Schul-Bildung und Menschwerdung.... erste Schritte...
Plenum berät über Weiterentwicklung des Schulsystems Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause haben sich die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen auf einen Schulkonsens geeinigt, der für zwölf Jahre Ruhe in die traditionell hitzige Diskussion um die richtige Schulstruktur – gegliedert oder gemeinsam – bringen soll. Heute hat der Landtag in einer Sondersitzung zwei Gesetzentwürfe dieser drei Fraktionen beraten. Einer sieht die Schaffung einer zusätzlichen neuen Schulform „Sekundarschule“ vor, in der Kinder getrennt, zusammen oder teilweise zusammen lernen sollen und die sowohl auf eine Berufsausbildung vorbereiten wie auch den Weg zum Abitur öffnen kann. Der zweite Gesetzentwurf hat zum Ziel, die in der Landesverfassung festgeschriebene Garantie für die Hauptschule aufzuheben. Die Fraktionen begründen dies mit immer geringeren Anmeldezahlen. Einen großen Schritt für die Zukunft der Bildungspolitik in NRW und in Deutschland sah Klaus Kaiser (CDU) im Kompromiss. Darüber hinaus empfand er die Handlungsfähigkeit über Parteigrenzen hinaus als Mittel gegen Politikverdrossenheit. Wichtig war ihm zu betonen, dass es darum gehe, jedes Kind in den Mittelpunkt zu stellen, dabei keines zu unter- oder überfordern und ein Schulangebot in Wohnortnähe zu erhalten. Ebenfalls betonte Kaiser, dass die neue Sekundarschule ebenso gut auf die Berufsausbildung vorbereiten solle, wie sie die Möglichkeit zum Abitur eröffne. Die Schulen und Schulträger bekämen künftig mehr Freiheit und mehr Verantwortung. Der CDU-Politiker freute sich, dass das gegliederte Schulsystem künftig in der Verfassung anerkannt werde. Heute beginne eine neue schulpolitische Zeitrechnung, freute sich Sören Link (SPD). Verfassung und gesellschaftliche Wirklichkeit stimmten nicht mehr überein, erklärte er die geplante Verfassungsänderung. Wegen des demographischen Wandels und des geänderten Elternwahlverhalten fehle der Hauptschulgarantie die Grundlage für den Verfassungsrang. Künftig garantiere die Verfassung ein vielfältiges Schulangebot in allen Landesteilen und erkenne dabei sowohl das gegliederte Schulsystem als auch integrierte Formen an. An der geplanten Sekundarschule lobte er, dass sie die Kinder flexibel zu allen Schulabschlüssen bringe und entsprechend fördere. Der gesetzliche Anspruch auf individuelle Förderung könne sich nun besser im Unterricht manifestieren. Sigrid Beer (Grüne) sah drei gute Gründe für die Debatte. Dass das Schulsystem gerechter, leistungsfähiger und Schulen wohnortnah sein müssten, habe die überparteiliche Bildungskonferenz eingefordert. Zum zweiten habe der Modellversuch Gemeinschaftsschule Blockaden in der Schullandschaft gelöst. Ein Viertel der NRW-Schulträger habe sich auf den Weg gemacht. Den dritten Grund sah Beer in der Freiheit und Verlässlichkeit für die Schulen. „Gute Schule wird vor Ort gemacht“, sagte sie und bekräftigte das Vertrauen von CDU, SPD und Grünen in die Schulentwicklung vor Ort. Sie bedauerte, dass FDP und Linken dieses Vertrauen in die kommunale Basis offenbar fehle. Den Konsens schrieb sie auch einer neuen Gesprächskultur statt alter Oppositionsreflexe zu. Der Kompromiss bedeute den Einstieg in die Abschaffung der Differenzierung in NRW, fürchtete Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Sie kritisiere, dass mit der Sekundarschule eine zweite integrierte Schulform eingeführt werde. Mit dem vollintegrierten Unterricht sei sie inhaltlich nichts anderes als die Gemeinschaftsschule. Als entscheidendes Problem der Sekundarschule machte die Abgeordnete einen Zwang zum gemeinsamen Unterricht aus. Zwar sei auch teilkooperatives und differenziertes Lernen möglich, erwünscht sei es aber nicht. Zu befürchten stehe außerdem eine gewaltige Ausweitung von pseudogymnasialem Unterricht. Ein Schulkonsens, fügte sie schließlich hinzu, dürfe nicht die Schullandschaft zerfasern und Kommunen gegeneinander aufbringen. Bärbel Beuermann (Linke) bezeichnete den heutigen Freitag als schwarzen Tag für die NRW-Schulpolitik. Sie begründete dies mit der Festschreibung des gegliederten Schulsystems in der Verfassung. Obwohl die Bildungskonferenz gefordert habe, die Verfassung an die Realität anzupassen, geschehe nun das Gegenteil. Die Linke kritisierte, dass bei der konkreten Ausgestaltung von Sekundarschulen nicht der Elternwille, sondern die politische Ratsmehrheit zähle. Insbesondere SPD und Grüne sah sie weit von deren Wahlversprechen entfernt. Wählerinnen und Wähler, die die Parteien wegen des gemeinsamen Lernens bis zum Ende der Pflichtschulzeit gewählt hätten, seien nun enttäuscht. Beuermanns Fazit zum, wie sie fand, „faulen Kompromiss“: „Welch ein Sieg für die CDU!“ Das nun vorliegende Gemeinschaftswerk zeige, wozu Politikerinnen und Politiker fähig seien, wenn sie die Bedürfnisse derjenigen in den Mittelpunkt stellten, für die sie Politik machten, sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Den Weg, Kommunen mehr Möglichkeiten zur Ausgestaltung ihres Schulangebots zu geben, seien auch Skandinavien und Kanada bereits erfolgreich gegangen. Klar sei, dass die Schule zum Bedarf in der Kommune passen müsse. Angebote, die die Eltern nicht annähmen, brächten schließlich nichts. Die Ministerin betonte, dass keine Schule von Landesseite abgeschafft oder zwangsfusioniert werde. Auch der Respekt vor der Landesverfassung habe übrigens zum Handeln animiert. Als historischen Schritt bezeichnete Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Aussicht auf zwölf Jahre Schulfrieden in NRW. Neben dem Konsens als Wert an sich nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Schulstruktur lobte Kraft eine „Politik aus den Augen der Kinder und der Eltern“. Dies sei ein Durchbruch, den man gar nicht hoch genug hängen könne.