Kolumne: H-Bahnen
H-Bahnen sind automatisch gesteuerte Großkabinen-Hängebahnen. Es handelt sich dabei um eine unabhängige Bahn, die auch ohne Fahrpersonal in den Fahrzeugen betrieben werden darf.
Großer Meister Xi Yi?
Ja, Herr Dipl.-Ing.?
Ich habe eine Idee, wie wir unsere neue Hängebahnkonstruktion besser vermarkten können!
Nämlich?
Düsselberg ist ja unsere Partnerstadt in Deutschland. Die Stadt hat ein sehenswertes Hafengebiet, eine Universität, eine Fußball-Bundesligamannschaft, zahlreiche Kunstmuseen, ein Schloß u. v. m.
Ja, und? Kommen Sie auf den Punkt, Meister Deng Mao!
Das örtliche Verkehrsunternehmen heißt Düsselthal-Bahn. Wir kaufen uns dort ein, bauen Streckenabschnitte zu den eben genannten Zielen und nutzen das als werbenden Markteintritt in den niederrheinischen Markt.
Moment mal - sagten Sie eben Düsselberg? GIbt es da nicht schon einen Flughafen mit einer H-Bahn?
Genau; das gibt es. Unsere Technologist aber ausgereifter. Wir können nicht nur Personen bei Bedarf befördern, sondern auch Güter und Materialien. Eine Straßenbahn gewissermaßen als Lastkrafttransporter. Das kann auch für Unternehmen interessant sein, Apotheken, Paketzusteller, Pizzyoten, Getränkelieferanten, Einkaufsservice usw. usf.
(Zeitungsartikel)
Das chinesische Staatsunternehmen Hanging Train International Ltd. hat sich bei der Düsselthalbahn eingekauft und für 25.000 € Firmenanteile übernommen. "Wir sehen das als strategische Partnerschaft," berichtet Aegidius Theobald Baron von Geram - Freiherr von Wettelaar. "Wir führen neue, experimentelle Verkehrstechnologien aus dem Reich der Mitte ein, kostenlos für uns wohlgemerkt, bekommen die Fahrzeuge geliefert und die Fahrstrecke gebaut und können im Gegenzug verkehrstechnische Experimente in unserer Partnerstadt Chengda durchführen."
Was ist mit dem Ausdruck "verkehrstechnische Experimente" gemeint? Der niederrheinische Landadelige hält sich in dieser Hinsicht zwar reichlich bedeckt; die Vermutung, daß es sich um fahrerlose Omnibusse handelt, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
"Nein, nein, es geht um neuartige Antriebsmodelle," wiegelt Wendelin Strohsack, der leitende Ingenieur ab. Können Busse mit Solaranlagen auf dem Dach fahren? Kann man Busse nachts in Kompostanlagen parken und die dort entstehenden Biogase als Antriebsmittel nutzen? Gibt es schon Schaufelradbusse für Reisen in ufernahen Flußdeltas, quasi für Sightseeing-Landschaftsrundfahrten? "Wir haben da schon viele Ideen, die wir im Großraum Chengda besser ausprobieren können als im Düsselthal."
(2 Jahre später, dieselbe Zeitung)
Die technologische Zusammenarbeit zwischen der Düsselthalbahn und der Hanging Train International wurde vor wenigen Tagen offiziell beendet. Die Chinesen werden zwar ihre Infrastrukturprojekte in Düsseldorf - wie geplant - mit Milliardenaufwand fortsetzen. Einen Technologietransfer in Richtung Ostasien wird es aber nicht mehr geben. "Es gab einfach zu viel Industriespionage."