Im Leben eines Lesers gibt es jedes Jahr zwei Höhepunkte. Im Frühjahr die Buchmesse in Leipzig und im Herbst die Buchmesse in Frankfurt. Während man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, Frankfurt sei steif und dem Business verhaftet, ist die Buchmesse Leipzig viel lebhafter, ja fröhlicher.
Bereits am Mittwoch Nachmittag bei der Ankunft zum Aufbau des Messestandes der Romantruhe, machte sich eine Erwartungshaltung auf die kommenden Tage breit. Neben anstrengenden Aufbau- und Standdienst für einige und dem hin- und hereilen zwischen den Hallen um Termine wahrzunehmen für die anderen, stand im Vordergrund, Autoren, Verleger und Graphiker zu treffen. Eine Messe ist die beste Möglichkeit, für Kleinverlage, Herausgeber und Verleger ein Netzwerk zu schaffen, in dem sich die einzelnen Menschen bereitwillig unterstützen.
Am 15ten März öffnete die Messe pünktlich um zehn Uhr ihre Pforte für die Fachbesucher und Pressevertreter. Interessant für die Verlage sind jedoch auch die Besucher, die bereits am ersten Tag die Messe besuchen dürfen. Die Verlage, sind vom offenen Konzept begeistert, weil sie auf diese Weise eine direkte Rückmeldung des Publikums erhalten, was gefällt und was nicht. Traditionell sind am ersten Tag ganze Schulklassen unterwegs, um sich über Bücher und ihre Nebenprodukte zu informieren, denn das gedruckte Buch fasziniert die Leser weiterhin, aller Medienunkerei zum Trotz. Dabei ist es nicht wichtig, wo der einzelne Leser seinen Schwerpunkt legt, denn Erzählungen oder Romane, Krimis oder Ratgeber, das Interesse des Publikums am Buch und seinen verwandten Medien ist ungebrochen faszinierend. Ein begeistertes Publikum, leidenschaftliche Autoren und zum größten Teil zufriedene Verleger prägten den Auftakt des Buchjahres 2012. Fast 2.100 Verlage mit fast 3.000 Ausstellern, Autoren, Graphikern und anderen mehr aus 44 Ländern präsentierten ihre Neuheiten, wobei die elektronischen Bücher und buchverwandte Medien wie Hörspiele jedes Jahr mehr in den Vordergrund rücken. Die Branche berichtet, dass der Handel mit Büchern im Vergleich zum Vorjahr um etwa 2 Prozent zurückging, während dieses Jahr gerade die großen Verlage bereit waren, ihre Standfläche zu vergrößern und mehr Bücher anzubieten. Dieser Kontrast zwischen Angebot und Verkauf ist es, der den Buchhändlern Sorgen bereitet. Wie soll man bei einem erweiterten Angebot, die Kunden mit den für sie interessanten Werken bedienen? Dabei hat die Messe bei kleinen unabhängigen Verlagen mit ihren ersten Ständen einen Zuwachs von erfreulichen sechs Prozent erzielt. Gerade die kleinen unabhängigen Verlage freuten sich über das grosse Interesse der Besucher, das es auch für noch unbekannte Autoren gab. Ein Schwerpunkt der Messe bildete in diesem Jahr die Kinder- und Jugendliteratur. Wobei sich wieder einmal mehr die Verlage freuen, wenn sie für den Deutschen Jugendbuch Preis nominiert werden. Zeigt eine Preisverleihung in diesem Sektor doch, dass neben altbekannten Autoren auch neue eine Chance haben und das Buchprogramm des Verlages im wahrsten Sinn des Wortes Preiswürdig ist.
In den Hallen herrschte vornehmlich dichtes Gedränge. Anziehungsmagnete waren etwa der Auftritt des Tatort-Kommissars Axel Prahl oder eine Signierstunde der Kult-Band Silly. Nach zehn Jahren Abstinenz konnte die Gruppe mit der neuen Sängerin Anna Loos wieder ihre Fans überzeugen. Weitere Veranstaltungen stahlen sich gegenseitig die Show. Persönlich fand ich die Lesung und das Kurz-Gespräch mit Egon Bahr sehr interessant. Leider erfuhr man viel zu wenig oder anders gesagt, gerade genug, um das Buch zu kaufen.
Ein weiteres interessantes Projekt ist sicherlich Weltbibliothek Digital. In diesem Projekt werden nur Webseiten angezeigt, auf denen Texte kostenfrei und ohne Anmeldung zugänglich sind. Bevorzugt werden dabei nicht-kommerzielle Anbieter ausgewählt. Weltbibliothek Digital unterteilt sich in die Rubriken Dichtung, Romane, Märchen und Sagen, Historische Quellen, Philosophie und Wissenschaft, Klassiker International und Zeitschriften und Lexika.
Autorenlesungen und Diskussionen
Seit 1991 besteht Europas größtes Lesefest. Unter dem Titel Leipzig liest findet jährlich im Rahmen der Leipziger Buchmesse das Lesefest statt. Ganz Leipzig bietet für Autoren Treffpunkte, zumeist abends, an denen Autoren aus ihren Werken vorlesen. Aber selbst die Schulklassen können sich über eine Lesung freuen. Etwa wenn der extra aus Grossbritannien angereiste Jugendbuchautor T. A. Barron in den Klassen selbst liest. Bei einem Gespräch mit ihm am Stand von dtv erfuhr ich mehr über seine neuen Projekte. Sein Thema Merlin ist nach drei Trilogien erst einmal abgeschlossen. Im Mittelpunkt nun das Thema Atlantis.
Neben den Lesungen auf der Messe in diversen Hallen, etwa der Fantasy-Lese-Insel, betreut durch Werkzeugs, der Lesebude und anderen mehr, gab es auch grössere Bühnen. Auf bzw. in der Lese-Insel lasen vor allem Autoren aus dem Bereich der Phantastik. Bekanntere Autoren wie Markus Heitz, Michael Peinkofer, Bernhard Hennen und unbekanntere Autoren wie Jennifer Schreiner, Torsten Low, Oliver Plaschke und viele andere mehr gaben sich in vier Tagen im Halbstundenrhytmus die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Die gut besuchten Lese-Standorte boten somit für alle Arten der Literatur einen guten Überblick, was in deutschen Landen in die Hände genommen wird. Dies sind jedoch nur ein paar Beispiele, denn es ist nicht möglich, auch nur einen Bruchteil der mehr als 2.500 Veranstaltungen an mehr als 350 Orten zu besuchen. Die Leser und Hörer des Lesefestes konnten somit bekannte und unbekannte Autoren und Freunde der Literatur hautnah und im direkten Gespräch erleben.
Eine speziellere Veranstaltung fand am 16ten März statt.
Diskussion mit europäischen Autoren über Tabus beim Schreiben
Im Café Europa diskutierten Autoren über Themen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in Büchern zu finden sind. Oder zu finden sein sollten. Maja Haderlap und Annett Gröschner sprachen über Tabuzonen – Worüber man nicht schreiben darf. In diesem Zusammenhang sprach einer der Verleger auf der Buchmesse davon in einem persönlichen Gespräch, dass er ein Manuskript angeboten bekam, worin es sich um eine Vater-Tochter-Inzest-Beziehung handelte. Er meinte, die Gedanken sind frei, aber in diesem Fall sind seine moralischen Grenzen sehr viel enger, als die des angeblichen Autoren. Er würde nie ein solches Manuskript veröffentlichen. Dahingegen zeigten unter anderem die Autoren und Autorinnen den Zuhörern, vor welchen Herausforderungen Autoren heute stehen. Doch welche Probleme Verleger mit Manuskripten haben, blieb außen vor.
Autoren stellen sich immer wieder vor, wir leben in einer aufgeschlossenen Gesellschaft, in denen das Tabu überwunden ist. Dabei ist jedoch die Art des Tabu unterschiedlich anzusehen. Jeder Mensch setzt sich selbst Grenzen, die entweder sozial, kulturell, sexuell oder anders definiert werden. Jede Gesellschaft besitzt zudem ihre eigenen Themen, die nicht gern in der Öffentlichkeit besprochen werden. Die insgesamt sechs Autoren auf dem Podium schilderten aus ihrer Sicht, warum aber genau diese Themen dafür sorgen, gute Bücher zu schreiben. Vor allem aber, wie man trotz der Tabus darüber schreiben kann.
Eine der spektakulärsten Ankündigungen auf der Leipziger Buchmesse ist der dort vergebene Preis. Dazu wurde extra das Glashaus, der glasüberdachte Mittelteil des Messezentrums zwischen den Hallen geräumt und mit hunderten von Stühlen bestückt. Unverkennbar war die zu erwartende Prominenz, den auf den ersten hundert Stühlen lagen Namenszettel, damit man auch ja auf den richtigen Stuhl Platz nahm. Dafür musste die Presse sich in die Büsche am Rand der Bestuhlung schlagen und der Normalbürger konnte von fern zusehen, wie sich die Prominenz selbst feierte. Was nutzt eine Preisverleihung, wenn man weit hinten steht, so gut, wie nichts sieht und nur undeutliches Nuscheln vernimmt, weil die Technik nicht in der Lage war, die Worte der Redner zu übertragen. Dennoch, hier geht es um einen Preis, einen wohlverdienten vielleicht, aber immerhin, der
Preis der Leipziger Buchmesse 2012
So kam es, dass hunderte Zuschauer und Medienvertreter darauf warteten, die Entscheidung der Jury unter dem Vorsitz von Verena Auffermann zu erfahren. Positiv war, dass neben dem angezeigten Countdown es tatsächlich gelang, pünktlich anzufangen. Mit den Eingangs erwähnten Einschränkungen. Zum achten Mal wurde der Preis der Leipziger Buchmesse vergeben. In der Glashalle des Leipziger Messegeländes erlebte die hauptsächlich vorn sitzende Prominenz eine inszenierte Preisverleihung und zollten den Gewinnern viel Beifall. Der jedoch von den eigentlichen Besuchern nur wenig beachtet wurde. Eine siebenköpfige Jury wählte jeweils fünf mögliche Preisträger in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung aus. Der Preis der Leipziger Buchmesse 2012 wurde Wolfgang Herrndorf im Bereich Belletristik übergeben, Jörg Baberowski erhielt ihn für die Rubrik Sachbuch/Essayistik und Christina Viragh erhielt den Preis für ihre Übersetzungstätigkeit.
Weil der Preisträger Wolfgang Herrndorf nicht anwesend war, nahm Robert Koall, Chefdramaturg am Staatstheater Dresden diesen entgegen. Einzig Jörg Baberowski und Christina Viragh erschienen persönlich beim Festakt, um den Preis entgegenzunehmen. Es ist bezeichnend, dass die Künstler weitgehend auf ein Erscheinen verzichteten. Pro Rubrik wurden jeweils fünf Vertreter nominiert.
Wer sich für den Preis interessiert, kann die entsprechenden Informationen unter www.preis-der-leipziger-buchmesse.de abrufen. In diesem Jahr reichten 147 Verlage insgesamt 470 Titel ein.
Die Cosplay
Während der Buchmesse in Leipzig fand sich ein sehr junges Publikum ein. Nicht nur wegen der Jugendbücher in den etablierten Verlagen, sondern vor allem wegen der Comics und Comic-Verfilmungen, denen sie in farbenfrohen und abenteuerlich anmutenden Verkleidungen frönten. Ob nun Darth Vader, Luke Skywaler oder Leia Organa, ob nun aus One Piece oder Sailermoon, auch die Mario Brothers oder Fluch der Karibik wurden dargestellt. Viele Besucherinnen der Leipziger Buchmesse hatten sich abenteuerlich verkleidet, um so ihrer Sympathie zu bestimmten Helden Ausdruck zu verleihen und oder am Cosplay Gathering teilzunehmen.
Am Samstag den 17.03. stellten sich während des European Cosplay Gathering wieder sehr viele Charaktere aus Manga, Anime, Comic und Film in farbenfrohen Kostümen der Jury. Es galt für die engagierten Kostümierten, sich für die nächste Runde auf der JapanExpo in Paris zu qualifizieren. Dabei fand am Samstag nur die Vorentscheidung statt, während der Sonntag ganz im Zeichen der Preisverleihung stand. Erstmals wurden auf der Cosplay auch Figuren aus Musicals zugelassen, so dass es niemanden wunderte, als bei der Preisverleihung Katzenkostümierte auf der Bühne standen und Publikum wie Preisrichter verzauberten.
An dieser Stelle folgen die Gewinner der Leipziger Cosplay Wettbewerb 2012
1. Platz
Danqin Wang, Shanshan Wang, Hanchuan Wang, Wan'er Liang und Chengua Hao als Okuni, Nohime, Ishida Mitsunari, Oichi und Date Masamune aus Sengoku Musou 3, besser bekannt als Samurai Warriors (3)
2. Platz
Ivonne Vetter und Janina Brehler als Queen Esther und Lilith Sahl aus Trinity Blood
3. Platz
Dorothea Mercedes Kaiser, Bianka Sempf, Larissa Paulus, Saphira Staub und Melinda Kafung Ngo als Ichinose Tokiya, Jinguji Ren, Kurusu Syo, Shinomiya Natsuki und Ittoki Otoya aus Uta no Prince-sama
4. Platz
Julia Möller, Marianne Korziniecki und Aileen Dumröse als Kratos, Pandora und Hera aus dem Manga God of War
5. Platz
Gloria Hasert, Jankia Maier, Juliane Mörschel, Julia Schlenker, Kristina Toppel und Janne Steffen als Tantomile, Coricopat, Skimbleshanks, Plato, Elektra und Rumpleteazer aus dem Musical Cats
Manga Talente Wettbewerb
Ebenfalls am Samstag den 17ten wurden die besten Zeichnungen im diesjährigen MANGA TALENTE-Wettbewerb gekürt. Im Comic-Forum Schwarzes Sofa freuten sich Doreen Wetzel, Saskia Weigelt, Paula Cyviaks und Madita Schwenke über die Auszeichnungen.
Comics sind schon seit Jahren ein Schwerpunkt der Leipziger Buchmesse. So bot die Messe in diesem Jahr wieder zahlreiche Autogramm- und Signierstunden. Sie sind damit ein großer Anziehungspunkt für das jugendliche Publikum. Gleichzeitig bietet die Buchmesse gerade diesem, von den elektronischen Medien verwöhnten, Verbrauchern, den Einstieg in das gedruckte Werk, dass sicher auch die nächsten hundert Jahre überleben wird.
Spiele
Die Buchmesse bietet nicht nur Lesestoff. Gerade für Kindergarten, Vorschule und Schule werden viele Lernspiele angeboten, um somit den Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, Lernstoff einfacher aufzunehmen. Dazu bedienen sich die einzelnen Hersteller einfachster Materialien aus Papier und Holz, bis hin zu komplexen elektronischen Spielen, die oftmals im Internet angeboten werden. In den wenigsten Fällen sind die Internetangebote jedoch kostenlos.
Neben den Lernspielen finden sich auch Rollenspiele, Karten- und Würfelspiele und andere mehr. Gerade kleinere Verlage nutzen die Möglichkeit, in Verbindung mit Literatur und Comics, ihre Ideen dem Publikum zu unterbreiten. So fanden sich in der Halle 2 Rollenspieler, die Charakterbildung im Wald betrieben, als Waldritter oder das Rollenspiel Nova, das mit entsprechenden Rollen- und Abenteuerspielen von sich reden macht.
Nach vier Messetagen schloss die Messe wieder einmal mehr mit einer erfreulichen Bilanz. Rund 165.000 Besucher zählte die Messe auf ihren 69.000 m². Die Messe selbst ist für Lesehungrige eine Fundgrube, ein Anreiz und Grund genug, Jahr für Jahr wieder dorthin zu fahren. Die Vielfalt dessen, was angeboten wird, kann nur angerissen werden.
Bürgerreporter:in:erik schreiber aus Bickenbach (HE) |
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