Natur! Eine kleine Betrachtung
Die Natur.
Aphoristisch (Goethe, 1780)
Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen - unvermögend, aus ihr herauszutreten, und unvermögend, tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen.
Sie schafft ewig neue Gestalten; was da ist, war noch nie, was war, kommt nicht wieder - alles ist neu und doch immer das Alte.
Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremde. Sie spricht unaufhörlich mit uns und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Wir wirken beständig auf sie, und haben doch keine Gewalt über sie.
Sie scheint alles auf Individualität angelegt zu haben, und macht sich nichts aus Individuen. Sie baut immer und zerstört immer, und ihre Werkstätte ist unzugänglich.
Sie lebt in lauter Kindern, und die Mutter, wo ist sie?
Oh, darauf zielte ich auch nicht, ganz im Gegenteil: Noch wird so oft propagiert, Natur könne vor allem dann harmonisch sein, wenn der Mensch ausgeklammert werde; nein, wesenhaft besteht gerade darin eine zentrale Aufgabe unserer Zeit, dass menschliche Kultur in allen ihren Facetten harmonisch und im Einklang mit der Natur existiere, der Mensch kreativ die Evolution aufgreift und mit-wirkt.
Gerade weil der Mensch auch aus der Evolution hervorgeht, kann er aktiv und im Sinn der Evolution mitwirken - kreativ mitwirken.
Denn umgekehrt finde ich es auch fahrlässig, was manche zu suggerieren versuchen, nämlich, dass der Mensch ein "kosmisch-evolutives" Zufallsprodukt sei. Zufallsprodukt scheinen mir vielmehr derartige Spekulationen - und auch marginal, denn sie treffen mitnichten wesenhaft die Bedeutung menschlicher Kultur in Vergangenheit und Zukunft.-