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Wird man Sie künftig unter der Kanzel antreffen, Pastor Voigtmann?

Wennigsens Pastor Horst Voigtmann wird am 1. August in den Ruhestand verabschiedet. Wird er seine Arbeit als Pastor vermissen? Welche Arbeitsbereiche haben ihm besonders viel Spaß gemacht? Wird er in Wennigsen wohnen bleiben? Die Antworten auf diese Fragen gibt er im myheimat-Interview.

Herr Voigtmann, am 1. August werden Sie im Gottesdienst als Pastor der Ma­rien-Petri-Kirchengemeinde in den Ruhestand verabschiedet. Werden Sie bei dem Gedanken daran weh­mü­tig?

Nein, mit Wehmut hat das nichts zu tun. Ich werde auch künftig in Wennig­sen wohnen und kann den Kontakt zu den Menschen halten, die mir wichtig sind.

Hat sich die Arbeit eines Pastoren in den vergangenen Jahren verändert?

Ja, sehr. Nachdem ich mehr als 20 Jahre journalistische Aufgaben wahrgenommen hatte, habe ich in Wennigsen wieder ein Gemeindepfarramt übernommen. In der Gemeindearbeit wollte ich einen Schwerpunkt auf seelsorgerische Begleitung setzen. Aber das Angebot, Menschen in besonderen Krisensituationen zu begleiten, wurde so gut wie nicht nachgefragt.

Und das hat Sie enttäuscht?

Enttäuscht und gewundert, denn es ist ja doch offensichtlich, dass Menschen oft mit ihren eigenen Fragen an Grenzen stoßen und nicht mehr weiter wissen. Haben die Menschen Bedenken, den Pastor mit ihren Problemen anzusprechen?

Es gab doch auch sicher Arbeitsbereiche, die Ihnen Freude gemacht haben, oder?

Natürlich! Als junger Pastor habe ich leidenschaftlich gern Konfirmandenunterricht erteilt, Taufgespräche geführt und mit jungen Paaren deren Trauung vorbereitet. Der Konfirmandenunter­richt ist deutlich anstrengender geworden, denn die Jugendlichen sind sehr viel unruhiger, als ich das kannte. Dennoch gab es Höhepunkte: Besuche in der Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde, in einer hannoverschen Moschee und ein Gegenbesuch der Moslems im Wennigser Kloster. Oder auch die Hörfunkandachten zusammen mit zwei Konfirmandinnen. Die haben Spaß gemacht und sehr viele positive Reaktionen von Radiohörern aus Wen­nig­­sen und ganz Niedersachsen ausgelöst.
Die Taufgespräche sind in den vergangenen Jahren ganz anders geworden. Teilweise sprach ich mit Eltern, die beide nicht mehr in der Kirche waren. Trotzdem waren das oft spannende Gespräche.
Ähnliches gilt für die jungen Paare, die zum Traugespräch kamen. Da ist dann oft ein Partner in der Kirche, der andere nicht. Die Kirchenbindung ist eher locker. Manches Mal habe ich mich schon gefragt: Was machen wir da? Bleiben wir so glaubwürdig? Eine Antwort habe ich darauf nicht!

Gilt das auch für die Beerdigungen?

In den vergangenen Jahren ist mir deutlich geworden: Die Begleitung in der Situation der Trauer beim Verlust ei­nes Angehörigen hat bei den Menschen einen großen Stellenwert. Erinnerungsarbeit und Trost sind in diesem Zusam­men­hang zwei wichtige Begriffe. Ich habe mir besonders viel Mühe gegeben, die Schritte der Angehörigen bis zur Beisetzung zu begleiten und ihnen beizustehen. Das ist sicherlich nicht immer gleichermaßen gelungen. Aber hin und wieder hatte ich den Eindruck, dass ich da auf einem richtigen Weg war.

Wie lange sind Sie Pastor gewesen? Wann sind Sie nach Wennigsen gekommen und wie werden die Wennigser Sie in Erinnerung behalten?

Im Oktober vor 36 Jahren bin ich in Bad Münder ordiniert worden. Von diesen also knapp 36 Dienstjahren als Pastor bin ich rund 20 Jahre in der Publizistik tätig gewesen. Erfahrungen daraus sind in die Arbeit der Gemeinde eingeflossen. So ist zum Beispiel der Gemeindebrief BLICKpunkt mir immer wichtig gewesen. Seine Gestaltung hat viel Einsatz abverlangt, aber das hat sich gelohnt. Ob die Wennigser dabei an mich denken, wenn sie den BLICKpunkt aufblättern?
Meine Filmclub-Arbeit in der Corvinus-Kapelle könnte manchem Cineasten in Erinnerung bleiben. Manches Kon­zert und mancher Kabarettabend in der „Kultur-Kapelle“ mag auch dazu gehören. Aber ich mache mir keine großen Illusio­nen: Menschen, die eine Aufgabe abgeben, geraten schnell in Vergessenheit und das ist auch gut für die, die nachfolgen. Ich freue mich, dass die Corvinus-Kapelle zu einem Mittelpunkt in der Wennigser Mark werden soll, in der sich Menschen aller Altersgruppen zu unterschiedlichen Unternehmungen treffen und in dem auch künftig Gottesdienste angeboten werden. Das ist ein gutes Projekt für das Leben im Ortsteil.

Pastoren stehen sonntags auf der Kanzel. Wird man Sie künftig auch unter der Kanzel antref­fen?

Ja, durchaus. Es ist gut, sich auch mal etwas von anderen sagen zu lassen. Ein Gottesdienst regt an, über un­ter­schiedlichste Dinge neu nachzudenken. Das kann natürlich auch im Gespräch geschehen. Aber da sind wir ja ruck-zuck in der Diskussion und verteidigen unsere Vorstellungen. Und damit bleibt dann meist alles beim Alten. Wenn ich, wie bei einer Predigt üblich, einfach nur höre, dann bin ich erst einmal bei mir. Mit dieser Of­fen­heit werde ich auch selbst künftig Gottesdienstbesucher sein. Nicht nur, aber auch in Wennigsen. Und das kann ich je­dem auch so empfehlen. Übrigens: Man kann auch einen Gewinn aus einem Gottesdienst ziehen, wenn man sich über die Predigt nicht unbedingt gefreut hat! Vielleicht war es dann ein Choral oder ein Orgelstück, das mir gefallen hat.

Mal abgesehen von Ihrem Beruf: Was macht Wennigsen lebenswert?

Hier leben viele Menschen, mit denen ich durch die Arbeit und durch viele Jahre als Wennigser Bürger verbun­den bin. Ich wohne hier mit meiner Familie seit August 1983. Auch wenn ich davon 20 Jahre meinen Arbeits­platz in Hannover hatte – Wennigsen ist uns zur Heimat geworden. Hier gingen unsere Kinder in die Schule. Hier hat meine Frau Gerhild in einer Arztpraxis gearbeitet. Hier woh­nen zwei unserer drei Kinder mit ihren Familien. Vier Enkelkinder sind ja auch ein gewichtiger Grund, hier zu leben.

Und was sollte in Wennigsen besser werden?

Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn nichts schlechter würde. Es ist gut, in Wennigsen zu leben. Manche haben Bedenken, dass es schlechter werden könnte durch riesige Stallungen. Ich kann das verstehen. Ein kanadi­scher Philosoph hat kürzlich in einem Rundfunkinterview gesagt, im Judentum gehe man davon aus, dass die Art und Weise, wie der Mensch mit Tieren umgehe, Rückschlüsse auf seinen Umgang mit Menschen zulasse. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich finde es wert, darüber nachzudenken. Viele Menschen denken auch über die Entwicklung der Erbpachten nach und fragen sich, wie lange sie ihr Haus noch halten können und wie das mit den freien Grundstücken weitergeht. Beide Probleme haben Auswirkungen auf die Lebensqualität in Wennigsen.

Seit über einem Jahr schreiben Bürgerreporter aus Wennigsen auf dem Mitmachportal der Calenberger Zeitung, myheimat. Was halten Sie von dem Projekt?

Bedauerlicherweise kennt unsere Demokratie die Bürgerbeteiligung an wichtigen Beschlüssen nicht. Ich denke, dass diese Tatsache auch an der Politikverdrossenheit Schuld ist. Wenn das durch myheimat verändert werden kann, finde ich das klasse. Menschen, die sich für nichts interessieren als für die eigenen Belange, sind für ein Gemeinwesen keine Hilfe. Menschen, die zupacken, Initiative ergreifen, ihre Meinung sagen, die auch streitbar sind, wenn es notwendig ist, die brauchen wir, damit es weitergeht in unserem Ort, in unserem Land und in unserer Gesellschaft. Wenn dazu myheimat einen Beitrag liefern kann, dann kann ich das nur loben.

  • Horst Voigtmann
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  • Horst und Gerhild Voigtmann
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