Das Elend überwinden: Grenzerfahrungen geflüchteter Menschen zwischen Subsahara und Bremen
Nicht nur aus Syrien, auch aus Afrika flüchten täglich Menschen nach Europa. Sie nehmen den beschwerlichen und oft tödlichen Weg durch die Sahara und über das Mittelmeer auf sich, da sie sich in Europa ein besseres Leben in Frieden und Sicherheit erhoffen. Die Fluchtroute führt dabei durch Nordafrika, aktuell hauptsächlich über Libyen und Marokko als Transit-Länder, und endet oft in Inter- nierungslagern in Italien.
Um sich einen eigenen Eindruck von den unmenschlichen Be- dingungen auf dieser Fluchtroute zu machen, waren die Vorsitzen- den der Landtagsfraktionen der LINKEN gemeinsam nach Tunis und Palermo gereist. Von dieser Reise berichteten Kristina Vogt, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürger- schaft und Martin Schirdewan, Leiter des Europabüros der Rosa- Luxemburg-Stiftung. Ergänzt wurden die Reiseberichte durch die Stimmen der Flüchtlingsaktivisten Geraud Potago und Olaf Bernau. Im gut gefüllten Tivoli-Saal des DGB-Hauses fanden diese Podi- umsteilnehmer ein interessiertes Publikum, das anschließend die Diskussion um eine humane Migrationspolitik in der EU weiter- führte.
Den Auftakt machte Kristina Vogt mit ihrem Bericht aus Tunis und Palermo. In Tunis hatte unter anderem ein Treffen mit Müttern stattgefunden, deren Söhne auf der Flucht verschollen sind. Diesen Kontakt bezeichnete Kristina Vogt als den „berührendsten“ Moment der Reise, da die Frauen von keiner Stelle Antwort bekämen, ob ihre Kinder noch leben und wo sie verblieben sind.
Aus Italien berichtete Kristina Vogt, dass es sehr unterschiedliche Einrichtung zur Aufnahme von Geflüchteten gibt: von Abschiebelagern, in denen Misshandlungen durch Polizei an der Tagesordnung sind bis zu kommunalen Zentren mit Selbstverwaltung. Wohin man sortiert wird, ist reiner Zufall. An diesen Beispielen sei „eindrücklich zu sehen, wie willkürlich die europäische Asylpolitik ist“, fasste Kristina Vogt ihren Bericht zusammen.
Olaf Bernau, Mitglied im Netzwerk Afrique-Europe-Interact, schilderte die Ursachen, welche dazu führen, dass Menschen Subsahara-Afrika verlassen. Insbesondere verwies er auf die durch internationale Großorganisationen wie dem IWF oder den G8 erzwungen Privatisierungspolitik, die lokale Wirtschaftsstrukturen zerstört und Menschen in Arbeitslosigkeit, Armut und zur Flucht treibt.
Geraud Potago vom Netzwerk der Papierlosen (CISPM) verwies neben dieser erneuten neokolonialen Einmischung in die Wirtschaft Afrikas auch auf die Langfolgen des historischen Kolonialismus, die bis heute die Länder im Westen und Süden Afrikas prägen. Erschütterndes berichtete er außerdem von seiner eigenen Flucht, die mit einem langen Aufenthalt in Marokko verbunden war. In Marokko erfuhr er direkt die Gewalt, denen Geflüchteten auf ihrem Weg ausgesetzt sind. Dort hat er aber auch gelernt, wie wichtig solidarische Strukturen von Geflüchteten sind, weswegen er sich auch hier in Deutschland weiterhin in migrantischen Netzwerken organisiert. Geraud Potago schloss seinen Beitrag mit der Forderung nach humanitärer Hilfe für Geflüchtete ab.
Als letztes stellte Martin Schirdewan aktuelle Tendenzen europäischer Asylpolitik vor. Die EU stehe dabei vor der Entscheidung zwischen Humanismus oder Wohlstandschauvinismus. Die Krise in der Flüchtlingspolitik spiegele dabei aber nur die allgemeine innere Krise und die inneren Konflikte der EU wieder. Aufgabe der Linken in Europa sei es, die dringend erforderlichen Alternativen zur Politik der Eliten in der EU zu formulieren.
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde vor allem noch einmal die Forderung aufgegriffen, dass es zu einem grundsätzlichen Wechsel in der europäischen Asylpolitik kommen muss. An die Stelle von Abschottung und Grenzanlagen müssen legale Fluchtwege in die EU treten.
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> "An die Stelle von Abschottung und Grenzanlagen müssen legale Fluchtwege in die EU treten."
Haben wir doch. Jeder, der angeblich verfolgt wird, kann im nächsten EU-Land Asyl beantragen. Oder als Flüchtling aus dem Gefahrengebiet heraus in ein Land fliehen, das sicher ist.