Status quo bayerischer Familien- und Bildungspolitik
Status quo bayerischer Familien- und Bildungspolitik
Dr. Simone Strohmayr referierte im Hotel Drei Kronen Donauwörth
Zu einem politischen Diskussionsabend (am 7. September) im Hotel Drei Kronen in Donauwörth hatte der Ortsverband der SPD die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Dr. Simone Strohmayr aus dem bayerischen Landtag gewinnen können. Sie referierte zu aktuellen Brennpunkten aus Familien- und Bildungspolitik in Bayern und in unserer Region, insbesondere zu brisanten Problemen im Kontext des neuen Kindergartengesetzes (BayKiBiG) und dem Konzept für eine regionale Schulnetzplanung.
Dr. Strohmayr aus Stadtbergen bei Augsburg, seit 2003 im bayerischen Landtag, fokussierte in ihrem rund einstündigen Referat, das eine engagierte und emotional ausgesprochen vitale Diskussion anregte, zunächst gravierende Probleme, die aus den umfassenden Änderungen des bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz („Kindergartengesetz“) entstanden sind.
Bis zu dieser inzwischen realistierten Gesetzesnovelle gab es keine gesetzliche Regelung der Finanzierung: nun richtet sich diese substantiell nach der Anzahl der Kinder einer Betreuungseinrichtung. Mit Einführung der Neuerung sorgte deren komplizierte Form für ein grenzenloses Wirrwarr; abgesehen von mangelnder Transparenz weist die Neuregelung entscheidende Nachteile für die Kinderbetreuung an sich, die Kindergärten und die Eltern auf: die ausschließliche Ausrichtung der Finazierung p r o Kind impliziert, dass eine intensive, kindgerechte Betreuung erschwert und nicht gefördert wird. Betreuungsädaquate Kleingruppen erscheinen nach der Reform als nicht realisierbare Wunschvorstellung, da kaum mehr finanzierbar.
Sprachförderung und Integration behinderter Kinder kann nicht im ausreichendem Maß aufgrund dieser fehlenden Finanzierungsbasis von den jeweiligen Einrichtungen angeboten werden. Darüber hinaus wirkt sich für berufstätige Eltern die sog. Gastkinderregelung besonders nachteilig aus: wenn sie nämlich eine Kindertagesstätte a u s s e r h a l b ihres Wohnortes wählen (eben z. B. aufgrund ihrer Berufstätigkeit bei Pendlern), kann u. U. die staatliche Förderung wegfallen, falls die Kommune nämlich einen erforderlichen Antrag ablehnt. Die engagierte Landespolitikerin (und gelernte Rechtsanwältin) ist bereits jetzt mit Klagen betroffener Eltern befasst, bei denen dies der Fall ist: Versagt die Kommune ihre Zustimmung, bleibt den Eltern nichts anderes übrig, als vor den zuständigen Amtsgerichten Widerspruch einzulegen. Noch laufen entsprechende Verfahren, in denen Simone Strohmayr Eltern unterstützt, ihre begründeten Ansprüche durchzusetzen. „So wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Bayern mit Füßen getreten,“ unterstreicht die Landtagsabgeordnete.
„Hier m u s s das Gesetz dringend nachgebessert und ein solides Finanzierungskonzept vorgelegt werden!“
Ganztagsklassen nach dem Bedarf und nicht nach der Kassenlage einrichten
Im zweiten Teil ihres Berichts wies Dr. Strohmayr auf einen weiteren sozialen Brennpunkt in Bayern hin: die flächendeckende Einführung adäquater Ganztagsbetreuung an den Schulen. Bereits im Vorjahr habe das Plenum im Landtag einstimmig (!) einen diesbezüglichen Beschluss verabschiedet.
„Die Realität sieht derzeit aber etwas anders aus: anstatt dass zusätzliche Ganztagsklassen eingerichtet werden, werden die bestehenden Ganztagsklassen von Anmeldungen überrollt, wie z. B. die Schule in Königbrunn Süd. Der dortige Schulleiter erhält Jahr für Jahr zahlreiche Anfragen von Eltern aus anderen Gemeinden [...] da es an ihrem Ort kein derartiges Angebot gibt!“
„ Der Bedarf ist also da,“ folgert die Politikerin und kritisiert die fehlenden Finazmittel.
Als ein Diskussionsteilnehmer auf die seiner Meinung nach groteske Schulwegsituation im Landkreis aufmerksam macht, dass „Schüler aus Gemeinden, die an Neuburg näher liegen, nach Harburg auf die Schule geschickt werden“, legt Dr. Strohmayr dar: „Leitmotiv der SPD-Landtagsfraktion für die Schulentwicklung im ländlichen Raum ist der Erhalt der wohnortnahen Schule in Bayern. Die SPD fordert daher, zusammen mit den Gemeinden und Landkreisen ein Konzept für eine bayernweite Schulnetzplanung zu erarbeiten.“
Der absehbare Rückgang der Schülerzahlen von 1 474 000 im Jahr 2005 auf voraussichtlich 1 189 000 im Jahr 2020 wirke sich nicht homogen im Freistaat aus, sondern höchst unterschiedlich: In Ballungsräumen wie München oder Nürnberg/Fürth/Erlangen müssten die Schulen „eher mit Zuwachs rechnen“, während in ländlichen Regionen der Bevölkerungsschwund auch auf die Schülerzahlen drücken werde. Die CSU setze auf Schulschließungen, „wie dies am Beispiel von Teilhauptschulen bereits deutlich wurde.“ Ein solches Konzept lehnt Simone Strohmayr ab, da dies „weder kindgerecht noch familienfreundlich ist und zusätzlich die ländlichen Gebiete in ihrer regionalen Entwicklung nicht nur einschränkt, sondern sogar schwächt.“
Die sachlich geführten, mit zahlreichen Beispielen aus ihrer alltäglichen politischen Arbeit illustrierten Argumentationen fanden kräftigen Beifall in der Diskussionsrunde, die bereits auf den kommenden Parteitag des SPD-Unterbezirks am 7. Oktober in Rain am Lech blickte, zu dem im Vorfeld der Diskussion einen Deligiertenwahl stattgefunden hatte. Zweifellos dürfte Simone Strohmayrs Ankündigung, zukünftig kontinuierlich vor Ort am politischen Leben teilnehmen zu wollen, viele erfreuen, denn der Diskussionsabend im Hotel Drei Kronen hatte gezeigt, dass sie auf soziale Brennpunkte der Gegenwart politisch in jeder Weise adäquat einzugehen vermag.-
Diesem Bericht liegt ein entsprechender Artikel aus der WochenZeitung Donau-Ries vom 13. September 2006, Seite 2, zugrunde.