Atomgefahr und Atommüll - Schicksal?
Atommüll und Atomgefahr als Schicksal?
Ein Diskussionsabend des BUND mit Raimund Kamm und Alois Sailer im Tanzhaus
Das Atomkraftwerk Gundremmingen mit seinem Zwischenlager steht vor der Haustür des Landkreises; der sukzessive Ausstieg aus der energiewirtschaftlichen Nutzung der Atomenergie ist beschlossen: ungeachtet dessen stellt sich die Frage: wie geht es weiter? Was passiert mit dem inzwischen angefallenen hochradioaktiven Atommüll, den noch weiter akkumulierenden Müllmengen, die z. T. aus La Hague wieder nach Deutschland jährlich zurückkommen?
Solche und ähnliche Fragen, wie sie jeder Verantwortungsbewusste sich stellen kann, mögen den BUND Donauwörth bewogen haben, einen Diskussionsabend zu gestalten, zu dem Raimund Kamm, Vorstand Forum „Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e. V., und Alois Sailer, Kreisheimatpfleger Dillingen, als Referenten eingeladen waren. Musikalisch gestaltete das „Harald Hänsel Trio“ niveauvoll den Abend im Donauwörther Tanzhaus, in das ein engagiert disputierendes Publikum aus nah' und fern zusammenfand.
„Haben Sie gewusst, dass das erste deutsche Atomkraftwerk, nein, nicht etwa irgendwo im Norden, sondern hier in der Nähe im schwäbisch-bayerischen Gundremmingen gebaut worden ist?“ Raimund Kamm, vormals Landtagsabgeordneter der Grünen und engagierter Streiter für eine verantwortbare Energiepolitik, warf nicht nur eine zentrale Frage an diesem Diskussionsabend auf, die deutlich manifestierte, wie heterogen es um die in der Öffentlichkeit existenten Wissensgrundlagen bestellt ist.
„Am Standort Gundremmingen wird mit den Blöcken B und C nicht nur Deutschlands größtes Atomkraftwerk betrieben, mit 192 CASTOR-Stellplätzen für Hochrisiko-Atommüll soll dort zusätzlich auch Deutschlands größtes Atommüll-Lager betrieben werden. Jeder einzelne dieser CASTOREN enthält so viel langlebiges Inventar, wie insgesamt 1986 bei der Katastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde. Mit dem Betrieb des Atommüll-Lagers wächst unsere Bedrohung durch eine Strahlenverseuchnung um ein vielfaches. Der dort abgestellte Atommüll muss über 1 Million Jahre sicher vor Mensch, Tier und Pflanze abgeschirmt werden, damit er keinen Schaden anrichten kann.“
Eigentlich muss man sich diese Fakten erst einmal wirklich bewusst auf sich wirken lassen: > Jeder Castorbehälter enthält allein schon so viel Atommüll – hochradioaktiv – wie 1986 bei der Tschernobyl-Katastrophe i n s g e s a m t, d. h. Weltweit, freigesetzt worden ist und innerhalb der ersten Wochen bereits so viel Lebensraum, Lebewesen und Menschen kontaminiert hat, das man diese Schäden lediglich approximativ (in einer vagen Schätzung) darstellen kann.
> Eine Millionen Jahre: wer schon einmal versucht hat, in einem Gedankenexperiment geschichtlich einen Zeitraum von vielleicht 100 oder 1000 Jahre sogar inhaltlich (mit Daten, Fakten und Vorgängen) in seinem Bewusstsein zu füllen, weiß, dass er 1 000 000 Jahre nicht in Ansätzen rudimentär sich vorstellen kann. Und dennoch: wer Atommüll verantwortungsbewusst entsorgen will, müsste über die getroffene Wahl des Ortes über diesen Zeitraum hin Rechenschaft ablegen können, dass dieser Sicherheit für die Menschen und die Natur bietet. Unmöglich.
Unmöglich? Aber der bereits existente Atommüll und die mit ihm verknüpften Gefahrenpotentiale sind real schon jetzt in beachtlichem Umfang gegeben. Aber existiert nicht Gorleben? Und ist Gorleben nicht ein sicheres Endlager? Nein, Gorleben ist wie Gundremmingen bislang nur ein Zwischenlager, das sich entgegen landläufig noch weit verbreiteter Meinung nicht i m, sondern oberhalb eines Salzstockes in einer Halle befindet, die ausreichend belüftet werden muss, da der lagernde Atommüll noch jetzt und über lange, lange Zeit enorme Wärmeenergien emittiert.
Es gibt noch kein Endlager: wissenschaftliche Experten sind sich trotz vielfältiger Gutachten ebenso uneins über die Eignung potentieller Standorte wie die Politik. Eine Entscheidung wurde bisher immer wieder aufgeschoben, während aus dem französischen La Hague Jahr für Jahr Castor-Transporte den in Deutschland produzierten, hochradioaktiven Atommüll zurückbringen.
Raimund Kamm kennt keine optimalere energiepolitische Konzeption als das „3-E-Konzept“: Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien.
Konsequent fordert er ein „Aus ist Aus Gesetz“: „Alle neu gekauften Elektrogeräte müssen einen Ausschalter haben und dürfen abgeschaltet höchstens 0,1 Watt verbrauchen.“ Jährlich könnten in Deutschland auf diese Weise 20 Milliarden kWh (!) eingespart werden – so viel, wie Deutschlands größtes AKW, nämlich Gundremmingen, erzeugt.
Als Beispiel einer ökologisch-ökonomisch ausbalancierten Energiepolitik könnte man die sukzessive Entwicklung erneuerbarer Energieformen nennen, zugleich jedoch eine Beendigung a l l e r bisherigen Privilegien der Atomstromkonzerne und etwa auch der Fluglinien (Flugbenzin ist bekanntlich steuerbefreit).
Kommt man sich als Befürworter und Mitstreiter für eine verantwortbare Energiepolitik und Naturschutzes nicht wie ein Sysiphos vor, dessen Bestreben aussichtslos, ja hilflos wirkt? Alois Sailer, Kreisheimatpfleger aus Dillingen, verneint eine solche Frage: ein Leben lang setzte er sich mit wenigen Getreuen für das Donauried, seine Heimat, ein, kämpfte, wenn alles Bemühen bereits aussichtslos schien – und hatte Erfolg! Der überaus sympathische, bayerische Schwabe (mit allen Ecken und Kanten, die zuweilen auch hohe Herren zu spüren bekamen) kämpfte wie ein Löwe um das Donauried, das einmal durch einen Truppenübungsplatz, dann durch ein „nettes“ Bombodrom (Bombenabwurfterritorium), später durch Atomkraft und Magnetschwebebahn bedroht war. Und er bekennt in seiner vielfach applaudierten Rede auch die Schwachstelle mancher Heimat- und Naturschützer, die in der schwäbischen Mentalität zu wurzeln scheint: „Die Herra deand doch, was sie wend!“
Nein, Alois Sailer und Raimund Kamm zeigten: es lohnt sich, sich zu engagieren, zu kämpfen für die Heimat, unsere Natur und unsere Verantwortung: denn was wären wir als Menschen wert, wenn d i e s e Werte u n s nichts wert wären? Werte, wie sie uns sinnbildlich in jedem kleinen Kind erscheinen; Werte, wie sie sich manifestieren, wenn wir die beeindruckende, majestätische Schönheit unserer Heimat wahrnehmen, Werte, die unser begrenztes Leben im Hier und Jetzt wertvoll, lebenswert und schützenswert machen.-
In der WochenZeitung Donau-Ries, 22. November 2006 Seite 12, ist dieser Artikel erstmalig veröffentlicht worden.
Weitere Fotos folgen baldmöglichst.