Jakobsweg - vor einem Jahr: es wird sehr ländlich.
Samstag, 24.05.2008
O Biduedo – Sarria 26,5 km
Es hat aufgehört zu regnen. Wir können um 07.00 Uhr in normaler Kleidung unser Nachtquartier verlassen. Das Licht reicht gerade schon aus, um die Dorfkirche San Pedro zu fotografieren, zu deren Gunsten ich gestern in der Bar einen Kugelschreiber erworben habe.
Ein kurzer leichter Regenschauer lässt uns einen schönen Regenbogen vor den felsigen Bergen sehen. Da die Sonne noch nicht hoch steht und damit in dem hügeligen Gelände nicht überall den Boden erreicht, sehen wir, wie die Spektralfarben am Rande eines Bergschattens abrupt enden. Ein ungewöhnlicher Anblick.
In Triacastela, bis wohin wohl gestern die Masse der Pilger gegangen ist, zeigt uns ein Wegestein, dass wir noch 130 km vom Ziel entfernt sind. Nun geht es wieder ein gutes Stück bergauf – das Höhenprofil vieler Wanderführer ist sehr grob, was das tatsächliche Auf und Ab zwischen zwei Orten betrifft – und zwischen San Xil und Montán wandern wir auf einer Höhe mit guten Blicken in die Ferne. Wir passieren nun Orte, die ausschließlich von der Landwirtschaft geprägt sind. Negative Begleit-erscheinung ist, dass die Wege rund um die Dörfer durch die Hinterlassenschaften der Kühe stark verdreckt sind. Der Regen reduziert zwar die sichtbaren „Fladen“, verteilt aber den Mist nur gleich-mäßig.
In Pintín treffen wir Kurt und gehen das letzte Stück der heutigen Etappe zu dritt. Sarria ist sicherlich eine der am wenigsten attraktiven Städte am Camino. Am Abend notiere ich sogar in mein Oktavheft: eine hässliche Stadt. Sie verfügt aber über viele Herbergen, und wir erwischen zudem eine nagelneue, die erst vor einer Woche geöffnet wurde. 7 € kostet das Bett. Unser 10-Bett-Zimmer ist bereits mit 7 Franzosen belegt, als wir uns dort niederlassen. Den ganzen Nachmittag und Abend gibt es einen Zwist um das Öffnen der Fenster. Die Franzosen leiden offenbar unter einer Frischluft-Allergie.
Nach der offiziellen Schließungszeit der Herberge ist an Nachtruhe nicht zu denken. Es ist nicht nur Samstagabend, sondern die Bewohner der Stadt, darunter viele Kinder mit gesunder Stimme, schmücken die Rua Maior von der Kirche Santa Marina bis hinauf zum Convento de la Magdalena für ein Kirchenfest oder eine Prozession morgen. Ein ca. zwei Meter breites Band aus Blättern und Blüten, zu Mustern und Bildern zusammengefügt, zieht sich durch die Straße und breitet sich zu einem großen „Gemälde“ auf dem Platz vor dem Konvent. Aber diese Pracht werden wir erst morgen früh sehen. Heute ärgere ich mich über den Lärm von der Straße, der bis weit nach Mitternacht anhält.