Senta Berger - ein Weltstar in Donauwörth: Interview
Ein Weltstar zu Gast in Donauwörth:
Senta Berger las im Tanzhaus aus ihrer Autobiografie "Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann"
Mit Senta Bergers Lesung aus ihrer inzwischen vielbesprochenen Autobiografie erreichten die Donauwörther Kulturtage einen glanzvollen Höhepunkt: Ihr magisch zu nennender Charme und eine unvergleichliche Rezitation aus ihren Memoiren verzauberte einen Abend lang ein begeistertes Publikum, das sie gebannt auf der literaischen Zeitreise der international renommierten Schauspielerin zurück in ihre Wiener Kindheit der 40er Jahre des Weltkrieges und von da an zu den Anfängen ihrer bedeutenden Karriere in den USA begleitete.
Vor ihrer Lesung und ihrem anschließenden Empfang durch Oberbürgermeister Armin Neudert und seiner Gattin im Merkurstüberl, wo sie sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug, gewährte sie ein Interview, durch das sie uns akzentuiert weitere Einblicke in ihr vielbewegtes Leben als Star gewährt. Das Interview führte für die WochenZeitung Wolfgang Leitner.
WZ: "Frau Berger, Sie haben ein Buch geschrieben, Ihre Autobiografie; gibt es ein Buch, ein Lieblingsbuch, das Sie auf Ihrem Lebensweg, auf Ihrer glamourösen Karriere begleitet hat?"
SB: "E i n Buch? Hm, es sind fast alles Bücher, die ich in einer sehr wißbegierigen Zeit meines Lebens entdeckt habe, und es fällt mir schwer unter ihnen einen Autoren hervorzuheben. Bücher, wie z. B. von Kurt Tucholsky, die Gesamtausgabe von Kästner habe ich natürlich, und beide Autoren haben noch heute für mich Bedeutung – das Tolle ist, dass beide eben recht g'scheite Leit sind, die das Leben mit anderen Augen sehen. Ja, und aus Wien natürlich, da wächst man mit Josef Roth und Arthur Schnitzler auf. Als junges Mädchen habe ich viel Canetti gelesen und Karl Kraus, die wichtigsten Vertreter der mitteleuropäischen Literatur, Ringelnatz und Brecht passen da auch wunderbar hinein. [...] Es ist das Spektrum der klassischen Literatur.
Es gibt da auch Bücher, die ich nur einmal lese... es gibt da z. B. Die Margarete Mur, die holländische Krimi-Autorin, die ihre Kriminalromane so wunderbar schreibt, mit einem so genauen psychologischen Blick auf die Stimmungen und Menschen ... Sie sehen, ich kann mich nicht für e i n e n Autoren entscheiden."
WZ: "Gibt es eine Situation in Ihrem Leben, da Sie sich für die Schauspielkunst definitiv entschieden haben, einen Moment, da Sie wussten: Ich will Schauspielerin werden! Gibt es ein Erinnerungsbild, das für einen solchen Entschluss stehen könnte?"
SB: "Nein, ich glaube auch kaum, dass man nach einem Kino- oder Theatererlebnis solch einen Entschluss plötzlich fasst."
WZ: "Also, eher peu à peu?"
SB: "Ja, ich hatte einen Onkel, der war Prokurist am Wiener Volkstheater, der hat mich in die damals noch nachmittäglich stattfindenden Vorstellungen >eingeschoben<, und da habe ich sehr viele Stücke gesehen, an die ich mich heute noch sehr lebhaft erinnere, Werfel, Shaw, Shakespear, natürlich Nestroy, und langsam hat sich das vermengt mit den Bildern des Kinos, denn in die Filme, die jugendfrei waren, bin ich erst mit 14 reingekommen. [Sie lächelt und fügt hinzu: ] nun, man hat ja immer versucht, zu schummeln ... . Und da gab es so große, bedeutende Eindrücke wie "Vom Winde verweht", mit Vivian Lee, "Endstation Sehnsucht", und dann hat sich das mehr und mehr in diese Richtung bewegt: Ja, das möchte ich auch machen, das möchte ich versuchen."
WZ: "Sie haben lange Zeit in den USA gelebt und gearbeitet: War das die Erfüllung eines Lebenstraumes? Aus der Retrospektive gesehen? Oder mehr ein pragmatischer Schritt?"
SB: "Nein, weder noch. Also, mit Träumen kann ich eigentlich nicht so ... . Ich stelle mir eher vor: ich wünsche mir etwas, ich habe ein Ziel. Und da frägt man sich, wo kann man das am besten machen ... da kann man den Beruf am besten ausüben, und das ist auch heute noch so [Hollywood]. Da werden viele Amerikaner sicher sagen: Das stimmt überhaupt nicht! In Europa kann man das besser, man kann Theater spielen, man kann sogar damit einen Reinfall erleben und dennoch ist deswegen die filmische Karriere nicht beschädigt. In den USA ist es anders: ich kann nicht an den Broadway gehen, und da etwas spielen ... . Ja, in Amerika ist das heute noch so. Da gibt es eine Schar von Beratern. [...]
Damals war es so: Hollywood war noch nicht so fast unerreichbar für europäischer Schauspieler. Das lag noch in der Luft: der Vicky war da, und hat einen Film gemacht mit Brando, Yul Brunner, der Max Schell, der Curd Jürgens spielte mehrere Rollen als SS-Offizier, und anschließend einen Chinesen mit der Ingrid Bergmann. Aber man kann sagen: ich hab' darauf hin gearbeitet ..."
Senta Bergers Handy meldet sich quäkend.
SB: "O Gott, ist das jetzt aber peinlich. Ich will nur schauen, wer da einen Notruf abgegeben hat ... ah, der Mario.. "Unter Verdacht" hat einen Fernsehpreis bekommen ... das freut mich!
["Unter Verdacht" wurde in der Kategorie "beste Ausstattung" (Szenenbild und Kostüme) mit dem deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.]
Tja, wie war das damals? Damals drehten die Amerikaner noch sehr viele Filme in Österreich, besonders Wien. Wien galt eben als >ein Ort des Kalten Krieges". Und ich bin dadurch in eine amerikanische Produktion gekommen, danach spielte ich in einer Walt-Disney-Produktion, hatte auch viel mit Wien zu tun: Walt-Disney machte einen Film über Johann Strauß, und ich war die Mrs. Strauß. Und dann nach den ersten drei amerikanischen Filmen konnte ich mir ausrechnen: irgendwann kommt halt der erste amerikanische Film in Amerika. Und so war's dann auch."
WZ: "Gibt es einen Film, der viel von Ihnen schauspielerisch gefordert hat, aber auch viel Ihnen bedeutet hat? Menschlich-emotional Ihnen viel gebracht hat?"
SB: "Ach, ja. Ich hab' so ein Faible für die "Schnelle Gerdi". Sie hat so Eigenschaften, die man als erwachsener Mensch eigentlich nicht haben darf oder nicht zeigen sollte: Sie ist einfach nicht >domestiziert<, ein Mensch, wunderbar zu spielen, wenn jemand jähzornig ist und ungeduldig ... das ist so ein Kind aus dem Volk mit einem Mundwerk, und ich hänge an ihr, weil mein Mann und ich sie uns ausgedacht haben, und das ist auch eine Rolle, die heute noch nachwirkt: wenn ich in ein Taxi einsteige und höre: jo, is' des net die schnelle Gerdi?" WZ: "Da war es von Vorteil, dass Sie nicht nur Schauspielerin, sondern mit ihrem Mann zusammen auch Produzentin sind...?" SB: "Ja, das ist immer von Vorteil. Damals gab es einen Kreis junger deutscher Regisseure, von denen man damals von "Filmemachern" gesprochen hat. Warum? Weil sie eine Gesamtheit beansprucht haben, nicht nur Empfänger einer Produktionsleitung sein wollten oder eines Drehbuchs ... niemand von ihnen, Kluge, Schlöndorff z. B. war der geschäftstüchtige Ökonom, und trotzdem haben sie so Ende der 60er Erfolg gehabt. Es gab dann eben auch Filme – in unserem Fall mit der Sentana – wie "Die weiße Rose", "Das schreckliche Mädchen", "Die schnelle Gerdi", "Unheilige Ehe", die mir sehr wertvoll sind, Filme in einer Art, die mir sehr lieb' ist." WZ: "Frau Berger, vielen Dank für dieses interessante Interview." Gekürzte Fassung des Interviews vom 20. Oktober 2006 im Donauwörther Tanzhaus.
In der WochenZeitung Donau-Ries erschien mein Interview mit Senta Berger am 25. Oktober 2006.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich Evelyn Leuppert-Kutzner danken, die sowohl Senta Berger nach Donauwörth eingeladen hat, wie auch das Interview, um das ich bat, arrangierte.