Die Legende lebt: „John Smith & The New Sound“
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-Vorbemerkung-
In den 1960er Jahren gab es in England das Beat- und Rock 'n' Roll-Phänomen „John Smith & The New Sound“. Es handelte sich anfangs um eine namenlose Studio-Band, die hauptsächlich Top Hits der damaligen Zeit coverte, um diese preiswert an junge Leute zu verkaufen (sogenannte Taschengeld-Schallplatten). Aufnahmen dieser Studioband wurden in Deutschland auf „Vogue“ oder „Tempo“ oft mit frei erfundenen Interpreten-Namen veröffentlicht, z. B. „The Beat Kings“, The High Tops“ und „Johnny Smash“. Hinter allem steckte der aus Australien stammende Produzent „Bill Wellings“.
Einer dieser Musiker war ein Engländer Namens „John Smith“. Dieser hatte bereits 1961 unter dem Namen „Bobby Dean“ die Single-Schallplatte „More & More” / “St. James Infirmary” mit nur geringem Erfolg herausgebracht und noch weitere Demos produziert, die nicht veröffentlicht worden waren. „John Smith“ war vorübergehend als Gitarrist bei der „New Vaudeville Band“ tätig.
-„Beatlemania“ - Die Anfänge der namenlosen Top Hits - Produktionen-
Die Geschichte dieser anonymen, sogenannten „Ghost Squad“- Produktionen begann im Jahre 1964 mit der LP „Beatlemania“, die ohne Label mit der Bezeichnung „Top Six“ und ohne Interpreten- Angabe erschienen war. Darauf zu hören waren 12 sehr gut gelungene Versionen von damals topaktuellen Beatles-Hits. Die Platte landete in den Charts. Bei „Beatlemania“ mit dabei war u. a. der Schlagzeuger „Jimmy Nicol“. Dieser sprang 1964 auf einer Australien-Tour für den erkrankten „Ringo Starr“ als Aushilfs-Drummer bei den „Beatles“ ein. Kein anderer hätte damals alle aktuellen Beatles-Songs kurzfristig spielen können.
Nach diesem Erfolg von „Beatlemania“ rief der geschäftstüchtige „Bill Wellings“ 1964 in England einige Musiker zusammen, um mit ihnen regelmäßig solche Hit- Versionen zu produzieren. Er sprang sozusagen auf den „Beatlemania- Zug“ auf. Produziert wurde in den Londoner „Pye“- Studios in Marble Arch, manchmal auch bei „CBS“ in der Oxford Street. Es erschienen in der Folgezeit in Europa und Übersee Singles, LP, EP (mit 4 oder 6 Songs) und Mini-LP (mit 6 Songs). Diese nachgesungenen Hit- Aufnahmen trugen den Oberbegriff „Top 6“, was zu einer Art Markenzeichen für erschwingliche Chart-Musik wurde.
In England erschien eine LP-Serie mit diesen Produktionen auf dem „MfP“-Label. Es waren Titel wie „Top Hits“, „Smash Hits“ „Hot Hits“ und ähnliche Namen. In Deutschland wurde diese Serie auf „Vogue“ unter dem Namen „Original Beat aus England“ veröffentlicht und anfangs teilweise mit Produktionen von deutschen Newcomer-Bands vermischt. Ab Nr. 18 hieß die Serie dann „England’s Top 14 of Pop“, noch später „England’s Top 12 of Pop“. Schließlich ging es weiter auf dem „Delta“-Label unter ähnlichen Bezeichnungen, bis die Top 6- Produktion mit dem Aufkommen der K-Tel Schallplatten (LP- Sampler mit 20 oder mehr Original(!)versionen) harte Konkurrenz bekam und Ende der 1970er Jahre eingestellt wurde.
-Wie der Name „John Smith“ zu einem Qualitätsbegriff wurde-
John Smith agierte bei den „Top Six“- Produktionen hauptsächlich als Sänger. Gelegentlich bediente er auch die Rhythmus-Gitarre. Ohne sein Wissen benutzte „Bill Wellings“ für den Verkauf dieser Produktionen häufig seinen Namen und formte so „John Smith & The New Sound“. Für die Musiker war nach erfolgter Zahlung der jeweilige Auftrag abgegolten. Über den Verbleib dieser Produktionen hatten sie keine Information. So wusste auch „John Smith“ zunächst nicht, wie gut sich die Produktionen, die er meistens auch selber sang, unter seinem Namen verkauften.
-Auftritt im legendären Deutschen Beatclub und unerwartete Charterfolge-
„John Smith & The New Sound“ wurde in Deutschland regelmäßig auf den „Drei fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg“ präsentiert und war längst zum Thema unter Musikfreunden geworden. Es kam, wie es kommen mußte: Sie wurden in den legendären Deutschen „Beatclub“ eingeladen. Was nun...? Ganz einfach. Man präsentierte dort in der Sendung am 19.11.1966 einige schnell zusammengesuchte Studiomusiker und „John Smith“ als Sänger. Sie spielten die Songs „Winchester Cathedral“, „Big Time Operator“ und „You Don’t Know Like I Know“.
Im Dezember 1966 stand der Song „Winchester Cathedral“ von „John Smith & The New Sound“ überraschend in den deutschen Verkaufscharts auf Platz 21. Das Original von der „New Vaudeville Band“ dagegen erreichte nur Platz 26 (!). „Winchester Cathedral“ wurde in der Folgezeit häufig auf diverse Beat-Sampler übernommen (später nannte man solche Langspielplatten „Best Of- Compiler“).
Mit dem gecoverten „Snoopy vs. the Red Baron“ (Eine Parodie auf „Kriegsdeutschland“ mit einer gehörigen Portion bissigem Humor) und weiteren Veröffentlichungen erzielten „John Smith & The New Sound“ weiterhin beachtliche Erfolge. Die Bekanntheit reichte inzwischen bis nach Asien und Südamerika. Auch Eigenproduktionen von „John Smith“ wurden gelegentlich veröffentlicht, z. B. „Send Her Home“, ein interessanter Stilmix aus ruhiger Beat und Rock 'n' Roll- Musik, als B-Seite von „Snoopy vs. the Red Baron“.
Bill Wellings witterte weitere Geschäfte und so erschien 1967 eine LP von „John Smith & The New Sound“ mit den beiden oben genannten Hits und 12 weiteren aktuellen Studio-Songs auf „Vogue”, LDVS 17125. Das geschah wieder einmal ohne das Wissen von „John Smith“, der die Mehrzahl dieser Songs tatsächlich wieder einmal sang.
-„John Smith & The New Sound“ ab 1968 ohne „John Smith“ Wie war das möglich?-
Als „John Smith“ Ende 1967 nach Australien auswanderte endete zwar seine Studiotätigkeit in England, aber es erschienen wie von Geisterhand weitere Produktionen mit dem Namen „John Smith & The New Sound“. Diese wurden anonym eingespielt von der Englischen Beat-Band „Excheckers“. Manager und Produzent „Bill Wellings“ profitierte auf diese Weise weiter von dem Namen „John Smith“.
Im Jahre 1968 erschienen unter dem Namen „John Smith & The New Sound“ kurz nacheinander zwei bemerkenswerte LP mit bekannten Rock & Roll Hits im neuen Sound, eingespielt von den „Excheckers“. Titel: „Rockin’ With John Smith & The New Sound” und “Rock ‘n Roll Again with John Smith & The New Sound”.
Es besteht der Verdacht, dass hier der spätere „Uriah Heep“-Sänger „David Byron“ teilweise mit Gesang im Studio ausgeholfen hat. Ein Beweis steht allerdings noch aus. Bei späteren Produktionen sind jedenfalls seine Stimme und die von „Elton John“ unter der Bezeichnung „John Smith & The New Sound“ gelegentlich aufgetaucht.
Der echte „John Smith“ verdiente derweil sein Geld als Musiker, Komiker und Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen sowie an Kur- und Urlaubsorten in der ganzen Welt. Er genoss sein abenteuerliches Leben und lernte so auch seine Frau Pat kennen, die ebenfalls als Sängerin unterwegs war. „John Smith“ wusste nichts von dem, was „Bill Wellings“ mit seinem Namen machte.
-John Smith's Rückkehr nach England-
Als „John Smith“ 1997 nach einer erfüllten Künstlerkarriere wieder nach England zurückkehrte, setzte er sich keineswegs zur Ruhe. Er besann sich auf seine alten Zeiten als Musiker und machte sich auf die unerwartet schwierige Suche nach seinem Lebenswerk. Zu seinem Erstaunen fand er aber zunächst nur Schallplatten unter seinem Namen, deren Musiker ihm völlig unbekannt waren (die „Excheckers“- Produktionen). Er besaß zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Videoaufzeichnung seines Beatclubauftrittes im Deutschen Fernsehen und einige Demos bzw. private Mitschnitte von damals.
Über einen Videoclip bei YouTube, eingestellt von „Fritz Falkenberg“ (http://www.youtube.com/watch?v=-xPFVFm8NpA), stieß „John Smith“ schließlich 2008 auf meine Auflistung seiner Produktionen, die ich im Zusammenhang mit meiner David Byron-Recherche veröffentlicht hatte. Es kam zur Kontaktaufnahme. Wir trugen unsere Informationen zusammen und entdeckten gemeinsam seine alten Aufnahmen wieder. So manche Überraschung war dabei und die Machenschaften von „Bill Wellings“ kamen ans Licht. So wurde mir völlig unerwartet die besondere Ehre zuteil, Licht in den Mythos „John Smith & The New Sound“ zu bringen.
-Der heutige „John Smith“-
Heute lebt „John Smith“ mit seiner Frau Pat in Devon, Südengland, und genießt das beschauliche Leben und milde Klima dort. Er ist ein angenehmer, liebenswerter Zeitgenosse, der immer für ein Späßchen gut ist und „just for fun“ auch noch mal spontan singt. Durch seine inzwischen auch dort bekannt gewordene Karriere genießt er ein besonderes Ansehen in Devon. Immerhin stand er zusammen mit den Beatles, Rolling Stones, Who, Dave Dee & Co., Kinks, u.v.a. zeitgleich in den Hitlisten. Gelegentlich werden seine wiederentdeckten Songs im Englischen BBC-Radio in Oldie-Sendungen gesendet oder er macht mit seinem bekannten Namen Werbung in örtlichen Medien... „John Smith“ ist ein „gesegneter (Un)ruheständler“... :-)
Hi Den Zhevlakov,
thank you for your comment. To collect rare and mysterious recordings is a very interesting hobby. I can confirm from my own experience.
The requested record I did not know before. Very interesting. I guess women's voices on it. As far as I know Dana Gillespie was 1971 still active as a studio singer. But even Tina Charles. Unfortunately I do not know, for which producers they were working at the time. And there were other good female singers too, I do not know by name.
As John Smith, Daniel Boone and others said, the studio musicians never knew then what was happening to their recordings. The singing was financially settled once and was done with it. Thus, based on the records alone, can unfortunately hardly keep find out of, who was there.
The records information I passed on http://www.davidbyron.net . Maybe I can get something from there in experience. I would then write here.
Greetings from Burgdorf
Ralf