Das Haus in Montevideo - Quirrlig-burleske Komödie gefällt
Auf der Freilichtbühne am Mangoldfelsen:
Mit Wetterglück und viel Applaus in die Saison gestartet
Die Komödie "Das Haus in Montevideo" und das ewig-schöne Märchen "Aschenputtel" stehen 2011 auf dem Programm des Theaters Donauwörth. Am letzten Samstag im Juni hat die Saison mit der erfolgreichen Premiere des Komödienklassikers nach Curt Goetz begonnen.
Alles steht oder fällt mit einer perfekten Organisation des Familienlebens, insbesondere wenn man Professor ist wie Traugott Nägler, und dazu noch eine Frau und zwölf muntere Kinder hat. Ordnung, Regeln, Moral, e i n System, nach dem alles läuft? Oder eher doch zwei Moralsysteme, eines, das gepredigt, eines das g e l e b t wird? Nun, ob der Professor (meisterlich von Bernd Zoels gespielt) sich diese Einsicht Georg Bernhard Shaws bewusst zunutze macht oder ob er durch Beruf und mangelnden Wohlstand zum Moralapostel geworden ist, bleibt offen. Jedenfalls ändert sich für ihn und die Familie alles, als die Erbschaft der verstorbenen (und ehemals aus dem Haus vor vielen Jahren wegen eines unehelichen Kindes vertriebenen) Schwester ansteht.
Um die eindrucksvolle Erbschaft antreten zu können, muss der Professor jedoch und seine Tochter Atlanta (Monika Berchtenbreiter) erst nach Montevideo reisen. Wie ist er wirklich, der Sittenstrenge, der Schulmeister, stets mit einer lateinischen Sentenz auf den Lippen - Moral kennt keine Fehler, Menschen machen Fehler - und wo bleibt das Leben?
Wo Menschlichkeit und Herz? Über Moral ließe sich wohl ein ganzes Leben lang reflektieren, ohne auch nur eine einzige Sekunde w i r k l i c h zu leben ... .
Tantalos-Qualen muss der allmählich im temperamentvollen Südamerika auftauende Professor erdulden, da das Erbe nur dann seiner Tochter zufällt, wenn sie unehelich ein Kind erwarten sollte - wie einst ihre Tante, die er aus dem Haus getrieben hatte.
Ob es ein Happy End gibt? Ob Traugott seinem Herzen folgen oder - ja, eigentlich welcher? - Versuchung erliegen wird? Turbulent, humorvoll, manchmal auch ziemlich grell, wirbelt die Komödie über die Freilichtbühne, schön von allen gespielt, eine Geschichte, die Fragen aufwerfen kann und - wie Wolfgang Schiffelholz als Regisseur im Libretto anmerkt - auch soll, Fragen nach dem Wesentlichen im Leben, nach dem Kostbaren, nach Toleranz und Menschlichkeit. Die Komödie selbst lässt allen Gedanken genügend Raum und Zeit zur eigenen Reflexion, ist sie doch schließlich wie ein großer Spiegel, in dem sich Zeit und Gesellschaft neu manifestieren können ... .
Foto: Auf der Freilichtbühne am Mangoldfelsen: Vor großem Publikum gelang eine humorvolle, von Applaus immer wieder spontan begleitete Premiere, ein perfekter Start in die neue Saison.
Schade dass jenes Wetterglück der Premiere sich nicht sommerlich ausgewachsen hat: Eine Freilichtbühne ist naturgemäß davon auch abhängig.
Ungeachtet dessen, brachte (und bringt) die Freilichtbühne am Mangoldfelsen mit ihren Ensembles des Theaters Donauwörth ein Stück Donauwörth in die Stadt hinein, das kostbar ist: Es ist das freie Spiel der Gedanken durch Menschen dieser Stadt, realisiert auf der Bühne, eigentlich ein Dialog auch zu aktuellen und immer zentralen Themen, ein Dialog durch Bilder, der, den Bedürfnissen der Zuschauer folgend, sich im Einzelnen, aber auch in kleinen Gesprächskreisen über die Saison hinaus auch fortsetzen kann.
Wer solche kulturellen Events, durch die Menschen vor Ort, als bloße "Dekoration" oder als Luxus abtut, unterschätzt die starke Kraft des Kreativen, das das soziale und kulturelle Leben einer Stadt nicht nur bereichert, sondern in allen Gesellschaftsbereichen t r ä g t .
Mir zumindest bleibt, wenn in der kommenden Woche die Saison zu Ende geht, alles, was ich d u r c h die beiden Bühnenstücke, das Aschenputtel und das Haus in Montevideo, erleben durfte, in lebendig-schöner Erinnerung ... .