang in das damalige Rathaus und heutige Bezirksamt nach der Eingemeindung nach Duisburg
1975. Dies war der gravierendste Eingriff und der einzige, der das äußere Bild veränderte. Die denkmalgerechte Sanierung im Inneren einschließlich Brandschutzmaßnahmen und behindertengerechter Einrichtung erfolgte 2006.

Der Körnerplatz bildet heute im Ortszentrum von Rheinhausen die Mitte eines Wohnquartiers, dessen Straßen wie dieser Platz Dichternamen tragen. Allerdings war das Gebäude früher mit seiner Haupteingangsseite nach Westen zu der noch bestehenden Wiese zwischen Platanen ausgerichtet. Dort vor dem früheren Hauptportal ist der Vorplatz in seiner Grundstruktur noch sichtbar, eingefasst von einer niedrigen Mauer und Buschwerk. Der Weg dorthin führt nicht geradlinig, sondern im Winkel von Norden heran, wo ein einstufiger Durchgang durch Mauerpodeste markiert ist. Deren Aufsätze in Form von Steinkugeln sind verloren. Der dreigeschossige, langgestreckte Hauptbau bildet eine symmetrische Anlage unter hohem Walmdach mit betonter Mitte. Der südlich anschließende Aulaflügel knickt im Winkel ab und schließt den oben genannte Vorplatz ein. Das äußere Gesamtbild prägt der Wechsel von dunkelrotem Klinker für die Wandflächen und hellem Tuffstein am hohen Sockel, an den flachen Erkern der Ostseite, für die Fenster- und Türrahmungen, die in regelmäßigen Reihe übereinander angeordnet sind, und für ein Gesims, das bandartig das zweite Obergeschoss umläuft. Reliefs mit bildlichen Darstellungen, bekrönende Vasen und Skulpturen tragen zu der prächtigen Ausgestaltung bei. Die Dachzone des Hauptflügels zeigt nach Westen über leicht erhöhtem Mittelteil zwei geschweifte Ziergiebel mit Rundfenstern. Darüber ragt der quadratische Uhrenturm auf mit umlaufender Galerie und Laternenaufsatz, die Wetterfahnezeigt die oben erwähnte Kanone und die Jahreszahl „1915“. Zum Eingangsportal in der Mitte der Westfassade führt eine Freitreppe hinauf. Die breite Rahmung um die hölzernen Türflügel trägt Reliefs mit Darstellungen aus der germanischen Sagenwelt, der Schlussstein des bogenförmigen Oberlichts darüber zeigt eine Eule als Zeichen der Weisheit, die den Schülern hier vermittelt
werden soll.
Die Ostseite des Gebäudes bildete früher die Schulhofseite mit Türen in einem Arkadengang im Mittelteil des hohen Sockelgeschosses. Davor steht heute der rundum verglaste, flache Eingangspavillon mit seiner Rückwand in seegrünen Keramikplatten. Über dem Pavillon ziert das Wappen von Rheinhausen das Farbglasfenster in einem eigens aufgesetzten Aufbau. Obgleich dies früher die Rückseite des Gebäudes war, ist auch diese Fassade reich gegliedert und mit einem Dreiecksgiebel bekrönt. In dem Mittelbau unter dem Giebel liegt das Haupttreppenhaus, belichtet durch bandartig übereinander stehende Fenster mit Relieffeldern dazwischen. Seitlich von diesem Mittelteil
gliedern im Hochparterre eingeschossige, dreifenstrige Erker die Gebäudefront. Auch die beiden Seitenansichten des Hauptgebäudes zeigen, soweit sie nicht von Anbauten verdeckt werden, eine aufwändige Gliederung mit flachen Mauervorsprüngen und dreigeteilten Fenstern, für die im zweiten Obergeschoss Hermenfiguren die Trennungspfosten bilden.

Der südlich angefügte Aulaflügel umfasste ursprünglich im Untergeschoss dieTurnhalle und darüber die Aula. Entsprechend gliedern sich die Außenfrontenüber dem Sockel in zwei hohe Fensterreihen mit Relieffeldern dazwischen.
Den Wandabschluss bildet ein Kranzgesims und darüber nach barockem Vorbild eine Attika, die von einer Reihe Rundfenster durchbrochen ist. Diese Fenster belichten das Dachgeschoss unter flachem Tonnendach. Als Bekrönungüber der Attika lagert auf beiden Seiten eine Löwenskulptur, denn der Löwe ist das Wappentier von Rheinhausen. Unten in den Sockel wurden nach Einzug der Zwischendecke für die neuen Büroräume zusätzliche Fenster eingebrochen. Ein eigenes Treppenhaus an der Schmalseite des Aulaflügels ermöglicht den direkten Zugang zur früheren Aula, dem heutigen Sitzungssaal. Die blockhaft gerahmte zweiflügelige Türe in der schmalen Westfassade wird vonEckpfeilern eingefasst und von einem Reliefband bekrönt. Über der Türe erscheinen Kranz und Schwert als Zeichen von Sieg und Ruhm mit der Jahreszahl „1916“. Dies verweist sowohl auf das Datum der Baufertigstellung als auch nochmals auf die Krupp’schen Werke und die damals noch vorherrschende Gewissheit, dass der Erste Weltkrieg für Deutschland siegreich enden würde. Den oberen Abschluss dieser kleinen, aber anspruchsvollen Fassade bildet ein gestufter Giebel mit seitlichen Voluten und bekrönenden Vasen.
Das zweigeschossige ehemalige Schulleiterhaus mit Mansarddach auf fast quadratischer Grundfläche schmiegt sich nördlich an den Hauptbau und ist mit diesem über einen Zwischentrakt verbunden. Dies ist wörtlich zu nehmen, denn aus dem Obergeschoss gab es einen Verbindungsgang direkt in das Direktorenzimmer, das heutige Amtszimmer des Bezirksvorstehers. Die Türe ist dort in der hölzernen Wandvertäfelung verborgen. Das obere Wohngeschoss des Hauses beleben außen gußeiserne Zierbalkone. Auch hier befand sich der
Haupteingang ehemals auf der Westseite mit doppelläufiger Treppe und vorgelagertem Ziergarten, während zum heutigen Eingang nur eine einläufige Treppe hinauf führt. Die Ausstattung des Trauzimmers im Erdgeschoss stammt aus den 1950er Jahren mit Wandvertäfelungen, darin eingefügt das hinterleuchtete Glasbild „Familie“ von Karl Sigmund Färber.

Das südlich an den Hauptbau ebenfalls über einen Zwischentrakt angefügte Polizeigebäude gliedert sich in den Büroteil, der dem Schulleiterhaus entsprechend gestaltet wurde einschließlich Mansarddach und umlaufendem Simsband in Höhe der Obergeschossfenster. Daran schließt ein einfacher gestalteter Trakt an, der früher die Arrestzellen enthielt. Auf der Nordseite belichtetein großes, beide Etagen umfassendes, dreiteiliges Fensterfeld das Treppenhaus. Der hoch gelegene Eingang befindet sich an der Ostseite mit rundbogigem Portal, über dem glatten Türrahmen ist ein Adler als Hoheitszeichen angebracht.
Die Raumaufteilung in dem Schulgebäude entsprach zeitgemäßen Vorstellungen von einer umfassenden geistigen und körperlichen Bildung: Es waren Lehrräume für Physik und Chemie vorgesehen, im Dachgeschoss über der Aula sollten naturgeschichtliche und andere Sammlungen untergebracht werden und im Obergeschoss des Nordflügels ein Zeichensaal mit Modellsammlung, dazu der großzügige Schulhof sowie die Turnhalle mit gesondertem Turnhof im Süden des Aulaflügels. Sogar ein Elternsprechzimmer war einge plant. Die Erschließung von zwei Seiten mit einem weiträumigen Treppenhaus, von dem die Mittelflure mit ihren Reihen von Klassenzimmern abzweigen, verbindet den älteren „Kasernentyp“ im Schulbau mit der Forderung nach viel Licht und Bewegungsfreiheit.
Vom Westportal aus gelangt man durch den kleinen, mit expressivem Dekor in Naturstein ausgestalteten Vorplatz und über eine innen liegende Steintreppe zum Niveau des Hochparterre als dem ersten Hauptgeschoss hinauf. Auf der anderen Seite führt aus dem heutigen Eingangspavillon eine doppelläufige Treppe auf dieselbe Ebene. Obgleich die Innenräume verändert und im Wandbrunnen im zweiten Obergeschoss im Zuge der letzten Sanierung in einheitlichem Farbkonzept neu gestaltet wurden, ist in den Mittelfluren die ursprüngliche Gliederung mit vor die Wandvorgestellten Mauerpfeilern, die mit Kämpfersteinen abschließen, erhalten.
Das zugehörige Wandabschlusssims ist über den abgehängten Decken mit integrierter Beleuchtung verborgen. Die hölzernen Flurtrennwände mit Glaseinsätzen jeweils am Ende der Flure wurden aus Brandschutzgründen in modernem Nachbau ersetzt. Aus der ersten Bauzeit stammt noch der Wandbrunnen im zweiten Obergeschoss gegenüber dem Treppenabsatz. Das doppelläufige
Haupttreppenhaus weist noch das ursprüngliche schlichte Eisengeländer auf, während die Erschließung im Aulaflügel für die neuen Büroetagen verändertwurde. Von den Innenräumen sieht nur das Zimmer des Bezirksvorstehers im Hauptgeschoss noch so aus wie zu Zeiten der Schuldirektoren mit Deckenkehle, Wandpfeilern wie in den Fluren sowie Holzvertäfelung und Wandschränken. Der Sitzungssaal im Seitenflügel wurde 1954 eingerichtet mit Parkettboden und abgehängter Decke, die Gliederung mit Wandpfeilern und das Bühnenpodium verweisen noch auf die ursprüngliche Funktion als Aula. Die Zuschauerempore, auf die man über zwei quer verlaufende, schmale Treppenaufgänge hinauf gelangt, war früher die Galerie. Das Attikageschoss über dem Sitzungssaal war schon in der ersten Baubeschreibung für Sammlungen vorgesehen und diente viele Jahre als Ausstellungsraum für den aus Mülheim-Speldorf gebürtigen Keramiker Josef Hehl (1885-1953). 1952 hatte die Stadt Rheinhausen, in der der Künstler zeitweilig seine Werkstatt gehabt hatte, einen bedeutenden Teil seiner Gefäße und Skulpturen angekauft. Zunächst wurden einige im Stadttheater gezeigt, dann im Obergeschoss des Polizeigebäudes und schließlich ab 1967 hier über dem Ratssaal. Da Hehl jedoch den
größten Teil seines tätigen Lebens in Xanten verbracht hat, wurde die Sammlung 2002 als Schenkung an die Stadt Xanten übergeben. Einige Stücke verblieben in Rheinhausen und sind heute im Treppenhaus im 1. Obergeschoss ausgestellt" berichtet die Stadt Duisburg in der Broschüre "Duisburger DenkmalThemen 1 Rathaus Rheinhausen".

Das Gebäude beherbergt heute die Räumlichkeiten des Bezirksamtes und der ARGE, der Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung für Arbeitssuchende in Duisburg. Die Räumlichkeiten sind hell, freundlich und großzügig gestaltet.

Zumindest in den Fluren ist die ehemalige Nutzung als Schule noch deutlich zu sehen. Die Flure sind für den normalen Publikumsverkehr eines Bezirksamtes fast schon zu großzügig gestaltet. Eine Gedenktafel für die Toten der beiden Weltkrieg gibt es in dem Gebäude übrigens auch. Sie wirkt wie ein Fossil aus einer längst vergangenen Zeit.

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