Tomatensorten aus Mitteldeutschland und ihre Geschichte von Dr.agr.Rolf Bielau und Dipl.Landwirt Gisela Ewe
Am 1.September findet in der Kleingartenanlage „Froser Straße“, Am Hangelberg der
7.Tomatentag in Aschersleben
statt. Die diesjährige Präsentation steht unter dem obigen Motto. Der Artikel soll auf diese Veranstaltung neugierig machen.
Wir haben versucht, so viele wie möglich, der im Beitrag erwähnten Sorten anzubauen.
Die Tomatenzüchtung
regionaler Sorten in den damaligen Ländern Thüringen, Königreich/ später Freistaat Sachsen und der preußischen Provinz Sachsen reicht mindestens in die 1870er Jahre des 19.Jahrhunderts zurück. Anfangs dominierten in den hiesigen Samen-Katalogen französische und englische Sorten. Umgangssprachlich und in den Katalogen war die Bezeichnung Liebesapfel bis in die späten 1930er Jahre gängig. Es gab Saatzuchtbetriebe in Erfurt, Eisleben, Aschersleben, Quedlinburg, aber auch kleine Gartenbaubetriebe wie in Pechau bei Magdeburg, Calbe/Sa. und später Hobbysorten von einzelnen Privatpersonen. Diese sollen deshalb die Breite des Angebotes vor 1945, in der DDR bis 1991 und bis in die Gegenwart zeigen. Einbezogen werden einige Sorten aus dem Brandenburgischen.
Während über Jahrzehnte die samenechten /-festen Sorten dominierten, begann Ende der 1920er Jahre langsam die Tomaten-Hybridzüchtung. Durch die Kombination zweier reinerbiger Linien mit unterschiedlichen Eigenschaften, konnten in den Hybriden (F1) gleichmäßige Tomatenbestände mit zahlreichen Krankheitsresistenzen und höherem Ertrag geschaffen werden. Im Artikel sind alle Sorten ohne den Zusatz F1 samenfest/ samenecht.
Erfurt war die Stadt mit vielen bekannten Samenzuchtbetrieben. Nach 1945 verlagerte sich aus politischen Gründen das Zentrum der ostdeutschen Pflanzenzüchtung bei Blumen und Gemüse nach Quedlinburg. Einige bekannte Erfurter Samenbaubetriebe, wie z.B.
Firma E. Benary, verließen die DDR Richtung Westen.
Bereits 1879/80 kam die erste uns bekannte Tomatensorte „Scharlachrote Türkenbund“ von der Samenfirma Benary
in den Handel. Züchten hat hier die wissenschaftliche Bedeutung der Schaffung neuer Formen und Sorten mittels Selektion und Kombination in Saatgutfirmen. Nicht gemeint ist der heutige, oberflächliche Wortsinn des Anbauens, Ziehens
und der Produktion.
1893 gab es im Haupt-Verzeichnis der Samen - Handlung von Ernst Benary in Erfurt bereits von Tomaten oder Liebesapfel 42 Sorten und 2 Mischungen, meist ausländischer Herkunft. Benary war als größter und vielseitigster Samenzuchtbetrieb in Erfurt stets bestrebt, Neuigkeiten aus eigener Produktion zu präsentieren. 1927 kam die erste F1-Hybride mit dem Namen „Heterosis“ im Betriebskatalog heraus. Sie wurde in der Höheren Gartenbau-Lehranstalt Eisgrub in Mähren von Prof. Franz von Frimmel gezüchtet, zu welcher die Firma Benary intensive Kontakte besaß. Ein Katalog der Quedlinburger Firma H. Wehrenpfennig Anfang der 1930 führte diese F1 Hybride auch im Angebot. Wahrscheinlich bedingt durch den hohen Arbeitsaufwand bei der Produktion dieses speziellen Samens verschwand die Sorte wieder schnell. 1950 folgte die Zuckertomaten-Sorte „Gartenfreude“, eine Mutation aus „Rote Beere“. Diese wurde nach dem Weggang der Firma Benary in den frühen 1950er Jahren nach Hann.Münden von der DSG Erfurt gehandelt.
Der Samenhändler Johann Christian Schmidt, Erfurt züchtete die „Jubiläumstomate“. Das Zulassungsjahr ist uns nicht bekannt, liegt aber vor 1900.
Die Samenbaufirma F.C.Heinemann
Erfurt brachte die meisten Thüringer Tomatensorten hervor. Bereits 1884 kam die gelbfrüchtige „Goldene Königin“(GK) in den Handel. Außer der 1950 gezüchteten Stabtomate „Heinemanns Vortreffliche“, gab es die Buschtomaten „Heinemanns Rotkäppchen“, „Heinemanns Nesthäckchen“, „Eros“ und „Heinemanns Jubiläum “,(N.Z. 430)948- aus der Sorte „Findling“. Züchter war Rudolf Bulin. Der Züchter der „Goldenen Königin“ ist uns nicht bekannt.
In der Firma N.L.Chrestensen züchtete Hans Janck ab 1948 Buschtomaten. Diese brachte 1961 die Buschtomate „Chrestensens Edelrot“ heraus. Diese wurde aber 1967 bereits wieder „wegen zu geringem landeskulturellem Wert“gestrichen.
1968 bietet der Katalog der Firma Hake & Co. ,Quedlinburg, die Buschtomate „Perfekta von der DSG, Erfurter Samenzucht, an.
Das VEG (S) Zierpflanzen Erfurt konnte 1986 die Buschtomate “„Gundula“, vom Saatzuchtleiter und Züchter Harald Kleim zur staatlichen Zulassung bringen,
Bereits 1906 wurde durch die Firma Staib aus Aschersleben die heute noch angebaute Stabtomate„Lukullus“ gehandelt. Anderen Angaben zufolge war sie bereits 1900 erwähnt. Sie ist eine Kreuzung aus „Dänische Export“ x Juwel“.
Im VEG Aschersleben lag der Schwerpunkt in der Buschtomatenzüchtung. Dr. Walter Pech züchtete um 1970 „Petito“. Frau Illner u. Dr. Hartmut Arndt in der Zuchtststation des dortigen VEG schufen „Iris“,1981; „Uta“, „Gartenperle“ und „Balkonzauber“,1984; ,1986 und „Renate“,1990.
In Eisleben begann die Tomatenzüchtung in der Firma August Haubner 1939 mit der Stabtomate „Haubners Vollendung, auch als „Eislebener Vollendung“ oder nur „Vollendung“ (DSG 1950). Züchter der Sorte war Hermann Kuckuck.
Erfolgreichster Eislebener Tomatenzüchter war Christoph Kleinhanns, der zwischen 1973 und 1997 21 Sorten, davon „Nadja“,1973, und „Tamina“,1978, in verschiedenen Firmen , meist in der Zuchtstation des VEG „Walter Schneider“ Eisleben züchtete. Eine ständig publizierte Behauptung, die Sorten „Tamina“ und „Matura“ seien identisch, stimmt übrigens nicht. 13 Sorten beginnen mit „I“ als Erkennungszeichen. Islebia war der frühere lateinische Namen von Eisleben. Für den Erwerbsgartenbau schuf er die 7 Sorten: „Intakt F1, Isnova, Intensa, FranziF1, Lioba F1 und Fatima F1“, die teilweise in der DDR im Rahmen des "Zuchtprojektes Stabtomate" entstanden, und die samenfesten “Itema“ u. „Impuls“. Für den Hobbybedarf kamen die Topftomaten „Balcony red u.Balcony yellow“ in den Handel. Er verbesserte die Hybride „Harzfeuer F1“ unter dem Namen „Harzglut F1“. Weitere Hobbytomaten von ihm sind Ildi, Idol und Ikarus. An den 3 Hybriden „Franzi F1“,
„Lioba F1“ und „Fatima F1“ war sein Mitarbeiter Olaf Kunzemann beteiligt.
Die erste Quedlinburger Gärtnerei, die sich mit der gezielten Pflanzenzüchtung der Tomate nachweislich beschäftigt hat, war Gebr. Ebert, in der ehemaligen Bismarckstr. 12, heute Stresemann Str.30. am Itschensteg. Dort ist noch am Wohnhausgiebel der Firmennamen erkennbar. Bereits in den 1880er Jahre züchtete man hier die ersten Tomatensorten. 1944 wurde die letzte Stabtomaten- Sorte zugelassen. Leider ist sie in den Wirren der Zeit um/nach 1945 verloren gegangen. Sortennamen dieser Zuchtfirma sind uns leider nicht bekannt. Wer kann dazu Hinweise geben oder hat sogar noch Saatgutmuster?
Als Züchter der Tomatensorte “Standard“, völlig glatt,o.Zeichnung, die1931 in den Handel kam, war Otto Storbeck ( 1875 - 1959 ) auch in der Gemüsezüchtung aktiv.
Die Saatzuchtfirma David Sachs hatte die eigene Sorte „Goliath“.
H. Wehrenpfennig, Samenzucht, empfiehlt 1934 bei Liebesapfel oder Tomate 10 Sorten und 1 „Mischung bester glattfrüchtiger Sorten“. Darunter sind:„Matador“, Die Fruchtbarkeit ist staunenerregend...25 mittelgroße Früchte an einer Traube. „Augusta“, 14 Tage früher als andere Sorten. Beide Sorten sind unseres Wissens nach nicht von dieser Firma gezüchtet worden. Die damalige DSG vertrieb vor 1970 die Sorten „Apollo, Matura und Dominator.“ Angaben zu den Züchtern und Zulassungsjahre würden wir gern erfahren.
Bereits 1953 züchtete der Quedlinburger Paul Vogel im Inst.f. Pflanzenzüchtung der DAL der DDR die samenfeste Stabtomate „Harzer Kind“, eine Kreuzung aus zwei anderen Sorten. Der erfolgreichste Gemüsezüchter Quedlinburgs, Dr. Friedrich Fabig, schuf 7 Stabtomatensorten und war maßgeblich an der Einführung der Hybridzüchtung in dieser Gemüseart beteiligt. Bekannt ist er durch seine Schöpfung „Harzfeuer F1“. Dies war die erste DDR Hybridtomatensorte und wurde 1959 unter dem Namen „Prima Vera“ zugelassen. Auf Einspruch einer westdeutschen Saatgutfirma, die eine Tomate gleichen Namens im Sortiment hatte, mußte kurzfristig „über Nacht“ ein neuer Name gefunden werden. Der Züchter entschied sich für „Harzfeuer F1“. Im September 1961 wurde der neue Name im Sortenregister bekanntgegeben. Weitere Sorten von ihm waren 1951 „Frühe Liebe“, synom auch „Quedlinburger Frühe Liebe“, 1953 die Sorte „Fanal“ und vor 1970 „Grit“. Für den Erwerbsgartenbau schuf er in den 1980er Jahren die F1 Sorten „Joker F1“ und mit Dr. Rolf Bielau „Boderot F1“ und „Bodeglut F1“. 1980 erfolgte die Züchtung von Dr. Martin Stein „Auriga“- eine Sorte mit leicht oranger Farbe und hohem Beta- Carotin- Gehalt.
1984 folgte im Institut für Züchtungsforschung Quedlinburg die Buschtomate „Katrina“, deren Züchterin Frau Dr. Barb Neubert ist.
Weitere Tomatensorten aus kleinen Gartenbaubetrieben kamen aus zwei Gartenbaubetrieben um Magdeburg. „Beymes Erntesegen“,1950, war eine Stabtomate des Züchters Gustav Beyme aus Pechau b. Magdeburg. Dort betrieb er mit seinem Bruder O.Beyme einen Gartenbaubetrieb. Die Buschtomate „Sperls Zukunft“ züchtete der Gärtner Theodor Sperl aus Calbe/Sa. 1948 aus einer alten Landsorte.
Aus Pillnitz b. Dresden stammt der „Pillnitzer Stamm XV“, eine Stabtomate zu der weitere Angaben fehlen.
1960 wurde die Stabtomate „Hellperle“ im Institut für Gemüsebau Großbeeren gezüchtet.
Von Privatpersonen kamen weitere Sorten, die nicht in einer amtlichen Sortenliste verzeichnet sind. Diese wurden uns z.T. unter „DDR Sorten“ als Muster zugesandt.
Die Namen sind meist von den Einsendern vergeben worden:
Tip Top
Müncheberger Frühtomate
Ernteglück
Große Gelbe Fleischtomate
Australische Birnentomate
Planet
Schmidt Orla
Spanische Aroma Fleischtomate
Rosenstock
Hellfrucht
Saxon
Ernteglück.
Drei Sorten wurden der Firma N.L.Chrestensen, Herrn Blüthner, angeboten, aber nicht zur offiziellen Zulassung gebracht:
Nach Blüthner, Erfurt, soll die Tomate „Möhrle“ von einem Magdeburger Züchter sein.
„Eisenbergers Glanztomate“ und ,„Schwarz-Braun-Rote“ sind ebenfalls „Privatsorten“.
Tomaten aus langjährigem Hobbyanbau sind sogenannte Familiensorten.
Solche Sorten wurden von verschiedenen Privatpersonen aus Mitteldeutschland zur Verfügung gestellt., wo sie selbst oder schon ihre Eltern Tomaten anbauten und immer wieder Samen davon gewonnen haben.
Rosis Tomate aus Nienburg/Saale (von der Tante Rosi und die Familie hat diese Tomate deshalb so benannt)
Bördetomate erhalten von Herrn Budde aus der Nähe von Magdeburg, soll von einem Züchter sein, aber nie zugelassen worden und die Tomate hat wohl jede Familie im Ort dort angebaut
Tomate Edith Reisberg aus der Altmark, die Mutter Edith hat über viele Jahre diese Tomate gezogen und die Tochter dieses Saatgut uns zur Verfügung gestellt.
Unser Dank gilt allen, die uns mit Saatgutmustern, Informationen und bei der Beschaffung von Literatur geholfen haben. Besonders sind dies die Firmen N.L.Chrestensen Erfurt, ISP GmbH Quedlinburg und satimex Quedlinburg sowie das Leibnitz Institut IPK Gatersleben,Genbank. Fachliche Informationen bekamen wir von Frau Ines Springmann: BSA Hannover, Frau Ulrike Lohwasser: IPK Gatersleben, Wolf- Dieter Blüthner: N.L.Chrestensen, Christoph Kleinhanns: Quedlinburg OT Gernrode, Anke Sperl: Calbe/Sa.., Dr. Hartmut Arndt: Aschersleben, Grit Lautenbach und Frau Silvia Ballhause: beide JKI Quedlinburg, und Katrin Nachtwey -Hoffmann: Kreisbibliothek Quedlinburg.
Die Literaturquellen liegen bei den Autoren aus.
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am 23.06.2018
um 22:15
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