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Herbstzeitlese in Donauwörth: Diskussion mit Nevfel Cumart

Streiflichter durch moderne türkische Literatur
Nevfel Cumart referierte über Orhan Pamuk, Adalet Agaoglu und weitere bedeutsame Autoren türkischer Literatur

Was fällt Ihnen zu moderner türkischer Literatur ein? Erschreckend wenig? Schade eigentlich, schade nicht nur deswegen weil sie viele reizvolle Facetten moderner Weltliteratur ebenso in sich vereint, nicht nur weil viele Mitmenschen türkischer Herkunft unter uns leben, unsere Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde sind.
Schade vor allem auch weil sie uns Gegenwart und natürlich auch Geschichte einer ebenso nahen wie exotischen Weltkultur vermitteln kann.

Nevfel Cumart, renommierter und engagierter Autor, Übersetzer und vor allem mit 12 Gedichtbänden emsiger Lyriker der “jüngeren Generationen türkischer Literatur”, referierte und diskutierte auf der Herbstzeitlese in Donauwörth - eine spannende Einführung in moderne türkische Literatur, nicht zuletzt durch seine Präsentation wichtiger Autoren und deren Werke.

Filialleiterin Stella Cramer, Seitz&Auer Donauwörth, freute sich, endlich nach eMail- und regen Telefonkontakten persönlich Nevfel Cumart begrüßen zu können: an diesem Abend eröffnete sich für einen zwar kleinen, aber interessierten Hörerkreis eine spannende Einführung.

Ob Orhan Pamuk (Literatur-Nobelpreis 2006), in dessen Werk Selbstfindung und Identitätskrise eine große Rolle spielt, etwa in “Schnee” (2005), “Das neue Leben” (1998), “Das schwarze Buch” (1995) oder “Die weiße Festung” (1990), Adalet Agaoglu, Zülfi Livaneli, der ebenso engagiert auch als Sänger, Komponist und im Filmgeschäft international arbeitet - sie alle können uns durch ihre Romane türkische Literatur der Gegenwart eröffnen.

Warum wissen wir eigentlich so wenig von türkischer Literatur? Nevfel Cumart interpretierte diesen Umstand: Wer will schon Bücher einer Nation lesen, deren Menschen wir als Gastarbeiter und Reinigungskräfte bislang nur kennengelernt haben? Ob diese verblüffend einfache Erklärung tatsächlich trifft oder nicht: noch bis 1970 wurden in einem Jahr kaum mehr als ein Dutzend türkischer Bücher ins Deutsche übersetzt!

Heuer trat als Gastland die Türkei auf der Frankfurter Buchmesse auf, bereits 2006 schaute die Weltöffentlichkeit auf Orhan Pamuk, der als bis dahin völlig unbekannter Autor (auch in der Türkei) schlagartig berühmt wurde.
Und es lohnt sich: Zweifellos kann eine Übersetzung nicht vollständig den besonderen Reiz der türkischen Sprache in sich aufnehmen, nicht die für uns oft wenig vertraute Intensität der Metaphern, die dem Türkischen eigen ist, widerspiegeln - aber viel von der zentralen Eigenschaft jeglicher Literatur, nämlich neue und fremde Sichtweisen, Lebenswelten und -stimmungen zu vermitteln, zu vielleicht fernen und doch nahen Erfahrungsweisen aufzubrechen, das vermögen gerade die genannten Autoren auf vortreffliche Weise.

Gerade jenes in den literarischen Arbeiten aufgegriffene Spannungsfeld zwischen Moderne und religiöser Tradition spielt in den zentralen Werken der Gegenwart naturgemäß eine große Rolle. Vielleicht können uns die so sich eröffnenden Geschichten neu vergegenwärtigen, was über alle Unterschiede kultureller Ursprünge und Modalitäten hinaus Menschsein in seinem Wesen bedeutet - die Kernfrage der Literatur schlechthin quasi mit den Parametern einer Weltkultur, die Islam und Modernität gerade heute neu in ihrem Verhältnis zu definieren sucht.

Foto: Nevfel Cumart, freier Schriftsteller und Übersetzer aus Bamberg, führte durch eine Lesung bei Seitz&Auer Donauwörth in die türkische Literatur der Gegenwart ein. Unterhaltsam, ja spannend zeigte sich ein Abend, der einem interessierten Zuhörerkreis auch durch Diskussion und Fragen wesentliche Aspekte moderner türkischer Werke, insbesondere Romane, aufzeigte.

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2 Kommentare

"Literatur, die Islam und Modernität gerade heute neu in ihrem Verhältnis zu definieren sucht" – danke für diesen wichtigen Gesichtspunkt und den eindringlichen Bericht.

Ja, die türkische Literatur und Kultur - auch an höheren Schulen, dem Gymnasium z. B. - spielte in meiner Schulzeit eigentlich keine Rolle.

Im Geschichtsunterricht tauchte dann dies und jenes auf, etwa das Schlagwort "Der kranke Mann am Bosporus".

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