Kolumne: Über die Freundschaft
Für den griechischen PhilosophenAristoteles ist die Freundschaft ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft. Noch höher als die Gerechtigkeit soll der Staat die Freundschaft schätzen. In der griechischen Polis gab es keine öffentlichen Dienste wie Polizei und Feuerwehr, so war jeder auf das Wohlwollen des anderen angewiesen. Wer in Ämter gewählt werden wollte, mußte sich das Wohlwollen der Menschen sichern. Eine Reihe der als „Freundschaft“ bezeichneten Verhältnisse würde heute nicht mehr unbedingt als solche bezeichnet.
Aristoteles hält Freundschaft nicht für ein vergleichendes Phänomen, bei dem einem der eine Mensch mehr Freund ist als der andere. Er kategorisiert vielmehr die verschiedenen Freundschaften. Als erstes teilt er sie in die „Freundschaft unter Gleichen“ und die „Freundschaft unter Ungleichen“ und schließt gleichzeitig die Freundschaft zu unbeseelten Dingen aus.
Die Freundschaft unter Gleichen gilt für gleichgestellte Bürger. Sie sind einander ebenbürtig. Diese Freundschaft unterteilt Aristoteles weiter in Nutzen-, Lust- und Tugendfreundschaft. Die Nutzenfreundschaft bringt die Menschen zu einem Zweck zusammen. Fällt dieser Zweck weg, ist die Freundschaft gefährdet, wenn nichg gar beendet. Ähnliches gilt für die Lustfreundschaft, die rein affektiv begründet ist. Diese beiden Arten sind zerbrechtlich Stabil dagegen ist die Tugend- oder Charakterfreundschaft. Sie ist die Freundschaft um des Freundes willen.
Die Freundschaft unter Ungleichen bei Aristoteles würde vermutlich eher als Ehrerbietung bezeichnet. Sie beschreibt nicht nur das Verhältnis zwischen den Generationen, sondern auch das Verhältnis des Menschen zum Staat. So muss nach Aristoteles die Asymmetrie der Hierarchie durch einen Mehraufwand von philia seitens des Unterlegenen ausgeglichen werden. Der Sohn muss dem Vater mehr Respekt entgegenbringen als umgekehrt, so wie der Bürger mehr in den Staat investiert, als er unmittelbar zurückbekommt.
Liegt bei diesem philosophischen Amsatz aus der Antike wirklcih der heutige Begriff der Freundschaft zugrunde? Es ist eher anzunehmen, daß wir bei dieser Form der gegenseitigen Abhängigkeit von Seilschaften, Vetternwirtschaft und möglicherweise von Lobbyarbeit refden.
Denn um was geht es? Freundschaft ist hier etwqs unpersönliches, was sich nicht im zwischenmenschlichem Berich, sondern auf der gesellschaftlichen Ebene abspielt. Brauche ich Feuerwehr, Polizei und / oder Krankenwagen, mußte ich mir in der Antike - im Gegensatz zu heute - ganz konkrete, namentlich benennbare Freunde suchen. Wer mich zum Krankenhaus bringt oder hilfte, Brände zu löschen, der ist ein Freund.
Heute sind solche "Freundschaften" institutionalisiert. Als Bürger gebe ich einen Teil meins Einkommens, so daß bestimmte Berufgsgruppen (Polizisten / Feuerwehrleute / Notärze) für ihre Arbeit bezahlt und ausgestattet werden.
Und was ist von der "Freundschaft unter Ungleichen" zu halten? Hier gibt es mehrere Denkansätze. Zum Beispiel das berühmte Kennedy-Zitat: "Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern frage, was du für den Staat tun kannst."
WIr alle sind die Gesellschaft sowie der Staat. Jeder von uns hat verschiedene Talente und Charaktereigenschaften mit auf den Lebensweg bekommen. Es gilt, sie nicht nur zum eigenen Wohle, sondern auch zum Nutzen aller einzusetzen.
Und was ist mit der Respektwürdigkeit? Was ist von einem sog. Nachtwächterstaat zu halten, der seinen Bürgern bestensfalls äußere Sicherheit sowie eine gewisse Grundversorgung bietet?
Das läßt sich auch auf die familiäre Ebene herunterbrechen. Was ist von Eltern zu halten, die kaum in der Lage sind (oder willens?), ihren Kindern eine gewisse Grundversorgung in Form von Nahrung und Kleidung zu bieten? Respekt und "Freundschaft" müssen auch im familiären Umfeld verdient werden.
Und im realpolitischen Leben erleichtert zwar der persönliche Zugang = Freundschaft das Tagesgeschäct. Tatsächlcih entscheiden strategische Interessen, wer wen unterstützt bzw. sich wem abwendet. Wer mit wem kann, geht dann eine sog. Zweckfreundschaft ein.
In der täglichen Praxis dürfte es Schwierigkeiten geben, für jede Fallgestaltung das richtige Wort zu finden Zu viele Interessen und deren Konstellationen spiele dabei ein Rolle, insbesondere was den beruflichen und gesellschaftlichen Alltag anbelangt.