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Der Rheinländer

Der Rheinländer – Wunsch und Wahn. Mit diesem Thema beschäftigt sich meine Doktorarbeit. Als Ethnologe soll ich diesen ganz besonderen Menschenschlag auf die Spur kommen. Doch wie das anfangen? Genau: Ich werde verschiedene Leute dazu befragen.

„Sing, mein Rheini, sing / Es ist ein eigen Ding / Hör ich den Jecken schrein? / Fang ich Kamelle ein.“ Es ist schon ein seltsames Lied, mit dem mich Karnevalsprinz Fridolin I empfängt. Ein weißes Gesicht mit roten Lippen und grünen Wangen hat er, eine schwarze Melone auf dem Kopf, rote krause Haare quellen darunter vor. Eine schwarze Hose, eine Jacke im Schachbrettmuster und ein rosafarbenes Rüschenhemd ergänzen das Bild. So also sieht der Rheinländer aus Köln aus, wenn die fünfte Jahreszeit anbricht.

Herr Pfarrer, Sie sind Pfarrer hier in Kevelaer.

Genau, in der „Pfarrkirche des heiligen Zeloten“.

Wie würden Sie den Rheinländer beschreiben?

Gläubig.

Wie „gläubig“? Nur gläubig?

Der Rheinländer ist tiefgläubig und römisch-katholisch.

Also nicht neukatholisch, orthodox oder gar evangelisch?

Nein, nein, so etwas Unanständiges gibt es nur im Fernsehen.

Ich bin auch im schnellen Brüter in Kalkar gewesen. Was denn ihre Spezialität wäre, habe ich den Betreiber gefragt. „Unsere Gastronomie,“ antwortet Fritz-Tobias Müller-Mayer. „Wir bieten leckere und schmackhafte Omeletts aus Pinguin-Eiern. Sie schmecken leicht nussig und sind bei uns der absolute Renner.“ Ein Atommeiler wurde zu einem riesigen Kühlschrank umgebaut. Dort leben ungezählte Pinguine, die auch regelmäßig Eier legen. „Unser Spezialfutter macht`s möglich,“ behauptet Müller-Mayer. Der zweite ehemalige Atommeiler ist dann wirklich ein schneller Brüter. „Dort gibt es spezielle Brutkästen für die Pinguineier. Innerhalb kürzester Zeit sind die Eier kochfertig,“ betont Müller-Mayer. Die Erlebnis-Gastronomie kann die Pinguineier also in kürzester Zeit nutzen. Die Schlagen vor der Gastronomie zeigen, daß die Betreiber ein Erfolgsrezept entdeckten. Ist der Rheinländer also ein cleverer Geschäftsmann?

Sehen Sie den ausgestopften Fisch da drüben? Dieser Fisch ist etwas ganz Besonderes. Er ist der letzte lebende Fisch, der bei Emmerich aus dem Rhein gefischt wurde. Ich muß es ja wissen. Ich bin ja in meinem bisherigen Berufsleben nicht nur der Leiter des Rheinmuseums gewesen. Davor war ich für viele Jahre Fischer auf dem Rhein. Ich habe in Emmerich und Umgebung meine Netze ausgeworfen. Konnte ich anfangs noch Lachs an Land bringen, war es dann nur noch Aal, Makrelen und Hering und am Ende ein paar Goldfische. Als ich diesen ausgestopften Goldfisch gefangen habe, war der Rhein dann endlich leergefischt. Also mußte ich mir einen anderen Job suchen, der irgendwas mit den Fischen und der Binnenschiffahrt zu tun hat. Da bot mir die Stadt Emmerich die Stelle als Leiter des Rheinmuseums an. „Der letzte Rheinschiffer soll ehren- und würdevoll in Rente gehen,“ lautete die Begründung der lokalen Honoratioren. Wie ich heiße, fragen Sie? Veit Stenzelfrau heiße ich.

Sie sehen es, liebe Leser: Schräge Vögel sind die Menschen am Niederrhein, skurril, aber liebenswert.

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