Kinderbetreuung in Friedberg - Ein Interview mit Gudrun Keller-Buchheit
friedberger: Frau Keller-Buchheit, wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Kinderbetreuungssituation im Friedberger Stadtgebiet dar? Stimmen Betreuungsangebot und Nachfrage überein?
Gudrun Keller-Buchheit: Was den Kindergartenbereich mit Kindern in der Altersgruppe von 3 bis 6 Jahren anbelangt, kann die Nachfrage mit einem optimalen Betreuungsangebot abgedeckt werden. Man könnte beinahe schon von einem leichten Überangebot an Kindergartenplätzen sprechen. Allerdings muss man hier differenzieren. Im Bereich der Kernstadt ist die Betreuungssituation sehr gut, in den ländlich geprägten Ortsteilen gibt es ein Überangebot an freien Plätzen. Das hängt mit der demographischen Entwicklung zusammen. Es gibt insgesamt im Friedberger Stadtgebiet nicht mehr so viele Kindergarten-Kinder wie vor 5 oder 6 Jahren, dementsprechend haben wir aktuell auch fast keine Wartelisten mehr ...
friedberger: ... ein Zustand, der sehr erfreulich ist ...
Gudrun Keller-Buchheit: ... für die Eltern schon, aber nicht unbedingt für die Träger. Der Kinderheimverein Friedberg ist noch in der glücklichen Situation, den derzeitigen Personalstand weitgehend halten zu können. Nachdem die Geburtenentwicklung in Friedberg weiter stagniert bzw. rückläufig ist, muss von weiteren Stundenkürzungen beim Personal ausgegangen werden.
friedberger: Am 30. Juni 2005 verabschiedete der Bayerische Landtag
das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, welches zum 1. August 2005 in Kraft trat. Ab 1. September 2006 tritt bayernweit die kindbezogene Förderung an die Stelle der bisherigen gruppenbezogenen Förderung. Welche Vorteile bietet das neue Modell aus Ihrer Sicht?
Gudrun Keller-Buchheit: Kindergärten mit so genannten „Problemgruppen“, das heißt vielen Kindern mit Migrationshintergrund und nur geringen oder gar keinen Deutschkenntnissen, werden stärker gefördert, was mit mehr Erzieherstunden gleichzusetzen ist. Diese Kindergärten profitieren von dem neuen System, wobei ich nicht verschweigen will, dass es bei diesen Kindern auch einen erhöhten Förderbedarf gibt. Ein erhöhter Anteil ausländischer Kinder erfordert einfach mehr Personalaufwand, um sowohl den ausländischen als auch den deutschsprechenden Kindern gerecht zu werden. Für die Friedberger Kindergärten stellt sich das neue Gesetz nicht ganz so positiv dar, da die Stadt Friedberg und der Freistaat bislang eine Zusatzkraft finanzierten, was im neuen System so nicht mehr vorgesehen ist.
friedberger: Und Eltern- und Dachverbände, aber auch die SPD Opposition im Bayerischen Landtag kritisierten das neue Gesetz als großes „Streich- und Sparkonzert“, das zu einem deutlich spürbaren Qualitätsverlust in der Kinderbetreuung führen werde. Mit dem gleichen Geld, das bisher für etwa 375.000 Kinder vorgesehen war, sollen nun bis zu 1,3 Millionen Kinder gefördert werden. Was halten Sie von derartigen kritischen Einwänden?
Gudrun Keller-Buchheit: Das Buchungssystem könnte reibungslos laufen,
wenn genug Kinder die Tagesstätte besuchen und die Eltern sich für eine lange Betreuungszeit entscheiden. Ist dies nicht der Fall, ergeben sich erhebliche Nachteile für die Kinder und die Einrichtung. Erzieherstunden müssten abgebaut werden, da diese nicht mehr refinanziert werden können. Weniger Erzieherstunden heißt, dass dem Erziehungspersonal weniger pädagogische Zeit am Kind verbleibt und pädagogische Standards müssten dann eventuell neu definiert werden. Das alte System bot mehr Planungssicherheit und funktionierte so: Wenn ich 25 Kinder hatte, die bis mittags oder Spätnachmittag den Kindergarten besuchten, dann bekam ich für diesen Zeitraum eine gruppenbezogene Förderung meines Personals, unabhängig davon, ob 20 oder 25 Kinder die Gruppe besuchten. Nachdem neuen Gesetz sieht die Rechtslage anders aus: Wenn jetzt nur noch 20 Kinder die Gruppe besuchen, werden die Fördergelder nur für 20 Kinder ausbezahlt. Das heißt: Weniger Erzieherstunden können finanziert werden.
friedberger: Sind Sie mit der finanziellen Unterstützung durch die Stadt
Friedberg zufrieden oder könnte es etwas mehr sein?
Gudrun Keller-Buchheit: Mehr kann es ja immer sein. Aus meiner Sicht wird die Stadt Friedberg ihrer erziehungs- und bildungspolitischen Verantwortung in hohem Maße gerecht. Friedberg ist wirklich die Stadt der Kinder. Die Eltern in Friedberg können davon ausgehen, dass sie für ihr Kind einen Kindergartenplatz bekommen. Die Kommune beteiligt sich finanziell in vorbildlicher Weise an der Kinderbetreuung. Im Vergleich zu anderen Gemeinden oder Städten leben wir hier fast auf einer „Insel der Glückseligen“.
friedberger: Frau Keller-Buchheit, vielen Dank für dieses Gespräch.