Wenn Sportler ihr Gesicht verkaufen - Werbung mit Sport-Testimonials

Werbung mit Testimonials wird in Deutschland immer populärer. Insbesondere Prominente aus dem Sportsektor fungieren häufig als Träger eines Testimonials. Sie geben ihr Gesicht und meist noch einen Spruch im Rahmen einer Werbekampagne her. Die passende Bezeichnung für die Verbindung zwischen einem Profifußballer wie Manuel Neuer, Sportkletterern wie den Huberbuam oder Boxern wie den Klitschko-Brüdern und Susi Kentikian und einem Produkt wie Nutella oder Milchschnitte lautet „Sports Celebrity Endorsement“ und bedeutet so viel wie Befürwortung oder Unterstützung durch eine prominente Sportpersönlichkeit. Dieses Prinzip der Werbewirtschaft stammt aus den USA und wird dort seit den 1920er Jahren verstärkt angewandt, insbesondere mit Sportlern, die für Lebensmittel oder Bedarfsartikel werben. Heutzutage sind aktive US-Athleten für eine nationale Kampagne im günstigsten Fall für eine Million Dollar zu haben.

Firmen erhoffen sich von Sportlern Imagetransfer auf ihr Produkt
Auch in Deutschland wird bevorzugt mit Sportstars geworben, wenn ein Testimonial zum Einsatz kommen soll, also eine Persönlichkeit, die mit dem Produkt in Verbindung gebracht wird. Die Idee, die aus Marketing-Sicht hinter Testimonialwerbung steckt, ist simpel: Die positiven Werte der Persönlichkeit sowie die seines Umfelds sollen im Kopf des Kunden auf das beworbene Produkt übertragen werden. Dadurch wird das Image des Konzerns oder des Produkts gesteigert und der Absatz gesteigert. Aktive Sportler sind laut Sportwissenschaftlerin Daniela Schaaf, die sich jahrelang intensiv mit Sport-Testimonials beschäftigt hat, die am häufigsten eingesetzten Prominenten in der Werbung. Ein Spitzensportler verkörpert Werte wie Dynamik und Erfolg und genießt hohe Sympathie in der Bevölkerung, solange er von Skandalen verschont bleibt und seine Leistung bringt. „Damit erfüllt er aus Sicht der werbetreibenden Industrie alle Voraussetzungen für einen Imagetransfer von positiven Eigenschaften auf das zu bewerbende Produkt“, erläutert Schaaf in ihrer Dissertation „Testimonialwerbung mit Sportprominenz. Eine institutionenökonomische und kommunikationsempirische Analyse“ (Herbert von Halem Verlag, 2010).

Der Clou: Aktive Sportler dienen in Werbekampagnen als Blickfang und generieren schnell Aufmerksamkeit für eine Marke. Das äußert sich bestenfalls in Verkaufszahlen, die die Augen eines Konzernmanagers zum Leuchten bringen. Ein höherer Produktabverkauf steht bei vielen Unternehmen, die Prominente als Testimonials einsetzen, jedoch nicht an vorderster Stelle. Wichtiger ist ihnen, dass sie in den Fokus der Öffentlichkeit geraten und dadurch die Bekanntheit ihrer Marke steigern oder gegebenenfalls ihr Image aufpolieren.

Warum Steffi Graf als Testimonial scheiterte
Dabei ist es hilfreich, wenn der Athlet selbst eine weiße Weste hat. Ein Sportler, der mit einem Dopingskandal in Verbindung gebracht wird, sich private Eskapaden leistet oder eine sportliche Durststrecke erlebt, verliert nicht nur an Marktwert, sondern kann dem Unternehmen gar schaden. Denn wenn sich das positive Image eines Sportlers auf eine Marke übertragen kann, funktioniert das umgekehrt auch mit negativen Schlagzeilen. Die Steuerhinterziehungsaffäre um Peter Graf, Vater von Steffi Graf, hat gezeigt, dass es für einen Spitzensportler auch zu einem Imageverlust abseits der Sport-Bühne kommen kann. Der Automobilkonzern Opel, der Graf damals als Testimonial einsetzte, sah sich angesichts dieses Vorfalls und ausführlicher Medienberichterstattung über den Kriminalfall Graf veranlasst, die Kooperation mit der ehemaligen Weltklasse-Tennisspielerin frühzeitig zu beenden. Die Risiken bei Testimonialwerbung sind nur schwer kalkulierbar. In der Regel überwiegen jedoch die Vorteile, sonst würde die Sportprominenz wohl kaum die Werbelandschaft beherrschen. Steffi Graf flimmert längst wieder über den Bildschirm - für Barilla-Saucen.

Zwei Spielerfrauen starten in Deutschland durch
Nicht nur aktive Sportler freuen sich über finanziell interessante Werbeverträge, sondern auch andere Figuren aus dem großen Gesellschaftssystem Sport. Ehemalige Athleten, Nachwuchssportler, Vereinsfunktionäre und Spielerfrauen bekommen ihr Stück vom Kuchen. So sicherte sich der Sportartikelhersteller Nike 2003 die Dienste des damals 14-jährigen Fußballtalents Freddy Adu und berappte dafür eine Million Dollar – die bis dato höchste Summe, die Nike je im Rahmen eines Werbevertrags an einen Fußballer bezahlte. Von den Frauen an der Seite der Spitzensportler starteten in Deutschland bisher lediglich Sylvie van der Vaart und Barbara Becker durch. Letztere als Werbeikone für Pilates-DVDs sowie für ihre eigene Mode- und Schmucklinie, während van der Vaart – in den Niederlanden und mittlerweile auch in Deutschland als Moderatorin und TV-Jurorin bekannt – sich vom OTTO-Konzern gut bezahlen ließ und anschließend auch abseits von ihrer Testimonial-Tätigkeit im deutschen Fernsehen Fuß fassen konnte.

Auch Sportmanager und Trainer werden bei den Entscheidern in den Marketingabteilungen der Firmen immer beliebter. So prangen auf dem Cover der alljährlich erscheinenden PC-Spiele-Reihe „Fußball Manager“ sowohl die Trainer Thomas Doll und Felix Magath als auch das Bremer Funktionärsgespann Thomas Schaaf und Klaus Allofs. „Dabei ist zu beobachten, dass sich die Markenzone nun auch auf Protagonisten der zweiten Reihe ausweitet“, behauptet Schaaf und fügt als Beispiel die TV-Kampagne der Powerade-Drinks an, die mit DFB-Fitnesstrainer Oliver Schmidtlein warb.

Sportler sind Testimonial-Marktführer
Wichtige Faktoren bei der Auswahl eines Testimonials aus dem Sportbereich sind ein positives Image, Affinität zur Zielgruppe und zum Produkt, Charisma, Sympathie, hoher Bekanntheitsgrad, das PR-Potenzial des Athleten und seine Empfehlungskompetenz. Reifenhersteller Continental wählte einst Fußballer Timo Hildebrand als Testimonial, weil er zudem eine kontinuierliche sportliche Entwicklung vollzog, eine professionelle Einstellung an den Tag legte und als Torwart im übertragenen Sinn für die Sicherheit seiner Mannschaft sorgte. Anders als Männer im Sport müssen Athletinnen nicht nur sportliche Spitzenleistungen erzielen, sondern obendrein noch hübsch anzusehen sein. Werbeträgerinnen aus dem Sport konkurrieren zudem mit Schauspielerinnen, Models und TV-Moderatorinnen um die begehrten Kampagnen, während männliche Sporttestimonials Marktführer sind. Schaaf hat in einer umfassenden Analyse der deutschen Anzeigenwerbung weitere geschlechterspezifische Unterschiede ermittelt.

Während werberelevante Sportlerinnen meist eine Individualsportart betreiben – Fußballerin Fatmire Bajramaj bildet da eine Ausnahme -, konzentriert sich die Werbewirtschaft bei männlichen Testimonials auf Mannschaftssportler, vorrangig Fußballer. Diese bewerben hauptsächlich Sportartikel oder Banken, während Sportlerinnen vor allem von der Lebensmittelindustrie engagiert werden. Milchschnitte-Promis wie die Huberbuam oder die Klitschko-Brüder, sowie das ehemalige Tennisass Boris Becker gehören zu den in der Werbeindustrie eher weniger populären Individualsportlern.

Bei Kaiser Franz verlieren Konsumenten schon einmal den Überblick
Eine Schlüsselfrage bei Marketing-Entscheidern, die auf Testimonials bauen, ist bei der Auswahl stets: Kann das Testimonial das Produkt glaubwürdig empfehlen und passt der Archetypus des Sportlers zur Marke? Boris Becker wäre aufgrund seiner Besenkammer-Affäre ein äußerst schlechtes Testimonial für einen Kondomhersteller. Und Franz Beckenbauer, fast schon mehr als Werbefigur denn als Fußballfunktionär bekannt, hätte aus strategischer Sicht niemals für den Telekommunikationsanbieter O2 werben dürfen. Denn der „Kaiser“ hatte sich davor schon E-Plus, einem Konkurrenten aus der gleichen Branche, als Testimonial verschrieben und dem Ausspruch „Ja, ist denn heut scho Weihnachten?“ zu Popularität verholfen. Experten sprechen in solchen Fällen vom „Pinocchio-Effekt“. Die Konsumenten stellen die Glaubwürdigkeit des Testimonials infrage, weil sie den Eindruck haben, dass es dem Prominenten lediglich um einen ordentlichen Betrag auf dem nächsten Kontoauszug geht und nicht um die beworbene Marke.

Im Fall Beckenbauer ist zudem vom „Überlagerungseffekt“ die Rede. „Diese Wirkung tritt ein, wenn prominente Persönlichkeiten gleichzeitig oder in kurzer Folge hintereinander als Multitestimonials für verschiedene Anbieter auftreten“, beschreibt Schaaf die Fehlauswahl von Testimonials in ihrer Dissertation. Beckenbauer ist nicht der Einzige, dessen Erscheinung an so manchen Fernsehabend gleich mehrmals im Werbeblock über den Bildschirm flimmert. In Spots für unterschiedliche Produkte, versteht sich. Gerade die Fußballprominenz und ihre Berater neigen dazu, möglichst viele Werbeaufträge an Land zu ziehen. Eine Eigenart monetären Ursprungs, die den werbetreibenden Unternehmen gar einen Nachteil einbringt. Denn welcher Konsument behält bei der Flut an von Testimonials beworbenen Produkten schon den Überblick, zu welchem Anbieter ihn „Kaiser“ und Kollegen schicken?

Was im Testimonial-Vertrag steht
Die vertraglich festgelegten Pflichten des Testimonials umfassen laut Schaaf in der Regel drei Bereiche: Der Prominente überlässt dem Unternehmen für zeitlich befristet Rechte zur Nutzung seines Namens und seines Abbildes im Rahmen von Werbemaßnahmen. Wer sich über seine Persönlichkeitsrechte hinaus gewinnbringend vermarkten möchte, kann sich ins deutsche Markenregister eintragen und verfügt über weitere Verwertungsrechte. Der zweite Teil der Leistung des Sportlers besteht darin, bei der Produktion mitzuwirken, also sich für Fotoshootings oder Werbedrehs zur Verfügung zu stellen. Drittens kann der Sportprominente je nach Vertrag auch bei PR-Auftritten eingesetzt werden.

Marketing-Chefs lieben Typen wie Shaq O'Neal
Auch wenn nicht jedes verkaufte Stück und nicht jeder gewonnene Neukunde direkt dem Einsatz eines Testimonials anzurechnen ist, rentieren sich Kampagnen mit der Sportprominenz offenbar. Der ehemalige Tennisprofi Boris Becker gewann 1999 zwar kein Turnier mehr, für den Internetprovider AOL aber eine halbe Million Neukunden und Franz Beckenbauer bescherte Yello-Strom 200.000 neue Vertragsabschlüsse. Noch schöner ist's, wenn sich das Testimonial voll und ganz mit dem Produkt identifiziert und das auch vor laufendem Mikrofon kundtut, wie es Shaquille O'Neal einst tat. „I'm tired of hearing about money, money, money. I just want to play the game, drink Pepsi and wear Reebok“, erklärte der US-Basketballstar.

Lektüre-Hinweis zum Thema: Inzwischen ist in der Reihe "Sportkommunikation" im Herbert-von-Halem-Verlag das wissenschaftliche Werk Sport und Werbung von den Herausgebern Thomas Schierl und Daniela Schaaf erschienen. Mit einem Klick auf den Titel geht's zur Rezension.

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