652. Newsletter Südharzstrecke - eine Glosse zum Jahresanfang
Südniedersachsen: : Echternach (Han) ) …oder: Wie Eisenbahnpolitik für Südniedersachsen aussieht - eine Glosse zum Jahresanfang (Stand 10.01.2016)
Hallo liebe Eisenbahn-, ÖPNV- und SPNV-Interessierte!
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Städtchen Echternach liegt immer noch im Großherzogtum Luxemburg und nicht im Hannoverschen, wie, sagen wir einmal, Northeim. Aber es liegt an einem Fluss, der „Sauer“ heißt, und es ist Heimstatt der bekannten Springprozession, bei der auf zwei Schritte vorwärts stets ein Schritt rückwärts folgt. Und damit eignet es sich in gleich zweifacher Hinsicht als Angelpunkt für eine Betrachtung über die Art und Weise, wie Eisenbahn-Politik für Südniedersachsen betrieben und vom Kunden wahrgenommen wird.
Der nämlich ist ob der ständig mit Fortschritten verbundenen Rückschritte sauer, da eine kontinuierliche Entwicklung nach vorn eben nicht erkennbar ist. Die Ähnlichkeit mit der Springprozession ist frappierend, denn auf Verbesserungen im Fahrplan folgt sogleich wieder eine Verschlechterung, damit wir hier im Landessüden, im „Mezzogiorno“ Niedersachsens, nur nicht übermütig werden. Beim Tarif geht es praktisch nur noch rückwärts.
Der Anfang: Gleich 20 Schritte zurück
Angefangen hat alles mit einer bei der Echternacher Prozession nicht geläufigen Bewegung, denn es ging gleich einmal 20 Schritte zurück. „Zurück auf Null“ gewissermaßen, denn die Deutsche Bahn strich auf einen Schlag fast alle Intercity-Halte in Northeim und Kreiensen und beraubte damit die Kunden links und rechts der Nord-Süd-Strecke aller guten Anschlüsse nach Hannover und darüber hinaus. Praktisch zeitgleich wurden alle brauchbaren Anschlüsse nach Hannover über Salzgitter-Ringelheim der Einführung des Taktfahrplans zwischen Bad Harzburg und Hannover geopfert. Rund 60 Verbindungen wurden gekappt und nicht ersetzt.
Die dafür von der Landesnahverkehrsgesellschaft bestellten Nahverkehrsleistungen zwischen Göttingen und Bad Harzburg schaffen zwar Ersatz aus dem Nordharz nach Süden, mitnichten aber aus dem Landessüden nach Norden. Hier ist man seither auf die „metronome“ angewiesen, die einen in Northeim zu fast 30 Minuten Aufenthalt verdonnern und obendrein nicht nach Hamburg durchfahren, sondern im beschaulichen Heidestädtchen Uelzen zu erneutem Umstieg zwingen. Zu allem Überfluss fahren sie in Hannover konsequent an allen Nahverkehrsanschlüssen nach und von Bremen, Minden, Bielefeld, Osnabrück und so weiter vorbei. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Fortschritt und Rückschritt bei den ICE-Anschlüssen in Göttingen
Beinahe jedes Jahr muss man sich auf den Verlust von ICE-Halten in Göttingen gefasst machen. Die Begründungen sind immer wieder einmal anders, die Tendenz jedoch bleibt. Mal sind es fehlende ICE-Garnituren, und die ersatzweise fahrenden IC müssen ausgerechnet den Halt in Göttingen auslassen, mal sind zwar die ICE da, aber die schweigende Mehrheit der Fahrgäste möchte auf einmal 10 Minuten schneller in Hamburg sein, und wieder muss Göttingen ausgelassen werden. Ab und an hält ein vorher durchrauschender ICE dann mal wieder, aber der stündliche Takt und damit die gute Merkbarkeit des Fahrplans sind hinüber.
Die offizielle Begründung der Bahn spricht jedem Netzgedanken Hohn. Es wird stets auf „kurz vorher“ oder „kurz danach“ verkehrende und in Göttingen haltende Züge verwiesen. Nur haben diese leider keine Anschlüsse nach Nordhausen oder nach Bad Harzburg. Oder umgekehrt.
Es steht zu befürchten, dass der derzeit im Bahnvorstand grassierenden „Sprinter-Manie“ demnächst noch weitere Halte in der Universitätsstadt geopfert werden und damit der Taktfahrplan endgültig ad absurdum geführt werden wird.
Fortschritte und Rückschritte im Fahrplan der West-Ost-Strecke
Als Fortschritte können wir hier die konsequente Durchbindung der Züge zwischen Bodenfelde und Nordhausen, den verbesserten Fahrplan zwischen Göttingen und Bodenfelde und das nach vielen Jahren gelungene Beschleunigen einer Regionalbahn nach Göttingen verbuchen. Letzteres macht aus einem inoffiziellen und wackeligen nun einen nur noch wackeligen, aber doch immerhin im Internet ablesbaren Anschluss nach Frankfurt. Sekt! Das Erste und das Zweite werten die Achse Paderborn – Göttingen/Nordhausen spürbar auf. Es gibt freilich eine Menge Leute, die dem der IC-Ersatzlösung geopferten Stundentakt direkter Züge aus dem Südharz nach Göttingen nachtrauern und in Bodenfelde keinen wirklichen Ersatz für die Universitätsstadt sehen. Aber immerhin!
Rückschritte sind jedoch auch da, und zwar – anders als in Echternach – mehr als Fortschritte. Ein Schritt nach vorn, zwei zurück gewissermaßen.
Da ist einmal die Rücknahme der Verstärkerzüge zwischen Herzberg und Walkenried, angeblich mangelnder Besetzung geschuldet.
Da ist zweitens die Streichung eines Verstärkerzuges zwischen Northeim und Herzberg.
Und da ist drittens die völlig sinnlose Verlegung des frühen Verstärkerzuges von Herzberg nach Göttingen. Er ist jetzt satte 3 Minuten schneller unterwegs, verpasst aber dafür den letzten brauchbaren metronom-Anschluss in Northeim und einen der wenigen guten ICE-Anschlüsse von Göttingen nach Hannover und Hamburg.
Ein grandioser Beweis überlegener Fahrplankunst, der die Südharzer ratlos zurücklässt. Aber Diesel und Benzin sind ja derzeit billig, so dass es nach Hannover die gummibereifte Alternative gibt…
Stillstand und Rückschritte in Tariffragen
Das Auf-der-Stelle-Treten ist bei der Echternacher Prozession nicht vorgesehen. Es wurde in den niedersächsischen ÖPNV-Prozess jedoch mit eingebaut. Der mit Schwung eingeführte Niedersachsen-Tarif sollte weiterentwickelt werden. Ist er womöglich auch irgendwo, nur nicht hierzulande. Der Harz ist weiterhin komplett ausgeklammert, selbst für die Einbindung von Bad Lauterberg fand sich noch keine Lösung.
Dafür mehren sich im Zeichen des „Niedersachsen-Tarifs“ nun die Rückschritte. Funktionierende Automaten mit vollem Fahrscheinsortiment werden abgebaut und durch solche mit eingeschränkten Kaufmöglichkeiten ersetzt. Fernverkehr? Sollen die Leute doch sehen, wie sie an Fahrscheine herankommen. Womit sich der Teufelskreis der schlechten Nahverkehrsanschlüsse endgültig schließt: Die Bewohner des Landessüdens sollen ausweislich mehrerer Schriftwechsel mit der Landesnahverkehrsgesellschaft doch bitte ab Hannover die guten Fernverbindungen nutzen – nur Fahrscheine hierfür können sie nicht kaufen… Eine offenbar wohldurchdachte und kundenorientierte Strategie, die nun auch noch diese Reisenden vergrault. Hingegen kann man sich nicht genug dafür preisen, dass man für den Landesnorden flexible und den Fernverkehr einschließende Tariflösungen erdacht hat. Damit waren die Kräfte aber offenbar so erschöpft, dass nichts mehr passiert.
Gleichbehandlung aller Landesteile?
Pustekuchen! Was für den Jupiter Norden (der allerdings die aktuelle Landespolitik in jeder Beziehung dominiert) gilt, gilt für uns Ochsen im Süden noch lange nicht. Anmerkung ganz am Rande: Dass grüne Politik einst einmal auch Verkehrspolitik pro ÖPNV war, ist ganz, ganz lange her… Die Stimme des Landessüdens im Kabinett ist jedenfalls in dieser Hinsicht praktisch nicht mehr zu vernehmen.
Nahverkehrspolitik aus einem Guss sieht jedenfalls anders aus. Da würde man das ganze Land konsequent und mit guten Anschlüssen vertakten, dort, wo dies so nicht geht, den Fernverkehr – und zwar überall und nicht nur an der Küste – einbeziehen und vor allem in Tariffragen den Kunden den Zugang zum ÖPNV erleichtern und nicht erschweren. Aber hierzulande kocht jeder eben sein Süppchen und schert sich nicht darum, was der andere tut. Selektiv gewürzt wird dann auch noch – im Norden die edleren Zutaten, für uns hier unten bestenfalls noch eine Prise Salz in Form abgebauter Automaten und geschlossener Verkaufsstellen.
Wir lassen die Ohren jedoch nicht hängen und kämpfen weiter. Gute Fahrt im Jahr 2016!
Michael Reinboth
Viele Grüße
Burkhard Breme
Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz"
37431 Bad Lauterberg
E-Mail: burkhard.breme@suedharzstrecke.de
Internet: http://www.suedharzstrecke.de