Leerstände, eine Chance für den Einzelhandel
Die Marburger Einkaufswelt beklagt wieder einmal die Leerstände im Bereich der historischen Oberstadt. Der Mangel an Umsätzen könne auch durch die Besucherströme an den Wochenenden nicht kompensiert werden, was ein Überleben der Geschäfte nahezu unmöglich macht. Dass hin und wieder Geschäfte aufgegeben werden und durch neue ersetzt werden, das gibt es zwar in anderen Städten ebenfalls, aber speziell in einer Stadt wie Marburg verdienen die in den vergangenen Jahrzehnten veränderten Rahmenbedingungen besonderer Beachtung.
Die in der Marburger Altstadt lebenden Familien, die früher dort ihren gesamten Lebensbedarf deckten, sind durch die zunehmende Mobilität in neue Stadtteile abgewandert. Ihren Bedarf deckten sie fortan dort, wo Warenvielfalt und Parkraum vorhanden war, an der Peripherie und in schnell erreichbaren Nachbarstädten.Die frei werdenden Wohnungen wurden zu Studentenzimmern. Das ist für die Eigentümer lukrativer als zusammenhängende Wohnungen zu vermieten. Aber Studenten müssen mit knappen Mitteln wirtschaften, ihren Bedarf decken sie daher dort wo es preiswert, also nicht in den kleinen Geschäften der Altstadt. Das Haupt-Einkaufsviertel von Marburg büßt seine Attraktivität mehr und mehr ein. Hinzu kommen hohe Ladenmieten, die Konkurrenz des Online-Handels und die heute nicht mehr ausreichenden Parkmöglichkeiten. Besucherströme kommen an den Wochenenden nicht zum Shoppen in die Stadt, bestenfalls besuchen sie die örtliche Gastronomie. Werktags wirkt die Oberstadt fast wie ausgestorben.
Was also tun?
Wenn die über Jahrzehnte entstandenen Rahmenbedingungen kaum änderbar sind, muss sich eben die Geschäftswelt neu orientieren. Sicher werden zahlreiche alt eingesessene Läden auch weiterhin ihren Markt finden, andere werden aus den genannten Gründen schließen oder abwandern.
Entstehende Leerstände könnten z. B. durch moderne Factory-Outlets hinter historischen, denkmalgeschützten Fassaden beseitigt werden, wie es die Innenstadt von Bad Münstereifel eindrucksvoll demonstriert. Dort ziehen die Outlets mit preiswerter Markenware die Käufer aus dem weiteren Umland an und sorgen für Frequenz an allen Wochentagen, von der auch die übrigen Geschäfte und die Gastronomie profitieren werden. Natürlich reicht der altstadtnahe Parkraum nicht aus, so dass umliegende Parkplätze mit einem Shuttle-System erschlossen werden müssten. Hier könnte sogar die bislang nur touristisch genutzte Schlossberg-Bimmelbahn auf attraktive Weise eingebunden werden.
Ein “weiterso wie bisher“ löst die beschriebenen Probleme weder in Marburg noch anderswo.
Jetzt kommen bald wieder die ganzen Mehr-Parkplätze-Phantasten. Dass es damit nicht getan ist, lässt sich an vielen Beispielen belegen. Was sich aber auch aufzeigen lässt, sind funktionierende Fußgängerzonen, wo der Umsatz und das Angebot stimmen. Dazu bedarf es aber auch clevere Händler, die nicht meinen, für 100 einkaufen und für 500 verkaufen oder einmal im Jahr 10% Rabatt auf die Schaufensterscheibe schreiben sei genug Initiative. Warum beispielsweise gibt es keinen Lieferservice, in dem sich mehrere Händler zusammentun, der es dem Kunden ermöglicht, ohne Auto einzukaufen? Um nur eine Idee zu nennen. Auf die anderen mögen unsere Krämer bitte selbst kommen, das ist nicht mein Job (Aber seid versichert, es gibt vieles, was man tun kann, und was wenig Geld kostet...).