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AWO-Kindergarten für Gleichberechtigung

  • Chris mit Chefin, Eltern, Musiklehrerin und Kindern beim Abschiedsfest im KIGA Dreilinden
  • hochgeladen von Renate Schwäricke

Ein männlicher Erzieher-Praktikant hat sein Praktikum im AWO-Kindergarten Dreilinden beendet. Jenny Douda-Kückelhaus, die Kinder und er selbst ziehen ein Resümee über ihre Erfahrungen mit dem „Mann“ in der Frauendomäne Kindergarten.

Christian Müller, kurz Chris, ist Schüler der FOS in Friedberg. Im Rahmen seiner Ausbildung an der Fachoberschule ist im sozialen Zweig ein erzieherisches Praktikum Pflicht. Chris ist der einzige Junge in seiner Klasse und auch im Kindergarten Dreilinden ist er erst der dritte männliche Praktikant. Im Kindergartenbereich arbeiten allgemein nur sehr wenige Männer. Dies begründet sich einerseits in der schlechten Bezahlung, die es keinem Mann erlauben würde eine Familie zu ernähren, so verdient eine Kinderpflegerin weniger als ein Tierpfleger, andererseits aber auch an alten Klischees.

Mit denen hat Chris keine Probleme, und obwohl ihm die Arbeit mit den Kindern riesigen Spaß gemacht hat, wird er wohl später aus finanziellen Gründen nicht im Kindergarten arbeiten. Das Praktikum war für ihn eine „Super-Erfahrung“, die er jedem Jungen wünschen würde. Er hat gelernt konsequent zu sein, sich besser zu organisieren, hatte Freude an der Entwicklung der Kinder, war Spielkamerad, Helfer, Konfliktlöser und Autoritätsperson.

Die Kinder waren dem Jungen auf besondere Weise zugewandt. „Chris ist cool“, sagt Vanessa. „Er kann prima Fußball spielen“, schwärmt Fabian. Hilal findet Chris „voll nett“ und, dass er „stärker ist als die Frauen und die Kinder so gut im Kreis rumschleudern kann“. Auch Hasan hat in Chris einen großen Freund gefunden. Tizian hat sich sogar nur deshalb getraut bei der Kindergartenübernachtung da zu bleiben, weil er neben Chris schlafen durfte. Die meisten Kinder sind deshalb ein bisschen traurig, wenn er nun wieder geht. Chris selbst hatte das Gefühl, dass die Kinder ein Nachholbedürfnis haben, was männliche Bezugspersonen und Vorbilder angeht: „Wahrscheinlich arbeiten die Väter lange und sind abends zu erschöpft, um mit ihren Kindern zu spielen“.

Die anfängliche Verunsicherung einiger Eltern war schnell verflogen. Auch Kindergarten-Leiterin Jenny Douda-Kückelhaus empfindet ihre männlichen Praktikanten als große Bereicherung. Chris war kompetent in allen Bereichen von der Hauswirtschaft, über’s Grenzen setzen, Gitarre spielen oder liebevolles Trösten. Das Besondere aber war sein männliches Vorbild, das sich nicht am „coolen Typen“, sondern an einem verantwortungsvollen, hilfsbereiten "Mannsbild" orientierte.

Douda-Kückelhaus ist überzeugt, dass Männer alles haben, was im Kindergarten gebraucht wird: Geduld, Verständnis für Kinder und Konsequenz. Für sie und ihre Kolleginnen war es eine positive Erfahrung und sie würden sich und vor allem den Kindern mehr männliche Erzieher wünschen. Auch Chris resümiert: „Man(n) merkt, dass den Kindern die Männer fehlen! Ich kann nur allen Jungs ein Praktikum im Kindergarten empfehlen.“ Und die Mädels in Chris Klasse? Die finden’s toll.

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6 Kommentare

Liebe Renate,

vorneweg mal das Wichtigste: ich danke Dir für Dein Engagement und Deine wunderbare Berichterstattung.

Nein ich wollte nicht die Goldwaage bemühen, sondern ich habe Deinen Bericht als Stütze genommen um genau auf diesen Missstand der schlechten Bezahlung und den Folgen daraus aufmerksam zu machen: Armut während der Familienzeit für Kinder und Eltern und Altersarmut.

Ich bin sehr der Meinung, dass sich was Grundlegendes ändern muss und dazu gehören: gute Bezahlung für ordentliche Arbeit und vor allem eine Angleichung der Einkommen gerade auch im Bereich der Arbeit mit und für Menschen, egal ob es sich um kleine Menschen - die erzieherischen Berufe - oder für erwachsene hilfsbedürftigen Menschen - die pflegerischen Berufe - handelt. Und ich meine hier nicht Angleichung nach unten in Richtung Dumping-Löhne, sondern das Gegenteil.

Gleichzeitig möchte ich auch darauf aufmerksam machen, dass wir, die Gesellschaft uns bewusst werden müssen, dass wir auch eine andere Einstellung brauchen.

Und hier füge ich nochmals ein, was in meinem obigen Kommentar etwas verstümmelt wurde
Also:
"Eine Gesellschaft braucht Menschen, die eigene Einkommen haben und damit auch eigene Alterseinkommen, denn sonst generieren wir wieder eine Generation mit Altersarmut, weil über Jahre kein eigenes oder zu kleines, eigenes Einkommen erzielt wird!"

Und das kann und darf es nicht sein!
Also weg mit den Klischees: einer muss und die oder der andere braucht nicht ...
hin zu ... wir sind und bleiben eigenverantwortlich auch und gerade in Partnerschaften und Elternschaft.

Eine solche veränderte Einstellung geschieht nicht, ohne dass es thematisiert wird, wie soeben geschehen durch uns.

Jetzt bleibt uns nur zu hoffen, dass wir mit unseren Denkanstössen auch viele Menschen erreichen, die sich an der Diskussion beteiligen und sie weitertragen, damit am Ende echte Gleichberechtigung dabei herauskommt.
Klara Rüsenberg

In die gleiche Richtung geht der Artikel " Männlichkeit und Altenpflege - (k)ein Widerspruch" unter http://diegesellschafter.de/tagebuch/eintrag.php?e...

Auch ich würde mehr Männer in sozialen Berufen begrüßen. Leider ist es auch heute noch so, daß im sozialen Bereich schlechte Bezahlung und Ausnützung sich die Hand geben. Wenn im sozialen Bereich Geld eingespart werden soll, wird am Personal gespart. Das übrige Personal kann das ja auffangen. Dies geht oft auf Kosten der Gesundheit und zu Lasten der Familien. Da ist "Sozial" nicht mehr sozial.
Frauen in sozialen Berufen, selbst wenn Sie Alleinverdiener sind werden anders behandelt als Männer.
Männer in sozialen Berufen, auch wenn das eigenartig klingen mag, würden den Stellenwert dieser Berufe verbessern und damit vielleicht auch endlich eine der Verantwortung entsprechende Bezahlung herbeiführen.

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