„Der Sonntag, der ist mir heilig!“
„Der Sonntag, der ist mir heilig!“
„Ohne Sonntag gibt es nur Werktage“ so lautet der Slogan, den ich noch immer an den verschiedensten Stellen des Alltags als Aufkleber finden kann. Oder kommen immer wieder neue dazu?
Widersprüche tun sich auf, wenn diese und jener sich mit scheinbar nicht zusammenpassenden Dingen im Blick auf den Sonntag konfrontiert sieht. „Wie kannst Du am Sonntag einkaufen gehen?“ Oder der Nachbar, der unbedingt am Karfreitag etwas in seiner Werkstatt reparieren muss. Oder ganz besonders spannend, wenn die Kirchengemeinde ausgerechnet beim verkaufsoffenen Sonntag zum OpenAir Gottesdienst auf der Hauptstraße einlädt.
Wo aber liegt der wirkliche Widerspruch.
Wie oft fällt in der Woche um Dich herum der Ausruf „Gott sei Dank, endlich wieder Wochenende!“ - Früher hieß es statt „Wochenende“ einfach nur „Sonntag“. Doch bedeutete beides so ziemlich das Gleiche und Selbe: Pause machen, raus aus der Tretmühle, kurze Verschnaufpause. - Der Sonntag war noch in den 1970er Jahren in den Krankenhäusern der Tag Hauptbesuchstag; für zwei Stunden war dann Zeit. Für den Sonntag gab es bei der Bahn eine Sonntagsrückfahrkarte, um es den vielen Ausflugswilligen schmackhaft zu machen, überhaupt auch am Sonntag das Verkehrsmittel zu benutzen und nicht nur zu Hause „um den Block zu gehen“. Die Gewerkschaften versuchten, den halben Samstag als einen komplett freien Tag dem Sonntag vorzuschalten. Der Höhepunkt des Schützenfestes hier oder der „Kirweih“ dort liegt selbstverständlich schon immer am Sonntag, weil dann ja auch die Menschen im Ort die Zeit haben, sich diesem Fest hinzugeben. Und alle gehen hin und feieren mit. Dass diese und jene Festteilnehmer für ihren musikalischen oder technischen oder gastronomischen Beitrag auch eine Entlohnung bekommen, danach wurde und wird nicht gefragt. Der im Kalender als Sonntag titulierte Tag darf damit nicht allen heilig sein. - Das „Altenpflegeheim“ lebt davon, dass dort in seinen Mauern auch Menschen für andere Menschen tätig sind, jeden Tag, rund um die Uhr auch am Sonntag, und diese Tätigkeiten beschränken sich nicht auf das Däumchen drehen, sondern es sind schon immer echte kräftezehrende Arbeitseinsätze, die zu leisten sind... Am „Sonntag“ nicht im Dienstplan eingeteilt zu sein, ergab sich in dem Haus, in dem ich 1968 als Praktikant tätig war, nur "einmal im Monat" plus einem weiteren halben Sonntag arbeitsfrei, und auch heute sieht es in allen Pflegeeinrichtungen für die Pflegekräfte, das Küchenpersonal usw. nicht viel besser aus. Blicke ich in die Landwirtschaft, in die Viehproduktion (welch ein Wort!) sehe ich auch dort schon immer und ewig aus scheinbar naheliegenden Gründen Sonntagsarbeit. Die bösen Buben und die akuten Erkrankungen machen am Sonntag auch keine Pause, so dass zum Beispiel Justiz und Apotheker auch am Sonntag nicht einfach von Heilig sprechen können.
Bald schon kamen weitere Sachzwänge hinzu. Dieser und jener Konzern konnte mit fadenscheinigen Begründungen eine Ausnahmegenehmigung für die Sonntagsarbeit bei der Gewerbeaufsicht durchdrücken. Gerettet wurde damit keiner. Ich erinnere mich noch an die schon damals seltsamen Verrenkungen, als eine große Schallplattenfirma in Hannover und Langenhagen eine Ausnahmegenehmigung für die LKW-Transfers am Sonntag zwischen ihren Produktionsstätten erwirkte. Es galt gewissermaßen mit den damals noch weltneuen Silberscheiben die Welt zu retten, Arbeitsplätze drohten verloren zu gehen, das Ansehen einer Messestadt stand auf dem Spiel. - Der Sonntag ist beinahe ohne Bedeutung und die CD-Fabrik, was blieb von Ihr?
Längst war der Sonntag zu einem motorisierten Ausflugstag verkommen. Die wenigen autofreien Sonntage in den 1970er Jahren zeigten, wie elend wir Menschen dran sind, wenn wir einfach nur mal zu Hause bleiben „müssen“ und uns erholen dürfen. Da wurde der „Stress des Nichtstuns“ beschworen: „was soll ich denn bloß machen, wenn ich nichts machen kann!?“
Wieder und wieder wurden die Kirchen gerufen, doch bitte ein Wort dazu zu sagen. Wer sie wirklich gerufen hat, wird wohl für jeden aktuellen Anlass im Nebel verhüllt bleiben. Und machte dann eine kirchenobrige Person den Mund auf, wurde mit Begriffen wie „weltfremd“ und „lebensfern“ dagegen gehalten. Und wehe diese Kirchenleute faselten auch noch von „Besuch des Gottesdienstes am Sonntag ermöglichen“, hörten wir die selbsternannten Gegner auch schon die „Sonntagspflicht“ als kabarettreife Drohgebärde an die Wand malen.
MENSCH WAS WILLST DU EIGENTLICH?
Der Sonntag ist keine Pflicht, sondern ein Geschenk. Wie auch immer Du dich drehst oder wendest, es historisch oder religiös (oder gar beides zusammen) gewachsen beschreiben willst. Der Sonntag ist für Dich da und nicht umgekehrt.
Als Christ kann ich aus meinem Glauben begründend erklären. Wenn mein Gott sich für die Arbeit an diesem Weltengebäude sechs Tage leistet und dann einen Tag lang ausruhen möchte, dann ist das ein Hinweis für mich: Dahinter steckt Methode: „und er sah an alles was er gemacht hatte und siehe, es war sehr gut!“ Danach kann eine nächste Runde beginnen, wieder sechs Tage und wieder ein Tag Ruhe. - Machst Du das so? - Hat deine Hektik am arbeitsfreien Tag genau diesen Wert?
Wenn es in den alten Lebensregeln der Israeliten heißt:
(Ex.20, 8ff – nach Martin Buber - aus dem Hebräischen nahezu hautnah übersetzt)
Gedenke des Tags der Feier, ihn zu heiligen. Ein Tagsechst diene und mache all deine Arbeit, aber der siebente Tag ist Feier IHM, deinem Gott: nicht mache allerart Arbeit, du, dein Sohn, deine Tochter, dein Dienstknecht, deine Magd, dein Tier,
und dein Gastsasse in deinen Toren. Denn ein Tagsechst macht ER den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was in ihnen ist, am siebenten Tag aber ruht er, darum segnet ER den Tag der Feier, er heiligt ihn.
Dieser Text kommt aus dem „Erschaffen des Menschen“ als einem in/aus/um Gott lebenden Wesens – die Spur Gottes in sich wissend. - keine Marionette.
Die Gemeinschaft derer, die sich auf ein gemeinsames Bekenntnis berufen kann, kann es leicht bewerkstelligen, sich neben vielem anderen auf einen gemeinsamen Tag zu einigen, der der Siebte sein soll. Die Gemeinschaft der an den EINEN glaubenden war damals eine durchaus überschaubare Größe auf einem ebenso überschaubaren Raum. Doch was geschah, als sich diese Gemeinschaft gezwungener Maßen oder freiwillig in einem anderen Kulturkreis als Minderheit befand. Sie passten sich mit dem allernotwendigsten Maße an die Gegebenheiten an, aber pflegten darüber hinausgehend ihre Rieten – weil es ihnen dabei gut ging. Es waren keine Kalenderpflichten – sondern Wohltaten. Wie machten es die Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinden in Deutschland bis zur Shoa? Genau so! So konnte es kommen, dass in der Tageszeitung kleine Geschäftsanzeigen darauf hinwiesen, dass das Kaufhaus Mannheim am Sonntag wegen einer Familienfeier geschlossen bleiben würde...
Ein Blick in die Bundesrepublik zeigt, dass es mindestens drei religiös geschützte Wochentage gibt, die allein der Erholung und der Erbauung gewidmet sein sollten. Hat darum irgendjemand das Recht, vom anderen zu fordern, es solle für alle der Sonntag sein? Ich lebe in einem Landesteil der BRD, in dem sich offiziell um 20% der Menschen einer christlichen Religionsgemeinschaft als zugehörig erklären. Haben wir Christen darum auch nur im kleinen das Recht, hier einen SONNTAG zu fordern? - Ich kann mir gut vorstellen, dass der Staat, das Bundesland im Blick auf die Gesundheit seiner Bürger, darauf besteht und viel mehr darauf achtet (das wäre wirklich schon ein Fortschritt!) dass alle Menschen, die in einem abhängigen Arbeitsverhältnis stehen, höchsten sechs Tag arbeiten und dann einen Tag FREI haben – ohne religiöse Untermauerung.
Der Sonntag, die Geschäfte und der Gottesdienst – das kann nie und nimmer zusammen passen! In dieser Tendenz geht durch die vorgeblich christliche Denk-Kultur schon immer und ewig ein Zwist. Und damit auch alles so wunderbar passt, wird auch noch die sogenannte „Tempelaustreibung“ des Jesus herangezogen. (siehe Matthäus 11 u. 21/ Lukas 19). - Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Und wer nicht nach einer Bestätigung für seine Meinung bei dem Gelesenen sucht, sondern den Text frei aufnehmen mag, der wird entdecken: Hoch interessant, aber nicht für den Sonntag und für sonstiges aus diesem Themenkreis passend!). Jesus hat seinen Sabbat geachtet, der war ihm Heilig. Jesus hat gepredigt, wo die Menschen sich aufhielten, oder zu ihm kamen. Das geschah nicht nach einem gesetzlich geschützten Wochen- oder Tagesprogramm. Selbst die anderen uns heute wie auch immer bekannten Prediger der Zeit vor und nach Jesus suchten die Menschen und nicht den Kalender. - Und warum schreien wir heute, wenn sich Kirche auch an einem Sonntag mit dem Gottesdienst auf die Straße begibt und die Gute Nachricht unter das Volk trägt?
Wie gut tut es, wenn ich all die Jahre in Eldagsen erleben konnte, wie mux-mäuschen ruhig eine übers Jahr grässlich laute Hauptstraße sein kann, wenn auf der Fahrbahn Zeltbänke stehen, aufgestellt von den Bürgern der Stadt, auch von den Geschäftsleuten an dieser Straße, ausgerichtet auf einen Tisch, auf dem das Kreuz zu sehen ist, die beiden Kerzen die Gegenwart Gottes anzeigen und dann eine Stunde lang nur fröhliche Gesänge, Gebete und frohmachende Worte zu hören sind. Einmal im Jahr eine kleine Oase für alle. Ein fast unmögliches Geschenk für ganz viele und es hat noch nie der immer mehr werdende Platz für die Gottesdienstbesucher ausgereicht, weil in jedem Jahr mehr Menschen kommen – so viele, wie sonst an diesen Mai-Sonntagen nebenan in die vor ihnen stehende Kirche nicht gegangen wären. Und keiner rennt am „Schluss“ weg, sondern man plaudert und beginnt zu flanieren... Das Geschäft der Geschäfte ist es nicht, die Buden und Spielräume auf der Straße sind es nicht, der Gottesdienst ist es auch nicht. Alles zusammen – oder wie es ein ziemlich kirchenferner Mensch mir auch mal sagte: „Ihr mit Euren Gottesdienst, das muss sein, das passt genau da hin und das finde ich wirklich gut!“ - Er saß jedes Mal mit auf einer der Bänke, kannte sich nicht aus, aber fühlte sich dazugehörend! Was ist ein Sonntag anderes?!
Oder ich erinnere mich an den Gottesdienst, den wir als Kreisjugenddienst bei einem Straßenfest südlich von Hannover in kleinen Stationen vor den Ständen feierten. Den geschmückten Altar auf einem Karren mitziehend. Da wo wir Station machen, waren die Menschen überrascht und gönnten sich die vier, fünf Minuten des Innehaltens und wer mit uns zog – zwei, drei, vier Stationen gönnte sich ein wenig mehr.
Oder erst kürzlich beim Kirchentag in Hamburg, der Eröffnungsgottesdienst auf der Reeperbahn. Ich erlebte schon viele Heiligabend-Gottesdienste, die waren wirklich unruhig, nervig, sie wurden gestört – Diese Ruhe auf dem Spielbudenplatz war geradezu wohltuend in einer Millionenstadt – selbst die Musik in den Diskos rechts und links war nicht mehr zu hören, selbst die Veranstaltungsreklame auf dem großen Bildschirm über den Häusern wurde abgeschaltet, es war kein Handy zu hören. - Als wenn Menschen darauf gewartet hätten, endlich mal ungestört ruhig sein zu dürfen – auf der Reeperbahn. - Und genau das will der siebente Tag meiner Woche – Abstand nehmen, schauen was ich geschafft (geschaffen!) habe und mich daran freuen – hoffentlich gibt es einen Grund zur Freude. - Wer jetzt noch eine religiöse Ebene in dieser Ruhe als Mittelpunkt oder als zentrale Orientierung nutzt, für den ist der Sonntag, dieser siebente Tag genau das, was er benötigt (der Not entgegen wirkend), um in die kommende Woche zu gehen und weiter machen, zu schaffen!
Also schenken wir Christen den Menschen um uns herum diesen Genuss des Ausruhens, das Krafttanken, das Abschalten. - Den Sonntag stören sonst übers Jahr die Autos auf den Straßen genug.
Wer wirklich Probleme mit dem Dreigestirn Sonntag – Verkaufsoffen – OpenAir hat, der möge sich einfach mit einem der Seelsorger für das Schausteller-Gewerbe unterhalten und vorher an einem Gottesdienst dieser wandernden Gemeinde teilnehmen – vielleicht sogar mit einer Taufe im Gottesdienst oder einer Konfirmation. - Der Sonntag, der siebente Tag ist für uns Menschen da! - Das sage ich als Christ und berufe mich dabei auf Jesus, der damals auch für diese Feststellung angeraunzt wurde, weil er die Weltordnung der Gesetzes-Frommen durcheinander zu bringen drohte – meinten die, die sich von ihm bedroht fühlten! - Könnte es sein, dass die darin sichtbar werdende Angst nichts anderes ist, als das Erkennen der eigenen Unsicherheit!?
nimm es "sportlich", Kornelia, ohne schlechtes Gewissen, sondern suche nach Methoden, wie Du dein(!) Ziel häufiger triffst!
Ich muss grad wieder an den Mann denken, der in den Kirchenvorsteher denken, der an Karfreitag, seinem arbeitsfreien Tag, unbedingt in seiner Hobby-Werkstatt eine Hausarbeit erledigen zu müssen... so schilderte er es mir einige Tage später, als er die Klinik wieder verlassen durfte, einen Finger seiner Arbeitshand war er jedoch für immer los. - Und - weißt Du - er hat dabei geschmunzelt und abschließend gesagt: "Pausen sind gesünder!"