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Nachtrag zum Kashmir Solidaritätstag und die einseitige Aufhebung des Sonderstatus von Jammu und Kaschmir

Der Kashmir Solidarity Day, auch bekannt als "Youm-e-Yakhjehti-e-Kashmir", wird in Pakistan jedes Jahr seit 1990 als ein Tag des Protests gegen die indische Kontrolle des von Indien besetzten Teils Kaschmir begangen. Er findet jedes Jahr am 5. Februar statt. Dieses Jahr erregte die Gemüter die Aufhebung des Sonderstatus von Jammu und Kaschmir am 5. August 2019 durch die Regierung Modi durch seine Bharatiya Janata Partei ( BJP ). Und die weitere Entsendung von 35.000 Soldaten in das bereits militärisch hoch gerüstete Gebiet.

Anstatt dem Parlament die Entscheidungsbefugnis durch Abstimmung zu überlassen, die Artikel 370 und Artikel 35 A streichen zu können, ließ er dies von Präsident Ram Nath , Kovind per Verordnung durchsetzen.
Der Artikel 370, gemäß der indischen Verfassung gewährte der Region bisher autonome Rechte: Nämlich unter indischer Besatzung das Entscheidungsrecht gemäß eigener Verfassung und eigener Flagge in eigenen Angelegenheiten ausüben zu können, mit Ausnahme der Verteidigung und der Außenbeziehungen. Um beide Artikel aufzuheben, mit der Maßgabe, sich Jammu und Kaschmir einzuverleiben, unterlag die Region seit Dezember 2018 eigens einer Präsidentenregel.
Die Kongresspartei beschloss daraufhin, das Verfassungsgericht anzurufen.
Mit der Bekanntgabe wurden Handys, Internet und Telefon, gekappt, das Fernsehen und Radio funktionierten nicht mehr. Verwandte in Pakistan konnten ihre Lieben nicht mehr erreichen. Seit mehr als 150 Tagen dauert dieser Zustand an. Für die gesamte Bevölkerung erging eine Ausgangssperre, Schulen und Geschäfte wurden geschlossen, ranghohe Führer unter Hausarrest gestellt. Die Kaschmiri waren komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Die Regierung Jammu und Kaschmir rief Besucher auf, das Gebiet umgehend zu verlassen. Sich dort noch befindliche Besucher stehen unter strenger Bewachung durch die Sicherheitskräfte. Dennoch kam es zu Ausschreitungen der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung.

Das angerufene indische Verfassungsgericht stufte die Internetblockade nun als verfassungswidrig ein. Die Blockade stände im Widerspruch zur Presse – und Meinungsfreiheit und sei ein gezielter Machtmissbrauch durch die Regierung Modi. Tatsächlich geht aber die Aufhebung der Blockade nur zögerlich vonstatten.
Pakistan reagierte mit der Ankündigung der Ausweisung des indischen Botschafters, der Einschränkung diplomatischer Beziehungen zu Indien und der Anrufung des Internationalen Gerichtshofs. Es handelt sich nicht nur um einen Verstoß gegen die indische Verfassung, sondern auch um einen klaren Missbrauch der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNSC), die Kaschmir als umstrittenes Gebiet ( disputed territorry ) definiert hatte.
Der Artikel 35A wurde im Jahr 1954 als Präsidialerlass gestaltet, um die staatliche Gesetzgebung zu ermächtigen, die einheimischen Kaschmiri und ihre Sonderrechte und -privilegien zu definieren; indische Staatsbürger aus anderen Bundesstaaten durften so kein Land oder Eigentum in J & K erwerben, dort keine Arbeit aufnehmen oder andere staatliche Vorteile, wie Hochschulbildung und Gesundheitsversorgung, in Anspruch nehmen. ( Quelle: Siehe Konrad Adenauer Stiftung )
BJP, der politische Arm der hinduistischen Terrororganisation RSS, hat die Aufhebung der Artikel 370 und 35 A veranlasst. Die RSS, die den norwegischen White Supremacist Andreas Breivik unter anderem zu seinem Anschlag in Norwegen inspiriert hatte - er tötete 2011 77 Menschen - bewunderte in seinem Manifest die Umgestaltung der Gesellschaft in Indien in eine rein hinduistische. Die RSS wurde in dem Jahr 1925 als paramilitärische Organisation gegründet, als Hitler „Mein Kampf“ veröffentlichte. Mit ihren Überfällen auf Muslime und unter dem Eindruck des Nationalsozialismus stehend, entwickelte sie sich zu einer faschistischen Organisation. BJP hat Artikel 370 rechtswidrig aus der Verfassung Indiens gestrichen, die dem indisch besetzten Kaschmir einen besonderen und autonomen Status verlieh.

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die Region erhebt, verurteilte den Schritt als „illegal“. Das pakistanische Außenministerium warnte Indien vor „einseitigen Schritten“, um den international strittigen Status Kaschmirs zu verändern. „Als Partei in diesem internationalen Konflikt wird Pakistan sämtliche möglichen Optionen anwenden, um diesen illegalen Schritten entgegenzutreten“, teilte das Ministerium in Islamabad mit.
Indien als auch Pakistan beanspruchten den Siachengletscher. Seit 1984 finden dort Kämpfe statt. Es geht dabei aber um den Zugang zum südlichen Karakorum Pass. Indien hatte im Krieg zwischen 1959 und 1962 einen Teil des Staates Jammu und Kaschmir an China verloren. Deswegen wurde der Karakorum-Pass überhaupt so wichtig, da er eine wichtige Handelsverbindung zwischen Kaschmir und China wurde. Der strategisch und ökonomisch wichtige CPEC, Flaggschiff der Neuen Seidenstraßen, verläuft durch die dortige Provinz Gilgit Baltistan.

Reporter ohne Grenzen klagen die Zentralregierung an:
"Es gibt eindeutig einen Angriff auf die Meinungsfreiheit von Kaschmir durch die [regierenden] Hindu-Supremacisten der BJP", sagte der Journalist und politische Kommentator Gowhar Geelani und warf ihr vor, alle Nachrichten über die Region zu kontrollieren. "Kaschmir wurde in ein offenes Gefängnis umgewandelt. Dieses schwarze Loch mangelnder Informationen ist die längste elekronische Ausgangssperre in der Geschichte und macht Journalismus dort fast unmöglich. Das informelle Recht auf Information ist doch heute ein weltweit grundlegendes Recht“, bekräftigte der Early Times Korrespondent Jehangir Rashid Malik.

Die Uno wirft indischen Truppen unverhältnismäßige Gewalt vor
Kaschmiris aus dem indischen Teil beklagen seit Jahrzehnten, indische Soldaten führten sich dort wie Besatzer auf und repektierten die Autonomie kaum. Immer wieder gäbe es durch sie willkürliche Gewalt gegen die einheimische Bevölkerung. Die Uno und verschiedene Menschenrechtsorganisationen veröffentlichten in diesem Jahr Berichte, in denen sie indischen Truppen ebenfalls unverhältnismäßige Gewalt vorwarfen. Menschen würden gefoltert, entführt, vergewaltigt und mit Schrotkugeln beschossen, was zur Erblindung von Hunderten von Menschen allein in diesem Jahr geführt habe. Jeder sechste Kaschmiri wurde in seinem Leben schon einmal gefoltert, "Ärzte ohne Grenzen" zufolge leiden 49 Prozent der Bevölkerung unter posttraumatischer Belastungsstörung.

Warum schweigt sich die internationale Gemeinschaft der Staaten zu dem Thema der Aufhebung des Sonderstatus aus?
Die Anhebung der Kaschmirfrage auf die internationale Bühne scheint mir das eigentliche Problem zu sein.
Pakistan und Indien können sich darüber nicht allein verständigen, sondern die Supermächte mit ihren eigenen strategischen und vor allem wirtschaftlichen Interessen für dieses große Schwellenland und hinzu kommt noch die schwierige Weltlage im Allgemeinen; sie können den Konflikt schnell in einen Stellvertreterkrieg münden lassen. Sie stellen das eigentliche Hemmnis bei der Bewältigung dieser Streitfrage dar. Zudem handelt es sich bei Pakistan und Indien um zwei Atommächte; die offene Parteinahme für die unterdrückte und geschundene Bevölkerung könnte sehr schnell in einen Krieg ausarten.
Im Kongress der Vereinigten Staaten stehen die Demokraten mehrheitlich auf der indischen Seite. Auch Präsident Trump wendet sich strategisch mehr von Pakistan ab, hin zu einer neuen asiatischen kalten Kriegsfront gegen China und dessen Projekt der neuen Seidenstraßen, das auch Pakistan hinsichtlich des strategischen Flaggschiffes CPEC mit einschließt. Er bietet Indien nur eine Vermittlerrolle an, bezeichnet die Aufhebung als innerindische Angelegenheit. Andererseits benutzen die USA Pakistan immer noch für ihren „War on Terror“ und für ihre strategischen Interessen.
Ebenso spielen die verschärften Spannungen der USA mit dem Iran eine erhebliche Rolle bei möglichen Auswirkungen in der gesamten Region Südasiens. Kaschmir spielt dabei eine Schlüsselrolle in der internationalen Konstellation. Die USA stehen aufgrund der Brzezinski Policy immer noch in Konfrontation zu Russland, was die Einflußsphären in Indien und Pakistan angeht. Hinzu tritt die dritte aufstrebende Supermacht China, mit der Indien auf vielen Gebieten Beziehungen pflegt und die den strategisch wichtigen ökonomischen CPEC durch Gilgit Baltistan bis Gwadar in Balochistan zieht. Russlands Bemühungen, die Vermittlerrolle zu übernehmen, wird bisher von den USA nicht anerkannt. Die Saudis haben das Ansinnen Imran Khans abgelehnt, die Kaschmirfrage in einem internationalen Forum zu diskutieren, abgelehnt. Auch sie nähern sich aus wirtschaftlichen Gründen Indien an.
Diese Pattsituation scheint politisch bisher nicht auflösbar zu sein. Der Generalsekretär der UNO, Antonio Gueterres, wird Pakistan vom 15. bis 19. Februar aufsuchen, um mit Imran Khan zu sprechen. Pakistans Ersuchen beim Internationalen Gerichtshof, die Aufhebung des Sonderstatus juristisch klären zu lassen, wird einige Zeit in Anspruch nehmen, und es kann bezweifelt werden, das eine objektive Entscheidung des Gerichts dann auch gegenüber Indien wirksam durchgesetzt werden kann.
Das Dilemma der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung bleibt vorerst ungelöst. Wieder einmal versagt die Staatengemeinschaft bei dringlichen Problemen, die eine Bevölkerung trifft. Man gewinnt den Eindruck, dass Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit immer mehr aggressiven imperialen Zielen zum Opfer fallen, ohne dass dagegen wirksam etwas von außen unternommen werden kann.
Die Lage der Menschen in Kaschmir ist alarmierend. Sie drohen als Minderheit im eigenen Land von Hindus aus Indien verdrängt zu werden. Da nun Inder Häuser und Grund aufkaufen können und es keine Arbeit für die einheimischen Kaschmiri gibt. In der Mehrzahl sind dies arbeitslose junge Muslime. Die sich aufgrund der Perspektivlosigkeit und sich verschärfender religiöser Spannungen in Indien dann irgendwann gen Westen aufmachen werden. Präsident Modi treibt die Hinduisierung mit allen Mitteln an. Ob Herr Generalsekretär Gueterres in der Sache vermitteln kann, bleibt dahin gestellt. Denn bisher kümmern sich Staaten wenig um die Mahnworte und Empfehlungen der UNO.
Claudia Wädlich, Think-tank, politische Analystin und Schriftstellerin

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