GLÜCK oder UNGLÜCK?
GLÜCK oder UNGLÜCK?
Eine Parabel
Ein alter Mann lebte in einem Dorf,
auf ihn waren selbst Könige neidisch.
Denn er besaß ein wunderschönes weißes Pferd.
Die Könige boten phantastische Summen für das Pferd, aber er verkaufte es nicht.
Eines Morgens fand er sein Pferd nicht im Stall.
Das ganze Dorf versammelte sich und die Leute sagten:
"Du dummer alter Mann, was haben wir dir gesagt?
Wir haben es immer gewusst, dass das Pferd eines Tages gestohlen würde.
Es wäre besser gewesen, es zu verkaufen.
Welch ein Unglück ist jetzt geschehen."
Der alte Mann aber sagte:
"Glück, Unglück, was ist das?
Ich sehe nur, das Pferd ist nicht im Stall."
Die Leute lachten den Alten aus.
Sie hatten schon immer gewusst, dass er ein bisschen verrückt war.
Aber nach vierzehn Tagen kehrte das Pferd plötzlich aus der Wildnis zurück.
Mit sich brachte es zwölf wilde Pferde mit.
Wieder versammelten sich die Leute und sagten:
"Alter Mann, du hattest doch Recht. Was für ein Segen!"
Der alte Mann entgegnete:
"Glück, Unglück, was ist das?.
Ich sehe nur, das Pferd ist mit zwölf weiteren Pferden zurückgekommen.
Ihr lest nur ein einziges Wort in einem Satz.
Wie könnt ihr das ganze Buch beurteilen?"
Wieder lachten die Leute ihn aus.
Der alte Mann hatte einen einzigen Sohn,
der nun begann, die Wildpferde zuzureiten.
Schon eine Woche später fiel er vom Pferd und brach sich beide Beine.
Wieder versammelten sich die Leute:
"Was für ein Unglück!
Dein einziger Sohn kann nun seine Beine nicht mehr gebrauchen;
und er war die Stütze deines Alters.
Jetzt bist du ärmer als je zuvor!"
Der Alte antwortete:
"Glück, Unglück, was ist das?.
Ich sehe nur, mein Sohn hat sich die Beine gebrochen."
Die Menschen wunderten sich.
Es begab sich,
dass das Land nach ein paar Wochen einen Krieg begann.
Alle jungen Männer des Ortes wurden zwangsweise zum Militär eingezogen.
Nur der Sohn des alten Mannes blieb zurück,
weil er gebrochene Beine hatte.
Der ganze Ort war vom Wehgeschrei erfüllt,
weil man wusste,
dass die Meisten nicht nach Hause zurückkehren würden.
Sie kamen zu dem alten Mann und sagten:
"Du hattest recht,
es hat sich als Segen erwiesen.
Dein Sohn ist zwar verkrüppelt, aber immerhin ist er noch bei dir."
Der alte Mann antwortete wieder:
"Glück, Unglück, was ist das?.
Ich sehe nur, mein Sohn ist noch bei mir."
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TIPP
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Aufgrund eines Hinweises von Kirsten S. (Pattensen) hier auch die vertonte Version von Gerhard Schöne (by YouTube zu finden)
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Es gibt Menschen, die sagen, es sei ja ganz nett solch eine Parabel zu besitzen und zu lesen. Doch mit der Lebenswirklichkeit habe dieser Text doch nun so gar nichts zu tun. - Und ich sage dagegen: Es ist leichter, der Weisheit dieses alten Menschen zu folgen, als ihr zu widersprechen. Sie macht reich. Ich kenne inzwischen wirklich genug Menschen, die um vieles weiter gekommen sind, als ihnen zuzutrauen war.
Parabeln wie diese können sehr lehrreich sein, aber sie sollten nicht zum Fatalismus führen. Dazu sind sie nicht gedacht, denn sie greifen nur einen der möglichen Aspekte heraus.