„Im Pokal war immer die Hölle los“
K.-o.-Spiele haben auch im kühlen Nass stets Dramapotential gehabt: Bei den Wasserballern des Lehrter SV sind während der 1990er-Jahre für eine ganze Spielergeneration mit vielen auch heute noch im städtischen Leben bekannten Namen nicht die immerhin neun Spielzeiten in Verbands- und Oberliga der sportliche wie auch emotionale Höhepunkt gewesen, sondern turbulente Partien in den Pokalwettbewerben. Am 19. August jährte sich hier jetzt einer der größten Erfolge der Lehrter Wasserballhistorie zum 25. Mal: 1995 erreichte der Klub aus der Region Hannover als unterklassiges Team überraschend das Finale des niedersächsischen Landespokalwettbewerbs.
Turbulente Pokalpartien standen allerdings das gesamte Jahrzehnt auf dem Programm. „Da war immer die Hölle los“, erinnert sich nicht nur Lehrtes Wasserball-Legende Joachim Haake, im Juni gerade 60 Jahre alt geworden, gerne an die Zeit: Diese begann schon 1991 mit dem Bezirkspokalsieg in Hannover und Landespokalspielen vor über 100 Zuschauern im völlig überfüllten Lehrter Hallenbad und ging bis zu Nordpokalpartien in Berlin und Hamburg sowie der Qualifikation für den DSV-Pokal 1997/1998.
Waren die LSV-Wasserballer in der Spielzeit 1993/1994 nur mit viel Glück dem Abstieg aus der damaligen Verbandsliga entronnen, mischte das Team in der Saison darauf unter dem neuen Trainer Hartmut Wattenberg den Pokalwettbewerb regelrecht auf. In Erinnerung geblieben sind nicht nur Resultate: Bei der beispiellosen Tour durch das Bundesland und zugleich alle vier Regierungsbezirke wurde Niedersachsen in seinen Ausmaßen „einmal komplett vermessen“, wie es spöttisch hieß. In einem Teilnehmerfeld mit gleich 34 Mannschaften (das in dieser Größenordnung seitdem nie wieder erreicht worden ist) legte die LSV-Sieben von der Qualifikationsrunde bis zum Viertelfinale zunächst vier Auswärtssiege bei Wasserfreunde Völlen-Papenburg (11:7), SV Treue Schöningen (18:5), SC Neptun Cuxhaven (22:5) und dem TuS Syke (8:7) hin. Ein absoluter Kraftakt war dabei die Viertelfinalpartie gegen Syke: „Da sind wir krankheitsbedingt nur mit neun Leuten angereist und haben im Schlussviertel noch einen 4:7-Rückstand gedreht“, hieß es in einem Bericht.
Heimrecht gab es für den Verbandsligisten erstmals im Halbfinale, wo mit dem Oberligisten Winsener SV dann allerdings die „Nummer eins“ des Bezirks Lüneburg wartete. 8:7 lautete hier der Start-Ziel-Sieg gegen die favorisierten Gäste von der Luhe, die in jenen Jahren eine Liga höher regelmäßig Medaillenplätze einfuhren. Gestoppt wurde der Pokalschreck erst im Endspiel auf dem niedersächsischen „Tag des Wasserballs“ im Vereinsfreibad des RSV Hannover, wo die LSV-Sieben gegen den Oberligisten Eintracht Braunschweig II mit dessen Bundesliga-Altstars mit 5:10 das Nachsehen hatte. Für die Lehrter war dennoch der größte Lehrter Erfolg seit dem zweiten Platz in der Oberliga Niedersachsen des Jahres 1977.
Als nahtlose Fortsetzung des Pokalcoups war die Lehrter Sieben im Folgejahr zugleich erstmals für den norddeutschen Pokalwettbewerb qualifiziert und schied dort auf einem Viererturnier in Berlin in der Halle des deutschen Meisters Wasserfreunde Spandau 04 aus. Zwei Jahre später waren die Eisenbahnstädter dann sogar in der ersten Runde des DSV-Pokals vertreten, wo es eine knappe 11:13-Heimniederlage gegen den Regionalligisten TV Gut-Heil Billstedt aus Hamburg gab.
Mit Trainer Hartmut Wattenberg und Centerverteidiger Mathias Lyke sind zwei langjährig bekannte Gesichter des Lehrter Wasserballs schon seit einigen Jahren verstorben, allerdings hoffen die Verantwortlichen auf ein Wiedersehen der verbliebenen Aktiven im kommenden Sommer beim 100-jährigen Jubiläum der LSV-Schwimmabteilung – es gibt schließlich genug Spiele, die aus diesem Jahrzehnt in Erinnerung geblieben sind.