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“Werner Egk und der Erfolg der Zaubergeige”

Herbstzeitlese in Donauwörth:
Vortrag Dr. Heike Lammers-Harlander in der Stadtbibliothek

Mit ihrem Referat über Werner Egks Zaubergeige (1935, Neufassung: 1954) und insbesondere seinen Anfängen als Künstler, die in die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland hineinweist, griff Dr. Heike Lammers-Harlander eine komplexe, nach wie vor in der Fachliteratur heißdiskutierte Thematik auf: Welche Rolle spielte Werner Egk, Ehrenbürger Münchens und Donauwörths, im NS-Regime?

Zunächst skizzierte die Referentin anhand biografischer Dokumente, Tagebuchaufzeichnungen Egks und seiner Frau Elisabeth die künstlerischen Anfänge nach, sein zunächst autodidaktisches Studium, sein Lernen in Augsburg, bei Carl Orff, ein langer Weg, Tourneen mit einem Puppentheater, zu dem klassische Musik gespielt wurde, dann in seiner Zeit in Berlin Begegnungen mit Kurt Weill, Bert Brecht, der künstlerischen Avantgarde.

Dominierte bis dahin noch eine romantisch-klassische Stilistik in seinem Komponieren und seinem Interesse, wandte er sich jetzt avantgardistischen Formen der Musik zu, die später im NS-Staat als “entartete Kunst” diffarmiert wurde.

Anders als Kurt Weill, der 1933 bei der Machtergreifung der Nazis Deutschland verließ, blieb Werner Egk in Deutschland. Von 1930 bis 1933 wirkte Egk für den Bayrischen Rundfunk, wo er auch 1935 als Gastdirigent seine Karriere als Orchesterleiter begann, die er zwischen 1936 und 1940 als Kapellmeister an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin fortsetzte.

Von 1941 bis 1945 war Leiter der Fachschaft Komponisten der STAGMA (Staatlich anerkannte Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte) in der Reichsmusikkammer, und insbesondere dieser Umstand, in einer derart exponierten Position während der NS-Diktatur Karriere gemacht zu haben, führte wohl nicht zuletzt dahin, dass er nach dem Krieg u. a. vom Musikkritiker Kurt Boehmer angegriffen wurde.

Aber Werner Egk wehrte sich gegen die Vorwürfe, opportunistisch im NS-Staat als Nazi-Komponist gewirkt zu haben. 1947 klagte er gegen seinen Kontrahenten vor dem Landgericht München - es kam zu einem Vergleich:

„Als 1933 der nationalsozialistische Barbarismus die Herrschaft in Deutschland antrat, war es eine große Enttäuschung, das die geistige Führerschicht anstatt Widerstand zu leisten, einer nach dem anderen mit dem Nationalsozialismus paktierte. Der Widerstand erlahmte dadurch immer mehr, die Klarsehenden vereinsamten und wurden machtlos. Es besteht zu allen Zeiten und für alle den Durchschnitt Überragenden die Verpflichtung Vorbild zu sein. Jeder, der seine Leistung und seinen Namen dem Nationalsozialismus zur Verfügung stellte, hat damit eine Schuld auf sich geladen. Auch Egk kann dieser Vorwurf nicht erspart werden“ [Zitat: Urteil der Spruchkammer München-Land Mü-La 146/46/3636 vom 17. Oktober 1947].

Ja, Werner Egk erkannte wie viele andere nicht, was sukzessive mit Hitlers Machtergreifung von 1933 an passierte: eine systematische Gleichschaltung, Ausrichtung der Gesellschaft und ihrer Institutionen, einer Transformation des gesamten sozialen Lebens, die schließlich im Holocaust kulminierte und erst mit der bedingungslosen Kapitulation Hitler-Deutschlands 1945 endete.
Aber darf man allein aufgrund seiner beruflichen Position als Leiter der Fachschaft Komponisten behaupten, Werner Egk sei ein fanatischer Nazi und grenzenloser Opportunist gewesen? Sein musikalisches Werk lediglich Ausdruck einer unterstellten, rigorosen Anpassung an die nationalsozialistische Ästhetik?

Dr. Lammers-Harlander zeigte an stilistischen und inhaltlichen Momenten der Zaubergeige auf, wie wenig Egk darin auf die ihm wohl bekannten Normen der nationalsozialistischen Ästhetik und Ideologie einging - im Gegenteil. Ein zeitgenössischer Musikkritiker - der ganz und gar durchdrungen von der Ästhetik der Nazis - bemerkte sehr wohl, dass mit der Zaubergeige Egks “etwas nicht stimmte”: Seiner Meinung nach entspreche sie in manchem noch nicht vollkommen den “Idealen einer völkisch-reinen” Ästhetik - aber immerhin Egk sei ja doch insgesamt auf einem guten Weg.

Werner Egk genoß innerhalb des NS-Regime umfassend Protektion: Tatsächlich schrieb Joseph Goebbels nach den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin in sein Tagebuch: “Ich bin ganz begeistert und der Führer auch, eine Neuentdeckung für uns beide.” Übrigens erhielt Werner Egk für seine „Olympische Festmusik“ eine olympische Goldmedaille in der Kategorie Orchestermusik, und 1944 stand Egks Name auf der sog. “Gottbegnadeten-Liste” der wichtigsten Komponisten im NS-Staat.

Sollte man etwa Richard Wagners geniale Musik für Nazi-Propaganda halten, nur weil bekanntlich alle Nazi-Größen von Hitler angefangen bis zum kleinsten Gauleiter die Bayreuther Festspiele schätzten und ihren jährlichen Kult auf dem Festspielhügel zelebrierten?

Es wäre schade, wenn Werner Egks Musik allmählich in Vergessenheit geraten würde, da sein Wirken im NS-Staat vielen nach wie vor suspekt erscheint: Egk war kein Widerstandskämpfer, auch kein Opfer des NS-Staates, er machte Karriere im NS-Staat, aber anders als z. B. Carl Orff suchte er keine opportunistische Anpassung an die Nazi-Ästhetik, sondern seinen individuellen Weg als Künstler und Komponist.

Heute können wir nur spekulieren, was geschehen wäre und wie sich sein Werk als Komponist entwickelt hätte, wenn er wie Kurt Weill 1933 emigriert wäre. Heute wissen wir, dass keinem in der Öffentlichkeit der NS-Gesellschaft Wirkenden es de facto auf Dauer möglich gewesen ist, “neutral” zu bleiben: Neutralität konnte es in Anbetracht der rigorosen Kulturpolitik des NS-Regimes nicht geben. Bleibt also Werner Egks Werk und Nachlass mit dem Stigma behaftet und wird tabuisiert, weil er durch seine berufliche Position und sein Wirken keinen Widerstand geleistet hat gegen den Horror des Nationalsozialismus? Gegen den Holocaust?
Die Zukunft wird es zeigen. Dr. Heike Lammers-Harlander jedenfalls ist es in ihrem Referat in der Stadtbibliothek gelungen, eine differenzierende Sicht auf Werner Egks “Zaubergeige” im engeren Sinn und auf sein musikalisches Werk von 1933 bis 1945 anhand einer argumentativ überzeugenden, sachlich begründeten, biografischen Interpretation zu entfalten.-

Foto: Evelyn Leippert-Kutzner (rechts im Bild), Leiterin der Donauwörther Stadtbibliothek, freute sich, zahlreiche Gäste zum Referat von Dr. Heike Lammers-Harlander begrüßen zu können. Der Vortrag fand im Rahmen der Donauwörther Herbstzeitlese in Zusammenarbeit mit dem Historischen Verein e. V. statt.

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1 Kommentar

Ein wichtiger Beitrag zur Diskussion, wie ich finde. Die doch relativ komplexe Thematik lässt offensichtlich keine Schwarz-Weiß-Beurteilungen zu.-

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