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Seelenstorm 102 von Rainer Stankiewitz

Schwerin: Dreesch demokratiefern?  

Vorwort von Norbert Höfs 
Rainer Stankiewitz Autor und Verleger und Chef des Wieden-Verlages aus Crivitz, brachte und bringt seit einiger Zeit Bücher, für den etwas kleineren Geldbeutel auf den Markt. Sprich der Mann hat ein Herz für Autoren, die es sich nicht wirklich leisten können, viel Geld, das Sie ja nicht haben, in ein Buch zu investieren. Gleichwohl haben viele Bürger manchmal eine Last zu tragen oder sind durch so manche Tretmühlen gepresst worden und empfinden dies als Ungerechtigkeit, die so mancher seinen Mitmenschen mitteilen möchte. Andere verarbeiten ihre erfahrene Trauer in Gedichten und Geschichten, die eben nur das Leben schreiben kann.
Stankiewitz bekommt natürlich viel mit, durch diese an ihn herangetragenen Manuskripte, nicht alle schaffen es zu einem Buch, aber einige sind es wert, sich damit zu beschäftigen. Aus der Wertschätzung gegenüber seinen Mitmenschen, kann so auch ein Buch entstehen.
Die Geschichten die es nicht schaffen, sind mitunter so Interessant, dass Sie es zumindest in die Schaufenster Zeitung des Verlegers schaffen, als er noch sein kleines Büro am Schweriner Großen Moor hatte. Erst fanden die Schaufenster Zeitungen kaum Beachtung, aber mit der Zeit wartete man schon gespannt auf die neuesten Ausgaben und manchmal bildeten sich sogar keine Menschentrauben am Fenster. Nach langer Pause gab es nun wieder zwei neue Ausgaben, die die Geschichte dieses Seelenstorm, hoffentlich wieder aufleben lassen. Seelenstorm bedeutet ja nichts anderes als Seele und Sturm, der in unseren Köpfen mehr oder weniger tobt. Die jetzigen Zeiten fordern diese Stürme in unseren Gedanken geradezu heraus und so lange Sie in uns toben, beschäftigen wir uns mit den Problemen unserer Zeit. Sicher jeder auf seine Weise , nur wer alles kommentarlos hinnimmt und sich im Kämmerlein versteckt, wird früher oder später zu der Erkenntnis gelangen, dass es besser ist sich mit Problemen frühzeitig auseinander zu setzen, als diese als Gott gegeben stumpfsinnig hinzunehmen.
Nicht immer stimmen die Meinungen der Protagonisten aus dem Seelenstorm, mit der Meinung des Verlegers überein, aber das müssen Sie auch nicht, wichtig ist, dass man miteinander vernünftig kommunizieren kann.
   
Seelenstorm 102
Vom sozialistischen Glanz und Wert der Wohnbebauung auf dem Großen Dreesch in Schwerin ist wenig geblieben. Hier sammelt sich heute, was für besseres kein Geld hat. Einige sagen auch, hier sind soziale Brennpunkte entstanden. Direkt in den Zyklop so eines Brennpunkts war ich eingeladen zum Vorweihnachtstee: Perleberger Straße, Nähe Fernsehturm, Parterre – hier wohnt Familie Höfs. In ihrer behaglich warmen Stube stehen Tee mit Klüntjes und Weihnachtsgebäck auf dem Tisch und kleine, herzwärmende Lichter. Im Dämmerlicht schalten auf dem Balkon sich bald Lichterketten ein, gewunden um Tannengrün; drinnen beginnt derweil ein gemütliches Adventskränzchen. Ach wie schön! Ganz Deutschland liebt diese Stunden. – Außer den Gastgebern sitzen die Stadtvertreter Riedel (CDU) und Federau (AfD) auf der Couch, dazu ein weiterer Gast. Sie eint Angst und Sorge um Deutschland im Allgemeinen und um ihren Stadtteil im Besonderen; dazwischen ich – ein Seelenstörme schreibender Rentner.
Vorweg: Mir passte nicht alles, was da an Worten durch die Harmonie in der guten Stube segelte, denn manches sehe ich als von linken Grundideen Überzeugter schlicht anders. Dass dieses linke Weltbild durch Erkenntniszugewinn sowie das zunehmend höfische Gebaren der linken Lenksäulen gefährlich wackelt bis einzustürzen droht, macht meine Ohren und meinen Geist nur sensibel gegenüber Argumenten Andersdenkender.
Es gibt in den Stadtteilen Neu Zippendorf und Mueßer Holz eine Menge Einwohner, die nicht einverstanden sind mit der Politik des Einwohnerbeirats und bestimmten Gepflogenheiten, wie sie im Einwohnertreff „Eiskristall” z. B. von Frau Luhdo zelebriert werden. Dort, wie ein Stück weiter in der Petrusgemeinde, sind Leute wie Höfs und ihre Gäste nicht gelitten: man möge dort weder Rechte, noch Nationale, noch Rassisten.
Halt! Man sollte darüber reden, was ein Rechter ist und was einen Nationalisten ausmacht; man könnte ins Gespräch kommen und sachlich diskutieren. Doch auch ich würde einen Orts-beiratsvorsitzenden, der gar nicht im Problembezirk wohnt und sich in die beschauliche Ruhe seiner Gartenstadt zurückzieht, wenn es abends brenzlig wird, für befangen erklären. Der Chef muss aus dem Milieu kommen, er muss betroffen sein von den Schieflagen, die eine Mehrheit stört. Sonst entsteht der Eindruck, mit finanziellen Zuwendungen der Stadt wird von wenig überzeugenden Funktionären Politik für eigene Profilierungssehnsüchte betrieben.
Mir scheint grotesk, dass nach Wahlergebnissen der gesamten Stadt der Beirat für einzelne Ortsteile gebildet wird. Wozu weisen wir dann Ergebnisse jedes einzelnen Stimmbezirks aus? Die Wahlsieger dort müssen in den Beirat! Und wenn die AfD dort gewinnt, muss sie mehrheitlich im Beirat sitzen! Sie hat ja deswegen gewonnen, weil die SPD zum Beispiel dort versagt hat. Wie kann denn diese Partei dort den Vorsitzenden stellen? Das ist Demokratie zum Abgewöhnen! Apropos abgewöhnen: Ich erkenne mit Schrecken, wie immer größere Heerscharen gesichtsloser, verglobalisierter finanzelitärer Unwesen antreten, uns tatsächlich die Demokratie abzugewöhnen. Wer aufmerksam ist, sieht nicht nur große Defizite hier, sondern die Demokratie bereits ganz abgeschafft – zugunsten der kapitalistischen Diktatur.
Faschismus herrscht dann, wenn der Oberbau eines Staats (nämlich unsere Politiker) sich mit dem Kapital gegen das Volk verbündet. – Und die AfD ist nun einmal die einzige Partei (zu meiner Bestürzung ist es nicht die Linke), der dies auffällt und die interveniert. Dass gerade die Leute der AfD des Wegs jenes wieder möglichen faschistischen Unheils verdächtigt werden, spricht mir eher für einen weiteren Versuch, uns so genannten Souverän zu veralbern. Dabei werden wir tatsächlich straffällig, wenn wir den Demokratieverlust bemerken und feige schweigen.
Zu befinden, ob Flüchtlingskopftücher Schmuck oder Abgrenzung sind, sollte jedem freistehen, auch meinen Gastgebern. Ihre Furcht und die aller Anwesenden vor einem weiteren Riss durchs Land (außer dem zwischen Arm und Reich), nämlich dem, den die Kluft zwischen Islam und abendländischer Kultur vertieft, ist leider heute schon erkennbar und nährt das Gift der Unversöhn¬lichkeit. Sie bedrängt uns und dringt auch in diejenigen, die bislang sorgenfrei schienen, erreicht alle aber spätestens dann, wenn die Folgen dieses schweren Multikulturirrtums sichtbar werden und zugeordnet werden können. Diese manchmal noch gar nicht als reale Gefahr wahrgenommene Angst griff die AfD auf; (Populismus? Vielleicht, vielleicht auch nicht.) die Linke tat es leider nicht. So stellt sich nebenher die Frage, ob wir diese Linke tatsächlich noch brauchen. – Noch eine andere Frage stellt sich mir: Ist die moderne Definition von Nationalismus nicht geradezu eine existentielle Überlebensgarantie für Europa? Natürlich! Europa als Bündnis friedensfähiger und friedenswilliger Nationen! Mehr nicht! Ein großartiger Gedanke, finde ich; und Sie?
Aber nötige Wehrhaftigkeit entsteht nicht durch eine waffenklirrende Leyen-Truppe von Legionären, sondern durch nationale Positionierung eigener Verwurzelung in der Heimat. Man muss doch Patriot sein dürfen in dieser Sch...globalisierung, die Sie und mich zu Knechten erniedrigt! Wer es noch nicht weiß, dem muss gesagt werden, wer jene sind, die uns knechten. Achmed aus der Kantstraße Sowieso im Mueßer Holz, Schwerin, ist es jedenfalls nicht – auch wenn es mitunter so scheint (der wird von den Seinen verblödet wie wir von den „Unserigen”).
Das aber muss auch die AfD lernen: Die wunderbare Pflanze Toleranz zu achten, sie zu hegen, aber nicht einzuhegen! Unser Vermögen zu unterscheiden schafft Wert an sich! Wir sollten die Gesellschaft bekämpfen, die über uns wacht wie Rom über seine Sklaven, die uns unserer Fähigkeit beraubt, andere Werte als materielle weder zu denken noch zu formulieren. – An fremdgesteuerte, simulierte Empfindungen gerade jetzt vor Weihnachten möchte ich gar nicht denken...
Doch zurück vom Großen zum vermeintlich Kleinen: Wir wissen es ja von Bertelsmann, es gibt gar keine Armut in Deutschland. Es mag sogar stimmen, jedenfalls nach dem Maßstab der Dreescher Familie Höfs, deren Gast ich war. Das Streben nach einem Sinn für die paar Jahre Lebensdauer auf Erden kam mir dort spannender und nachahmenswerter vor als jedwede Ermunterung, mich teuflischem Kapitalismus zu widmen.
Aber die Höfs gelten als Stänkerer in den Amtsstuben des Palasto Prozzi Deutschland. Wem also soll ich glauben, lieber Weihnachtsmann?

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