Hannovers Einhörner und Königswappen
„Seit alters mit unbändiger Kraft und unbezwinglichem Mut ausgestattet, als Sinnbild des Heilands mit dessen Tugenden ausgezeichnet, der Demut, die sich in irdisches Kleid hüllt, der Reinheit, die sich nur der Jungfrau beugt“ – aus dieser Sicht ist das Einhorn eines der bedeutendsten Mischwesen und Fabeltiere in der christlichen Ikonographie und daher auch in der Heraldik. Was hat aber das Einhorn mit Hannover zu schaffen? Nun – wir finden es, außer über dem Tor der Rathausapotheke (Bild 1), an höchst prominenter Stelle, nämlich im Giebeldreieck des Portikus unseres Landtagsgebäudes (Bild 2, vor dem kürzlich die Schüler, irregeleitet von linken Chaoten, randalierten). Zusammen mit dem britische Löwen hält es das britische Königswappen, dem ein bekrönter Herzschild mit dem Wappen des Hauses Hannover aufgelegt ist. (Wie jedes Schulkind weiß, bestieg im Jahr 1714 der hannoversche Kurfürst als Georg I den Thron Großbritanniens und Irlands – 123 Jahre dauerte diese Personalunion.) Im Jahr 1603 nahm James VI von Schottland als James I, König von England, das „Unicorn“ in das königlich-britische Wappen auf. Häufig trägt es einen Ziegenbart und hat gespaltene Hufe – ein Relikt aus der griechischen Mythologie.
Wir finden wappenhaltendes Einhorn samt Löwen in Hannover an Gebäuden, die während der o. a. Personalunion errichtet wurden, beispielsweise am „Marstalltor“, dem Portal des ehemaligen Reithauses von 1714, das 1945 abgebrochen wurde(Bilder 3, 4). Dem Einhorn ist leider das Horn abgefallen; der Wappenschild enthält links oben die drei englischen Leoparden, zusammen mit dem schottischen Löwen innerhalb eines Liliendoppelleistenbords; im Feld rechts oben stehen die drei französischen Lilien, mit denen seit Edward III (1314) Anspruch auf die französische Krone erhoben wurde, und den erst Georg III (1801) aufgab; im Feld links unten findet sich die Harfe, das alte Symbol Irlands (siehe irische Euro-Münzen); im Feld rechts unten schließlich das Wappen des Hauses Hannover. Um den Schild schlingt sich das Band des 1350 von Eduard III gestifteten Hosenbandordens mit der Devise „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“. Unten lesen wir: DIEU ET MON DROIT („Für Gott und mein Recht“; Wahlspruch aller englischen Könige ab 1340).
Das gleiche Wappen finden wir (in Farbe) im Portal der ehemaligen Garde-du-Corps-Kaserne von 1738 (Bild 5), die einst am Königsworther Platz stand (siehe auch U-Bahnhof gleichen Namens, Bild 6), heute neben dem Neuen Rathaus am Eingang zur Bauverwaltung. Ganz in der Nähe befindet sich das Staatsarchiv, dessen Nordportal ebenfalls das Wappen Georgs I, des ersten Bauherrn, trägt (Bild 7).
Am Wappen auf dem Giebel des ehemaligen Marstalls der Königs-Ulanen (1863–1866) in der Nähe des Welfenschlosses sind die französischen Lilien verschwunden und das hannoversche Wappen ist aufgesetzt (Bilder 8, 9). Es enthält links zwei (Celler?) Löwen, rechts den Braunschweiger Löwen, unten das Sachsenross und darüber die Reichskrone. Das Band trägt den Wahlspruch der Welfen: NUMQUAM RETRORSUM („Niemals zurück!“). Unten steht: SUSCIPERE ET FINIRE („Unternehmen und zu Ende führen“).
Am Ende unserer Erkundung landen wir auf dem Friedhof (Bild 10) – das dortige Einhorn soll Tote ins Leben zurückführen können (sagt man) ...
Bürgerreporter:in:Rüdeger Baumann aus Garbsen |
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