Weiße Erde aus Aue
Weiße Erdenzeche - Geschichte
Die Weißerdenzeche, deren Halden und Huthaus seitlich der Schwarzenberger Straße am Heidelsbergmassiv inmitten des Waldes heute noch zu sehen sind, stellt gegenwärtig für die Stadt Aue ein bergbauhistorisches Denkmal hohen Ranges dar.
Ihre Geschichte begann vor fast 300 Jahren. Ende des 17. Jahrhunderts wurde in Aue ein recht beträchtlicher Eisenerzabbau betrieben. Zu den bedeutendsten der diesbezüglichen Gruben gehörte damals die am Heidelsberg befindliche Rote St. Andreas Fundgrube Sie lieferte das Erz für den Auer Hammer. Im Jahre 1698 stießen die Bergleute beim Abbau des Roteisensteins in dem zur Grube gehörenden Hoffnung zu Gott Stolln auf eine große Kuppel aus verwittertem Granitgestein, überzogen von Kaolin. Diese Tonerde entsteht ja bekanntlich im Zusammenhang mit der Verwitterung von Granit. Der Besitzer der Roten St. Andreas Fundgrube, Veit Hans Schnorr der Jüngere, der zudem das Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel und den Auer Hammer besaß, vermutete größere Kaolinvorkommen im unmittelbaren Umfeld. Er mutete daraufhin ein weiteres Grubenfeld und die Weiße St. Andreas Fundgrube nahm dort den Betrieb auf. Das geförderte Kaolin wurde zunächst hauptsächlich bei der Farbherstellung und für die Tonziegel der Brennöfen in den Blaufarbenwerken verwendet. Angeblich soll auch Perückenpuder daraus hergestellt worden sein. 1705 wurde für die Grube das erste Huthaus gebaut.
In jener Zeit experimentierte auf der Jungfernbastei in Dresden der Alchimist Johann Friedrich Böttger. Dieser hatte von sich behauptet, er könne aus unedlen Metallen Gold herstellen. Der sächsische Kurfürst August der Starke hielt Böttger daraufhin regelrecht gefangen und jener führte im Auftrage des Landesherren diesbezügliche Versuche durch. Dabei stand Böttger unter Aufsicht des berühmten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Der aber, mit Versuchen zur Porzellanherstellung beschäftigt, erkannte den Forscher- und Erfindergeist Böttgers und zog ihn als Gehilfe zu seinen eigenen Experimenten heran.
1708 erließ der Kurfürst eine Weisung an alle Bergämter des Landes, Tonproben weißer Färbung einzusenden. Diese waren bestimmt für die Versuche von Tschirnhaus und Böttger. Unter den eingeschickten Proben befand sich auch Kaolin aus der St. Andreas Fundgrube zu Aue, mit dem Tschirnhaus nachweislich experimentierte. Böttger erwähnte in einem Brief, daß Tschirnhaus bereits ein Porzellanbecherchen hergestellt hat. Noch im Jahre 1708 erkrankte Tschirnhaus an der roten Ruhr und starb. Böttger, in dessen Hände nun die Leitung der Versuche und die Porzellanherstellung übergingen, setzte das Werk, dessen Anfänge sein Lehrmeister gemacht hatte, zur Vollkommenheit fort. Sachsen konnte nun selbst weißes Porzellan herstellen. Der Ruhm der Erfindung des ersten weißen Porzellanes in Europa, der ursprünglich Tschirnhaus zugestanden hätte, ging nun auf Böttger über.
Bei seinen Versuchen hatte er die hervorragende Eignung des Auer Kaolins zur Porzellanherstellung erkannt. Nachdem anfänglich auch Colditzer Tonerde Ver wendung fand, diente nunmehr nur noch die Weiße Erde aus Aue zur Produktion. Die Weißerdenzeche am Heidelsberg wurde alleiniger Belieferer der Porzellanmanufaktur Meißen. Auer Kaolin durfte auch nicht irgendwo andershin geliefert werden. Es blieb der Meißner Manufaktur vorbehalten. 1711 begannen die Kaolinlieferungen der Weißen St. Andreas Fundgrube nach Meißen. Wöchentlich brachten Fuhrwerke die mit weißer Erde gefüllten Fässer auf die Albrechtsburg, wo sich damals die Porzellanmanufaktur befand. Im Jahre 1728 wurde ein kurfürstliches Mandat erlassen, dass Auer Kaolin nicht außer Landes gebracht und auch nicht mehr in den Blaufarbenwerken verwendet werden darf. Weitere Mandate folgten 1729 und 1749. Zuwiderhandlungen wurden unter Strafe gestellt, wobei die angekündigten Strafen sogar den Tod durch den Strang beinhalteten. Ferner wurden 1754 und 1764 nochmals derartige Mandate erlassen. Das Originalmandat von 1764 ist im Museum der Stadt Aue zu sehen.
Die 1752 durchgeführten Schürf- und Versuchsarbeiten durch das Bergamt Schneeberg und technische Neuerungen im Betrieb der Weißerdenzeche, brachten gute Anbrüche. Ein Brand zerstörte 1781 das 1705 erbaute Huthaus. Ein Wiederaufbau erfolgte 1782. Der sächsische Kurfürst Friedrich August III. erwarb 1790 eine größere Anzahl von Grubenanteilen. Somit gelangte die Zeche unter staatlichen Einfluss. Als staatlicher Kommissar fungierte das Bergamt Schneeberg. Es führte auch die Verpflichtung der Grubenvorsteher und Grubenarbeiter durch. Im Auftrage des Oberberghauptmannes von Charpentier wurde 1805 durch den damaligen Bergamtsassessor Siegmund August von Herder eine Befahrung der Grube durchgeführt, um dem Oberbergamt Freiberg Bericht über deren Rentabilität zu erstatten.
Dieser Bericht zeigte den Rückgang der Zeche an. Er besagte, dass der größte Teil des Lagers abgebaut sei und die Qualität des Kaolins nachlasse. Dennoch wurde der Betrieb weitergeführt. 1806 waren noch 1 Steiger, 3 Häuer, 11 Knechte und 15 Jungen in der Weißerdenzeche beschäftigt. Wenige Jahre später, im November 1813, erfolgte vorerst die Stillegung der Grube. Rund 63.592 Zentner Porzellanerde waren von 1780 bis 1814 nach Meißen geliefert worden. 1816 wurde erneut ein Kaolinlager angefahren. Der Grubenbau und seine Versuchsörter wurden mit dem Namen Neuer Andreas belegt. Drei Jahre später erfolgte die endgültige Unterstellung der Zeche unter das Bergamt Schneeberg. Das Gebot der Geheimhaltung der Grube und das Verbot des Befahrens derselben durch Fremde, wurden weiterhin aufrechterhalten. 1828 befanden sich fast alle Grubenanteile in den Händen des Staates beziehungsweise der Porzellanmanufaktur Meißen. Im gleichen Jahr erfolgte der Bau eines neuen Huthauses. Das Verbot des Befahrens der Grube durch Fremde wurde 1838 teilweise aufgehoben. Das Oberbergamt Freiberg gestattete in besonderen Fällen gegen Erlaubnisschein die Befahrung.
1839 beschäftigte die Weißerdenzeche 1 Obersteiger, 1 Untersteiger, 19 Häuer, 7 Knechte und 7 Jungen. Seit 1780 bis 1839 waren 97.347 Zentner Porzellanerde, 248 Zentner Ziegelton, 5.063 Zentner Quarz und 1.635 Zentner Eisenstein gefördert worden. Gegen Jahresende 1840 hörten die Anbrüche von Kaolin guter Qualität fast gänzlich auf. Die dazumal festgelegte Liefermenge von jährlich 1.200 Zentnern konnte kaum noch erbracht werden. Doch den Einbau eines Kunstrades, wodurch die für den Tiefbau erforderliche Wasserhaltung ermöglicht wurde, konnte die Grube noch einmal vor der Stillegung bewahrt werden. Doch die Ausgaben stiegen ständig und die Ausbeute ging mehr und mehr zurück, so das mit Zubuße gearbeitet werden mußte. 1851 schied die Weißerdenzeche aus der Aufsicht des Bergamtes aus.
Nunmehr fand nur noch Abbau in geringem Umfange statt. Am 27. April 1855 beantragte die Porzellanmanufaktur Meißen die Einstellung des Betriebes der Weißerdenzeche zu Aue. Das Kaolin aus dieser Grube wurde ihr zu kostspielig. Inzwischen war auch an anderen Orten in Sachsen Kaolin gleicher Qualität gefunden worden. Das sächsische Finanzministerium verfügte mit Jahresschluß 1855 die Einstellung des Betriebes der Weißerdenzeche. Damit hatte ein beachtliches Kapitel sächsischer Bergbaugeschichte sein Ende gefunden.
Das 1828 erbaute Huthaus der Weißerdenzeche diente danach anderen Zwecken. Erst Bürgerheim, später Altersheim, wurde es nach einem Brand stillgelegt, stand viele Jahre leer und wird gegenwärtig saniert. Ausflugsgaststätte mit Pensionsbetrieb ist das Vorhaben des neuen Besitzers. Dabei soll auch das Umfeld entsprechend seiner Historie gestaltet werden. Bleibt nur zu hoffen, dass damit ein wichtiges bergbauhistorisches Denkmal der Nachwelt erhalten bleibt.