Tod eines Handlungsreisenden
Dieser Mut wird belohnt
Lustiges auf einer Freilichtbühne erwartet man immer - Herausforderndes schon weniger.
Die Deister-Freilicht-Bühne hat sich dieser Herausforderung gestellt - wieder einmal.
Und wieder einmal mit Erfolg.
Aber starten wir vorher.
Bei der Premiere von My Fair Lady hatte Julia Nunez-Bartolomé es angekündigt: Ich muss noch viel Text lernen, denn bei "Tod eines Handlungsreisenden" bin ich dabei. Die Erwartungshaltung war also groß, als wir am Freitag bei schönstem Theaterwetter zur Freilichtbühne kamen. Und dann. Dann war sie gar nicht dabei. Dann spielte Simone Bormann die Linda. Sehr schnell war diese Enttäuschung vergessen, denn sie spielte diese Rolle gut. Natürlich! Gutes Schauspiel ist Standard bei dieser Bühne.
Aber da sitzt nun Willy Lomann am Küchentisch. Und in den ersten Sekunden passiert etwas, was später in der Handlung des Stückes immer wieder vorkommt. Im Kopf ist ein Flashback. Die Augen sehen Jens Boldt. Aber er rauscht vor dem inneren Auge als Maria, als der Erzengel, als der Schafhüter vorbei. Und in Gedanken sitzen wir in der Hinterbühne und es ist Vorweihnachtszeit. Und wie im Stück ist dieses innere Bild schnell vorbei, wenn das reale Spiel auf der Freilichtbühne uns wieder einholt. Das ist spätestens der Fall, als sich Willy über den Käse in der Tube aufregt, den Linda als die Neuigkeit eingekauft hat.
Das Stück wechselt oft von der Realität in die Traumwelt des Willy - aber auch anderer Personen. In der Traumwelt erscheint immer wieder sein Bruder. In der Traumwelt entsprechen die Söhne des Willy seinen Vorstellungen, waren es aber damals schon nicht. so steigert sich diese Irrealität weiter hoch, bis der Knall kommt und das Stück erwartet, aber doch plötzlich endet. Dabei spielen die Söhne des Willy eine wichtige Rolle. Mit Robin Jantos und Thorben Großestrangmann sind sie herrlich unterschiedlich besetzt. Die verschiedenen Charaktere werden toll herausgespielt und steigern das Geschehen.
Nun könnte die Schilderung hier enden. Aber - auch das ist eine gute Sache bei dieser Bühne - auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, egal, ob es der Nachbar, sein Sohn, die Chefin, die Frau in Boston oder die Dame im Restaurant sind.
Es ist einfach eine Bühne, die man immer wieder besuchen muss und deren Angebot man unbedingt weiter sagen muss. So ist es kein Wunder, dass so früh in der Saison schon die 10.000 Besucherin begrüßt wurde. Nebenbei, wir saßen dicht daneben.....
An Ende eines Stückes dieser Bühne wird man nach viel Applaus von dort verabschiedet. Dieses Mal übernahm das nicht ein Mitglied des Vereinsvorstandes. Dieses Mal übernahm das ein junger Schauspieler (im Stück der Sohn des Freundes) und er verabschiedete alle so rührend, dass man ihm unbedingt am Ausgang die Hand schütteln musste.
So in Gedanken, den Berg zum Auto hintergehend, kommt die Frage auf: Wenn wir nun im Dezember wieder zur Hinterbühne gehen und den Messias zum xxten Mal ansehen, werden wir dann Jens Boldt erstaunt ansehen, weil er als Handlungsreisender nicht tot ist?
Danke für deinen Beitrag. 👍