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Diskussion mit einem politischen Zeitzeugen: Der Weg zur deutschen Einheit

Diskussion mit einem politischen Zeitzeugen:
Der Weg zur deutschen Einheit
Referat und Diskussion des Sonderbeauftragten Werner Ablaß im Gymnasium Donauwörth

Im Anschluss an seinen Besuch im Rathaus, wo er sich ins Goldene Buch der Stadt Donauwörth eintrug und eine Kopie der Frühstückskarte (anlässlich des Zwei-plus-Vier-Vertrages) mit Unterschriften namhafter Politiker Oberbürgermeister Armin Neudert schenkte, diskutierte Werner Ablass im Gymnasium mit Schülern und Schülerinnen der Leistungskurse Sozialkunde/Geschichte.

Zunächst jedoch referierte er über die außenpolitischen Aspekte und Vorgänge auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung. Spannend wusste der Sonderbeauftragte zu erzählen, der an der Seite Angela Merkels im Oktober 1989 dem Demokratischen Aufbruch angehörte, einer oppositionellen politischen Gruppierung in der DDR, die 1990 mit der CDU fusionierte.

“Ich bin gelernter DDR-Bürger,” eröffnete Werner Ablass sein Referat in dem gut besuchten Leistungskursraum. Ihm ging es eigentlich recht gut, als er sich entschloß, 1985 einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik zu stellen. Daraufhin wurde er arbeitslos, verrichtete Handlangerarbeiten, gemeinsam mit seiner Frau. “Sie kommen hier nicht heraus! Sie werden in der DDR verrotten!” hielt man ihm entgegen. So sah das aus. Später arbeitete er in einem Altenheim, leitete es auch, was aber eben bedeutete, dass so ziemlich alle Arbeiten, die dort anfielen, er gemeinsam mit seiner Frau erledigte.

Dies änderte sich ziemlich bald 1989: “Innerhalb von 10 Tagen wurde ich vom Leichenträger [im Altenheim] zum Staatssekretär mit Leibwachen und Staatskarosse.”
Vom Fall der Mauer am 9. November 1989 bis hin zur Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 war jedoch noch ein verhandlungsreicher Weg. Insbesondere der sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag mit entsprechenden Vorgesprächen und Verhandlungen ermöglichten schließlich die Deutsche Einheit.

Immer wieder sei er sehr erstaunt, so Werner Ablaß, wie wenig zuweilen Jugendliche über die Zeit v o r der Deutschen Einheit wüßten: “Weder die BRD noch die DDR waren souveräne Staaten!” Auch gab es 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs keinen Friedensvertrag. Die Siegermächte behielten sich je Privilegien auf den beiden Terretorien der BRD und der DDR vor, die Sowjetunionen drüben, Frankreich, Großbritannien und die USA hier in der BRD. Diese vier Regierungen waren es schließlich auch, die durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag (zwischen der BRD und der DDR einerseits und den genannten Großmächten andererseits) den Weg zur Deutschen Einheit ebneten.

Welche Faktoren spielten auf dem Weg zur Wiedervereinigung eine Rolle? Wenn man bedenkt, dass noch 1989 380 000 sowjetische Soldaten auf dem Gebiet der DDR stationiert waren, so kann man verstehen, wenn Werner Ablaß betonte: “Wer heute sagt, er habe immer schon gewusst, dass die Deutsche Einheit da käme,” täusche sich gewiss, denn keiner konnte bis dahin erahnen, wie rasch die Wiedervereinigung gehen sollte, zumal es durchaus große Vorbehalte unter den deutschen Nachbarstaaten, etwa Polen oder Italien, gab.

Doch der Kommunismus, insbesondere in der damaligen Sowjetunion war wirtschaftlich am Ende. Als er als Gast (er war Staatssekretär im Verteidigungsministerium) zum Jahrestag des Sieges in Moskau war, herrschte bittere Not in der Bevölkerung. Abseits der Paraden wurden in Moskau an diesem Tag die Läden geöffnet: die Menschen prügelten sich, um Brot ... .

Er erinnert sich, wie Eduard Schewardnadse (von 1985 bis 1990 Außenmininster der Sowjetunion) auf die Frage, warum er in seiner Haltung Deutschland bei der Wiedervereinigung so sehr entgegengekommen sei: “Es gibt bereits einen Georgier, der dem deutschen Volk so großes Leid zugefügt hat.” Gemeint damit war Josef Stalin, gebürtiger Georgier.

Neben Glasnost und Perestroika unter Michail Gorbatschow mag es wohl vor allem der ökonomisch drohende Bankrott der Sowjetunion gewesen sein, was sich als positiver Faktor für eine rasche Abwicklung der juristischen Grundlagen auf dem Weg zur Deutschen Einheit erwies; menschlich mochte es vor allem der Mut, die Entschlusskraft und das Engagement vieler gewesen sein, der eine Vision und Hoffnung Wirklichkeit werden ließ, wie es sich insbesondere durch die menschlich-nahen, äußerst spannend und überzeugend vorgetragenen Schilderungen im Referat des ehemaligen Staatssekretärs der DDR im Verteidigungsministerium unter Lothar de Mazière darstellte.

Auch die Aufmerksamkeit und Fragen der Oberstufenschüler im Anschluss an das Referat bewiesen, dass Geschichtsunterricht durch die erlebten Geschichten politischer Zeitzeugen eine neue, bedeutsame Dimension erlangt, die durch nichts zu ersetzen ist. Jemand hatte geredet, der nicht nur Zeitzeuge dieser bedeutsamen geschichtlichen Zäsur (für Europa, aber auch für die Welt) ist, sondern dieses Stück bedeutsamer Geschichte unmittelbar miterlebt und durch sein Handeln mitgestaltet hat.-

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3 Kommentare

In der kommenden Ausgabe der WochenZeitung Donau-Ries (14. November) ist eine entsprechende Reportage vorgesehen.-

Danke für diesen informierenden Artikel, befasst er sich doch mit dem Teil unserer Deutschen Geschichte, in der ich aufgewachsen und somit ebenfalls Zeitzeuge bin. Und die Wiedervereinigung kam völlig überraschend! So sehe ich das auch. Nun wünsche ich mir das für Nord- und Südkorea ebenfalls.

Du sprichst das Wesentliche an, Urte, nämlich dass geschichtliche Prozesse in ihrer interaktiven Beziehung zu globalen oder internationalen Zusammenhängen n i e einem Automatismus folgen und auch selten auch nur in Grundzügen vorhersehbar sind: Geschichte fordert im Grunde uns auf, Gegenwart zu gestalten, so bescheiden oder scheinbar unbedeutend unser eigener kleiner Beitrag sein mag.

Gerade die sozialen Vorgänge, die dann so spontan und nachhaltig zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten damals führten, zeigen auf, wie wenig begründet die weitverbreitete Auffassung sich erweist, "wir können eh' nichts machen, wenn >die da oben< es nicht wollen!" Oder anders ausgedrückt: Gerade der Weg zur Deutschen Einheit veranschaulichte, inwiefern es zutrifft: "Wir sind das Volk!"

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