Zum Düsseldorfer Appell: Freiheit ist immer Freiheit der anders Denkenden, sich zu äußern
In der heutigen Ratsversammlung wurde über die interfraktionelle Resolution „Für Solidarität und Demokratie – Unterstützung des Düsseldorfer Appells“ debattiert und abgestimmt.
Abgestimmt wurde über folgenden Antragstext: „Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf unterstützt den Offenen Brief „Für Solidarität und Demokratie“ des Düsseldorfer Appells mit dem Ziel, auch in der Pandemie für unsere gemeinsamen Werte einzutreten und die negativen Auswirkungen der Pandemie auf das Wohl unserer Gesellschaft einzudämmen.“
Dazu merkt Torsten Lemmer, Ratsherr und Geschäftsführer der Ratsgruppe Tierschutz / FREIE WÄHLER an: „Wie könnte man gegen Solidarität und Demokratie sein? Wie könnte man gegen die Unterstützung des Düsseldorfer Appells abstimmen? Wie könnte man guten Gewissens als solidarischer, demokratischer Staatsbürger gegen diesen Antragstext stimmen?
Deshalb habe ich gerne und mit voller Überzeugung mit JA gestimmt.
Zu dem Kontext des Antragstextes, des offenen Briefes und den Diskussionen, die in den letzten Wochen in der Stadtgesellschaft geführt wurden, möchte ich noch einiges anmerken.
Erstens: In der Rheinischen Post war am 28. Januar 2022 zu lesen, dass OB Keller „an die Bürger aus der Mitte der Gesellschaft [appeliert], sich von Umzügen mit Beteiligung Rechtsextremer fernzuhalten. … „Wenn Extremisten mit Fackeln durch die Städte laufen, dann kann und will ich nicht neutral sein“, betonte Keller. Kritik an Einzelmaßnahmen sei in einer Demokratie selbstverständlich und nicht zu beanstanden. „Aber wer sich mit Radikalen und Verschwörungstheoretikern abgibt, die Politiker und Journalisten bedrohen, muss mit unserer Ablehnung rechnen“, betonte der Rathaus-Chef.“
Dazu ist festzustellen, dass die Polizei auf ihrem Presseportal in Düsseldorf nicht von Extremisten mit Fackeln oder von Bedrohungen von Politikern und Journalisten spricht. Dort ist zu lesen, dass die Demonstrationen der letzten zwei Samstage weitestgehend störungsfrei verliefen.
Weiß der OB hier mehr?
Und wie passen diese Aussagen zu der folgenden, veröffentlicht vom WDR? Zitat: „Nach Angaben des Landesinnenministeriums sind in NRW in der Woche bis Montag (17.01.) in NRW bei 314 Versammlungen rund 55.000 Menschen im Zusammenhang mit Corona auf die Straße gegangen, etwa 5.700 davon waren Gegendemonstranten. Das Protestmilieu sei "zersplittert und fragmentiert". Unter den Teilnehmern seien Menschen aus der bürgerlichen Mitte, aber auch Verschwörungsmythiker, Corona-Leugner und Esoteriker.
Der Verfassungsschutz schätzt, dass der Anteil von Rechtsextremen und Reichsbürgern bei den Demos in NRW bei höchstens zehn Prozent liegt. Beispielsweise hätten sich Ende des vergangenen Jahres in Bochum Mitglieder der NPD beteiligt. In Olpe sei der rechtsextreme "Dritte Weg" dabei gewesen, in Dortmund "Die Rechte".
Es gibt aus anderen Städten auch andere Eindrücke als in Düsseldorf, wo die Demo in der Gesamtschau eher einen bürgerlichen Eindruck machte.“
Zweitens: OB Keller schreibt in seinem Newsletter vom 31. Januar 2022, dass „die Pandemie droht, unsere Gesellschaft zu spalten. Natürlich kann man über Corona-Maßnahmen diskutieren und auch darüber trefflich streiten, ob in den vergangenen zwei Jahren Pandemie immer alles optimal gelaufen ist. Was allerdings nicht geht, ist, sich radikalen Strömungen und Verschwörungstheoretikern anzuschließen. Denn das fügt der Gesellschaft großen Schaden zu.“
Ähnlich ist auch im Düsseldorfer Appell zu lesen: „Wir rufen daher alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich nicht an Anti-Corona-Demonstrationen und sogenannten ‚Spaziergängen‘ zu beteiligen, die von Rechtsextremen organisiert oder unterwandert werden und bei denen die Hygieneauflagen missachtet werden.
Wer mit Rechtsextremen und Demokratiefeinden mitläuft, macht sich schuldig und gefährdet unsere Demokratie!“
Begründet wird dies wie folgt: „In der Vergangenheit haben viele Tausende Düsseldorferinnen und Düsseldorfer schon oft ihr Gesicht auf der Straße gegen Antisemitismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus gezeigt. Als Düsseldorferinnen und Düsseldorfer stehen wir auch jetzt zusammen und treten für unsere gemeinsamen Werte ein, ohne Andere in Gefahr zu bringen. Da das aktuelle Infektionsgeschehen größere Demonstrationen auf der Straße nicht zulässt, erheben wir mit diesem offenen Brief unsere Stimme gegen Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Antisemiten und rechtsextreme Ideologen.“
Genau so sehe ich es auch. Man darf, ja muss, über die Corona-Maßnahmen der letzten zwei Jahre diskutieren. Das darf man aber eben auch draußen, an der frischen Luft. Wenn es erlaubt ist, dass hunderte – oder tausende – in einem Fußballstadion, an der frischen Luft dem Spielgeschehen zusehen dürfen, warum sollten dann nicht auch hunderte – oder tausende – in einem Demonstrationsaufzug tun dürfen?
Schließe ich mich als Zuschauer in einem Fußballstadion den dort auch anwesenden Randalieren und Gewaltbereiten an, wenn ich Fußball schaue?
Schließe ich mich als Teilnehmer an einem Demonstrationsaufzug den dort auch anwesenden Rechtsextremen und Demokratiefeinden an? Zumal dann, wenn – siehe oben – der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen feststellt, dass die Demo in der Gesamtschau eher einen bürgerlichen Eindruck machte?
Deshalb drittens und zusammenfassend, um Mißverständnisse vermeiden zu helfen: Das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, ist ein in Artikel 8 Grundgesetz geschütztes Grundrecht, welches, wenn es unter freiem Himmel stattfindet, durch Gesetz beschränkt werden kann.
Wer also in Düsseldorf friedlich, unter Corona-Bedingungen und gegen Corona-Maßnahmen demonstrieren möchte, sollte dies weiterhin tun dürfen. Wenn es während des Aufzugs zu Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten kommt, dann müssen die Behörden einschreiten, so wie sie es auch in den letzten Wochen getan haben.
Wenn in Düsseldorf andere gegen diese Aufzüge demonstrieren wollen, dann sollen auch sie dies bitte friedlich und unter Einhaltung der Corona-Bedingungen tun.
Wir leben in einem freien Land. Hier muss man es aushalten, dass andere anders denken. Erinnert sei an Voltaire, „Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt“ und Rosa Luxemburg „Freiheit ist immer Freiheit der anders Denkenden, sich zu äußern“.
Quellen der Presseveröffentlichungen:
RP 28.01.2022
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/darum-lehnt-die-duesseldorfer-stadtgesellschaft-radikale-corona-demonstrationen-ab_aid-65731707?utm_medium=Social&utm_source=Facebook#Echobox=1643390958
https://www.presseportal.de/blaulicht/nr/13248 und https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/13248/5133570 (29.01.2022) bzw. https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/13248/5128008 (22.01.2022)
https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/coronademos-rechte-verfassungschutz-100.html
Foto: pixabay