Die Metamorphose des Glücks
Loreley
Der nostalgische KD- Dampfer mit dem dichterischen Namen "Goethe" durchpflügt mit monotonem Schaufelradschlag den Rhein, als gelte es, Jugenderinnerungen in Wellenform ans Ufer zu spülen. Ich sitze auf dem Sonnendeck und genieße das wunderbare Rheinpanorama. Burgen und Schlösser lassen Sagengestalten in mir lebendig werden. Die Natur verzaubert mich mit wechselndem Farbenspiel und der Vielfalt ihrer sich ändernden Formen.
"Ist das der berühmte Loreleyfelsen?"- diese Frage reißt mich abrupt aus meinen Träumen. "Ja", antworte ich noch traumverhohlen, aber mit überzeugender Sicherheit. Meine Antwort verwirrt ihn, diesen älteren Amerikaner, meinen Nachbarn, der mir schon bei unserer Abreise in Rüdesheim aufgefallen war. Eine größere Anzahl von Reisebüchern baute er bei unserer zufälligen Begegnung wie eine Festung um sich herum auf und verschanzte sich hinter der Vielfalt geschriebener Texte, um sie dann mit dem Genuss eines Gourmets genießerisch in sich aufzunehmen. Mein "Ja" scheint nicht in seinen Menüplan zu passen. Sein Gesicht überzieht eine vornehme Blässe, die Falten vertiefen sich, Enttäuschung wird deutlich sichtbar. Diesen Felsen mit seinen 132m kann und darf man nicht mit den "Rockys" vergleichen, denke ich fast vorwurfsvoll. Aber dann erfasst mich eine Idee und ich beginne mein Erzählung:
"Vor langer Zeit saß auf diesem Felsen ein wunderhübsches Mädchen und kämmte ihre langen blonden Haare. Ihr luftiges Kleid umhüllte im Gegenlicht den Körper mit verführerischem und zauberhaften Reiz. Die Sonne umspielte sanft ihr Gesicht und ließ es in paradiesischer Schönheit erstrahlen..."
Er lauscht meinen Ausführungen mit verzücktem Gesicht. Seine Nase bebt wie der Herzschlag eines verliebten Mannes. Jedes meiner Worte saugt er verträumt in seinen leicht geöffneten Mund. Plötzlich, eine kurze Entschuldigung murmelnd, erhebt er sich und nähert sich zielstrebig der Reling. Dann fotografiert er glücksbeseelt den kargen Felsbrocken wie eine angebetete Freundin im Glanz der untergehenden Sonne. Mehrmals drückt er den Auslöser, als gelte es, Träume durch das Geräusch der Kamere zu beleben. Sein Gesicht zeigt das Lächeln eines glücklichen Kindes. Seine Hand umschließt den Fotoapparat fest wie einen Schatz, den es nicht zu verlieren gilt, während der nackte Felsen stolz wie eine Trutzburg aus unserem Gesichtskreis entschwindet.
Abdruck,nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors Werner Jung in Bad Ems
Danke liebe Gisela,
Du bist so fürsorglich." Wenig Wasser, Felsen ein wenig höher"...die Loreley kämmt ihr lockiges Haar in einem verführerischen Glanze... Ist ja ein Glück, dass ich nicht mit dem Schiff unterwegs bin.
Werner